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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Die polnische Frage von Zum bis September ^7

berüchtigte russophile Pole Dmowski ist der hervorragendste Führer der Polen
in den Ententeländern. Aus der ergebnislosen Emigrantenwirtschaft 1795 bis
1863 haben viele Polen nichts gelernt. Nicht dieser Wühlarbeit verdanken
die Polen ihre Erfolge in den letzten Jahrzehnten, sondern dem deutschen Krieg
von 1866 und den Siegen der Zentralmächte in den letzten Jahren. Mit
Recht wirft der Krakauer "Czas" den Emigrantenkreisen vor, daß sie nicht
einmal den Umstand klar zu erfassen vermögen, daß die Entschließung vom
3. November von den Mächten herrührt, die die polnischen Länder in Händen
halten, während die Erklärungen der Entente nur Akte in "partibu8" sind.




Das Treiben der Emigranten der allpolnisch-russophilen-ententefreundlichen
Kreise ist um so verderblicher, als sie selbstverständlich auch in Polen und
Galizien ihren Einfluß üben. Wie die Emigranten vor 1863, so agitieren
natürlich auch die neuen in diesen Ländern für ihre Ideen im Interesse der
Entente.

Schon in unserem ersten Artikel wurde auf die Wühlarbeit in Polen hin¬
gewiesen und dafür polnische Stimmen zitiert. Seither ist es nicht besser ge¬
worden. Wir sehen davon ab, daß bald hier, bald dort von der Entlarvung
eines "russischen Provokateurs" berichtet wird; in Ludim saß einer sogar im
Gemeinderat. Ebensolche "Provokateure" haben aber auch die anderen Entente¬
mächte. Es genügt auf folgende Äußerung der "Godzina Polski" vom 30. Juli
hinzuweisen: "Heute, wo sich unser Geschick entscheidet, wo unsere Zukunft noch
im Abgrunde der Ungewißheit schwebt, gelangen zu uns aus fernen Ländern,
unseren bisherigen Richtlinien, fremde und doch bekannte Stimmen, da sie die
Passivisten und den Geist der Negation in einen Kreis vereinen, der sich zum
Kampf mit dem entstehenden polnischen Staate vorbereitet. Sie benachrichtigen
ihre politischen Freunde von dem Stand ihrer Bemühungen und behaupten,
daß England, jener entscheidende Faktor der Koalition, beschloß. Deutschland
endgültig zu zerschmettern und an dessen östlicher Grenze einen polnischen Staat,
durch ein Bündnis mit England vereint, zu bilden. Die nationaldemokratischen
und .realpolitisierendcn' polnischen Elemente weisen wiederum ihren im Lande
verbliebenen Genossen die Wege, die ihre Tätigkeit betreten soll. Vor allem
müssen sie sich also bemühen, daß Polen durch seine Stellung zu England und
dessen Interessen die .Gewogenheit' Englands gewinne. Auf welche Weise
das eintreten könnte, dafür geben sie ein vortreffliches und einfaches Rezept:
.alle Anstrengungen zur Bildung einer polnischen Armee, die mit den Zentral¬
mächten gegen die Koalition kämpfen könnte, sind zu hemmen. Man darf auch
nicht zulassen, daß sich Polen diplomatisch mit den Zentralmächten durch die
Person des durch diese Staaten ernannten Regenten verbindet. Endlich soll
man sich bemühen so geschickt vorzugehen, daß die Unter und Behörden, die
als Ergebnis des Aktes vom 5. November entstehen könnten, in die Hände
vertrauter und entschiedener Anhänger der durch die Entente verbundenen poli-


Die polnische Frage von Zum bis September ^7

berüchtigte russophile Pole Dmowski ist der hervorragendste Führer der Polen
in den Ententeländern. Aus der ergebnislosen Emigrantenwirtschaft 1795 bis
1863 haben viele Polen nichts gelernt. Nicht dieser Wühlarbeit verdanken
die Polen ihre Erfolge in den letzten Jahrzehnten, sondern dem deutschen Krieg
von 1866 und den Siegen der Zentralmächte in den letzten Jahren. Mit
Recht wirft der Krakauer „Czas" den Emigrantenkreisen vor, daß sie nicht
einmal den Umstand klar zu erfassen vermögen, daß die Entschließung vom
3. November von den Mächten herrührt, die die polnischen Länder in Händen
halten, während die Erklärungen der Entente nur Akte in „partibu8" sind.




Das Treiben der Emigranten der allpolnisch-russophilen-ententefreundlichen
Kreise ist um so verderblicher, als sie selbstverständlich auch in Polen und
Galizien ihren Einfluß üben. Wie die Emigranten vor 1863, so agitieren
natürlich auch die neuen in diesen Ländern für ihre Ideen im Interesse der
Entente.

Schon in unserem ersten Artikel wurde auf die Wühlarbeit in Polen hin¬
gewiesen und dafür polnische Stimmen zitiert. Seither ist es nicht besser ge¬
worden. Wir sehen davon ab, daß bald hier, bald dort von der Entlarvung
eines „russischen Provokateurs" berichtet wird; in Ludim saß einer sogar im
Gemeinderat. Ebensolche „Provokateure" haben aber auch die anderen Entente¬
mächte. Es genügt auf folgende Äußerung der „Godzina Polski" vom 30. Juli
hinzuweisen: „Heute, wo sich unser Geschick entscheidet, wo unsere Zukunft noch
im Abgrunde der Ungewißheit schwebt, gelangen zu uns aus fernen Ländern,
unseren bisherigen Richtlinien, fremde und doch bekannte Stimmen, da sie die
Passivisten und den Geist der Negation in einen Kreis vereinen, der sich zum
Kampf mit dem entstehenden polnischen Staate vorbereitet. Sie benachrichtigen
ihre politischen Freunde von dem Stand ihrer Bemühungen und behaupten,
daß England, jener entscheidende Faktor der Koalition, beschloß. Deutschland
endgültig zu zerschmettern und an dessen östlicher Grenze einen polnischen Staat,
durch ein Bündnis mit England vereint, zu bilden. Die nationaldemokratischen
und .realpolitisierendcn' polnischen Elemente weisen wiederum ihren im Lande
verbliebenen Genossen die Wege, die ihre Tätigkeit betreten soll. Vor allem
müssen sie sich also bemühen, daß Polen durch seine Stellung zu England und
dessen Interessen die .Gewogenheit' Englands gewinne. Auf welche Weise
das eintreten könnte, dafür geben sie ein vortreffliches und einfaches Rezept:
.alle Anstrengungen zur Bildung einer polnischen Armee, die mit den Zentral¬
mächten gegen die Koalition kämpfen könnte, sind zu hemmen. Man darf auch
nicht zulassen, daß sich Polen diplomatisch mit den Zentralmächten durch die
Person des durch diese Staaten ernannten Regenten verbindet. Endlich soll
man sich bemühen so geschickt vorzugehen, daß die Unter und Behörden, die
als Ergebnis des Aktes vom 5. November entstehen könnten, in die Hände
vertrauter und entschiedener Anhänger der durch die Entente verbundenen poli-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/96>, abgerufen am 01.09.2024.