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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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der österreichischen Krone den Förderer "unserer durchaus legitimen Bestrebungen
und Hoffnungen finden." Bninski betont, daß es das eingestandene Ziel und
Programm der österreichischen Regierung war, das Königreich Polen zur Mon¬
archie zu bekommen, und er bekennt, daß dies auch sein Wunsch sei. "Wir
glauben daran, daß die Zentralmächte siegen werden. Wenn sie siegen, müssen
sie das Königreich Polen erobern; wenn das geschieht, muß das Königreich
Polen der Monarchie einverleibt und in der Monarchie unter dem Zepter
unseres Kaisers mit Galizien ein selbständiges Königreich Polen gebildet werden,
wie das bezüglich Österreichs und Ungarns der Fall ist." Ähnliche Gedanken
findet man in der Rede des Erzbischofs Theodorowicz am 30. Juni. Diese
Richtung, die die Krakauer Konservativen und das "Oberste polnische National-
komitee" vertreten, konnte sich aber nicht durchringen. So tauchte im Juli der
Plan auf, den Polenklub in einen lockeren polnischen Verband umzuwandeln,
was auf die starken inneren Gegensätze hinweist. Ende Juli wurde schon
wieder beschlossen (selbstverständlich unter dem Druck der Extremen), gegen die
Negierung in Opposition zu treten, angeblich weil in Galizien die Zivilverwal¬
tung nicht hergestellt worden sei. In Wirklichkeit setzte dies die extreme Partei
als Demonstration wegen der Verhaftung Pilsudskis und gegen die deutschen
Verwaltungsbehörden durch. Dann kamen anfangs August die zweitägigen
Beratungen in Krakau, die die bestehenden Gegensätze verraten. In der inneren
Politik standen sich zwei Anträge gegenüber, von denen der mildere siegte,
darnach der Klub eine abwartende Stellung einzunehmen beschloß und seine
Gefolgschaft von der Erfüllung seiner Forderungen durch die Regierung ab¬
hängig machte. Auch in der äußeren Politik überwog die realpolitische Rich¬
tung: es wurden zwar die Beschlüsse vom 28. Mai (Polens Zutritt zum
Meere) wiederholt; die Forderung nach baldiger Schaffung einer nationalen
Regierung in Polen und der Armee waren aber gemäßigt, und der sozial¬
demokratische Demonstrationsantrag auf Übertragung des Kommandos der pol¬
nischen Armee auf Pilsudski ist mit 24 gegen 19 Stimmen abgelehnt worden.
Den Antrag der Sozialdemokraten auf Verwandlung des Polenklubs in einen
losen nationalen Verband ließ der Klubobmann nicht zur Beratung kommen.
Diese Vorgänge, verbunden mit den gleichzeitig in Krakau stattfindenden Straßen¬
krawallen, beweisen zur Genüge die zweigeteilte Stimmung. Bezeichnend ist
auch, daß die Nationaldemokraten gegen die sofortige Bildung der na¬
tionalen Regierung im Königreich Polen stimmten. Die Gründe sür diese
Gegensätze verrät uns der "Czas" in dem schon oben zitierten Artikel vom
9. August.

Ein weiterer Beweis der bestehenden Gegensätze ist der Versuch der Auf¬
lösung des Obersten polnischen Nationalkomitees, das bekanntlich im Sinne der
gemäßigten Krakauer Konservativen (Polen und Galizien in Verbindung mit
Österreich) gearbeitet hat. Dieses Komitee hat zwar nach Übernahme der
Legionen durch den Warschauer Staatsrat seine Tätigkeit eingestellt (24. Januar


Die polnische Frage von Juni bis September >A^7

der österreichischen Krone den Förderer „unserer durchaus legitimen Bestrebungen
und Hoffnungen finden." Bninski betont, daß es das eingestandene Ziel und
Programm der österreichischen Regierung war, das Königreich Polen zur Mon¬
archie zu bekommen, und er bekennt, daß dies auch sein Wunsch sei. „Wir
glauben daran, daß die Zentralmächte siegen werden. Wenn sie siegen, müssen
sie das Königreich Polen erobern; wenn das geschieht, muß das Königreich
Polen der Monarchie einverleibt und in der Monarchie unter dem Zepter
unseres Kaisers mit Galizien ein selbständiges Königreich Polen gebildet werden,
wie das bezüglich Österreichs und Ungarns der Fall ist." Ähnliche Gedanken
findet man in der Rede des Erzbischofs Theodorowicz am 30. Juni. Diese
Richtung, die die Krakauer Konservativen und das „Oberste polnische National-
komitee" vertreten, konnte sich aber nicht durchringen. So tauchte im Juli der
Plan auf, den Polenklub in einen lockeren polnischen Verband umzuwandeln,
was auf die starken inneren Gegensätze hinweist. Ende Juli wurde schon
wieder beschlossen (selbstverständlich unter dem Druck der Extremen), gegen die
Negierung in Opposition zu treten, angeblich weil in Galizien die Zivilverwal¬
tung nicht hergestellt worden sei. In Wirklichkeit setzte dies die extreme Partei
als Demonstration wegen der Verhaftung Pilsudskis und gegen die deutschen
Verwaltungsbehörden durch. Dann kamen anfangs August die zweitägigen
Beratungen in Krakau, die die bestehenden Gegensätze verraten. In der inneren
Politik standen sich zwei Anträge gegenüber, von denen der mildere siegte,
darnach der Klub eine abwartende Stellung einzunehmen beschloß und seine
Gefolgschaft von der Erfüllung seiner Forderungen durch die Regierung ab¬
hängig machte. Auch in der äußeren Politik überwog die realpolitische Rich¬
tung: es wurden zwar die Beschlüsse vom 28. Mai (Polens Zutritt zum
Meere) wiederholt; die Forderung nach baldiger Schaffung einer nationalen
Regierung in Polen und der Armee waren aber gemäßigt, und der sozial¬
demokratische Demonstrationsantrag auf Übertragung des Kommandos der pol¬
nischen Armee auf Pilsudski ist mit 24 gegen 19 Stimmen abgelehnt worden.
Den Antrag der Sozialdemokraten auf Verwandlung des Polenklubs in einen
losen nationalen Verband ließ der Klubobmann nicht zur Beratung kommen.
Diese Vorgänge, verbunden mit den gleichzeitig in Krakau stattfindenden Straßen¬
krawallen, beweisen zur Genüge die zweigeteilte Stimmung. Bezeichnend ist
auch, daß die Nationaldemokraten gegen die sofortige Bildung der na¬
tionalen Regierung im Königreich Polen stimmten. Die Gründe sür diese
Gegensätze verrät uns der „Czas" in dem schon oben zitierten Artikel vom
9. August.

Ein weiterer Beweis der bestehenden Gegensätze ist der Versuch der Auf¬
lösung des Obersten polnischen Nationalkomitees, das bekanntlich im Sinne der
gemäßigten Krakauer Konservativen (Polen und Galizien in Verbindung mit
Österreich) gearbeitet hat. Dieses Komitee hat zwar nach Übernahme der
Legionen durch den Warschauer Staatsrat seine Tätigkeit eingestellt (24. Januar


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/99>, abgerufen am 01.09.2024.