Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.Die polnische Frage von Juni bis September i?i>7 des Neoflawismus, der den Zweck hat, die Polen für Rußland zu gewinnen Das Moskaner "Echo polski" vom 9. Juni ruft alle politischen polnischen Wie in Rußland arbeiten die Emigranten auch in anderen Ländern. England hat sich früher um Polen gar nicht gekümmert; erst nachdem die Darüber vgl. mein "Polen und die Polnisch-ruthenische Frage", 2. Aufl. (Leipzig, Teubner). Grenzboten IV "
Die polnische Frage von Juni bis September i?i>7 des Neoflawismus, der den Zweck hat, die Polen für Rußland zu gewinnen Das Moskaner „Echo polski" vom 9. Juni ruft alle politischen polnischen Wie in Rußland arbeiten die Emigranten auch in anderen Ländern. England hat sich früher um Polen gar nicht gekümmert; erst nachdem die Darüber vgl. mein „Polen und die Polnisch-ruthenische Frage", 2. Aufl. (Leipzig, Teubner). Grenzboten IV «
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0093" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332808"/> <fw type="header" place="top"> Die polnische Frage von Juni bis September i?i>7</fw><lb/> <p xml:id="ID_346" prev="#ID_345"> des Neoflawismus, der den Zweck hat, die Polen für Rußland zu gewinnen<lb/> Diese Emigranten werden freilich ebenso wie ihre Vorläufer im achtzehnten und<lb/> neunzehnten Jahrhundert nur Verwirrung und Unruhen hervorrufen und der<lb/> polnischen Sache nur Schaden zufügen.</p><lb/> <p xml:id="ID_347"> Das Moskaner „Echo polski" vom 9. Juni ruft alle politischen polnischen<lb/> Parteien Petersburgs zur Einigkeit. „Die gesamte polnische Emigration ver¬<lb/> langt die Schaffung eines Organs, das die polnische Politik in der Fremde<lb/> und ihre Kundgebungen vereinheitlichen würde, und von einem einzigen Ge¬<lb/> danken beseelt, müssen wir endlich ein gemeinsames politisches Programm fest¬<lb/> legen." Wie man sieht, ist von einer großen Einigkeit und einem Zusammen¬<lb/> schluß noch wenig zu spüren. Den Hauptgrund der Uneinigkeit verriet ganz<lb/> klar die wenige Wochen später in Kiew abgehaltene Konferenz. Hier zeigte es<lb/> sich, daß die polnischen Nationaldemokraten mit dem polnischen Staatsrat in<lb/> Warschau nichts zu schaffen haben wollen und ihn nicht als polnische National-<lb/> regierung anerkennen. „Wir wünschen" — führte ein Redner in dieser Richtung<lb/> aus — „ein großes Polen mit Gat'izien, Posen und Danzig und für ein solches<lb/> Polen wollen wir kämpfen, ohne Rücksicht auf die Befehle Warschaus, da<lb/> Warschau sich jetzt nicht frei aussprechen kann." Freilich blieben in Kiew die<lb/> Nationaldemokraten in der Minderheit. Die Mehrheit beschloß eine Kund¬<lb/> gebung, in der fie ihre Übereinstimmung mit der Mehrheit des Volkes im<lb/> Königreich Polen ausdrückt. Aber schon der Moskaner Polenkongreß (Emi-<lb/> grantenkongreß) hat ein anderes Aussehen. Hier kam (nach den dagegen ge¬<lb/> richteten Ausführungen des polnischen Staatratsmitgliedes Rostworowski vom<lb/> 3. September) eine durchaus russenfreundliche Stimmung zur Geltung. Über<lb/> hundert polnische Parteien und Organisationen sprachen sich gegen die Mittel¬<lb/> mächte aus und forderten ein Polen mit dem Ausgang zum Meere an der<lb/> Weichselmündung. Das veranlaßt Rostworowski gegen dieses Treiben der Emi¬<lb/> granten Stellung zu nehmen: „die Leitung der polnischen Politik müsse sich im<lb/> Heimatland befinden, wo volle Verantwortlichkeit herrscht. Leichtsinnige Emi-<lb/> grantenpolitik könne, wenn sie auch im guten Glauben gemacht werde, dem<lb/> Lande großen Schaden verursachen und den erzielten Erfolg vernichten." Mit<lb/> der Politik eines Teiles der Polen in Rußland hängt selbstverständlich auch<lb/> der Plan der Bildung einer polnischen Armee in Rußland zusammen, der je¬<lb/> doch von anderen Polen und Kerenski bekämpft wird. Sonst werden aber<lb/> offenbar die Bestrebungen der Polen in Rußland überaus gefördert, weil ja<lb/> Polen an und für sich verloren ist und man sich der Polen als Gegengewicht<lb/> gegen die gehaßten Ukrainer zu bedienen hofft.</p><lb/> <p xml:id="ID_348"> Wie in Rußland arbeiten die Emigranten auch in anderen Ländern.</p><lb/> <p xml:id="ID_349" next="#ID_350"> England hat sich früher um Polen gar nicht gekümmert; erst nachdem die<lb/> Zentralmächte mit der Erklärung vom 5. November an die Errichtung Polens</p><lb/> <note xml:id="FID_22" place="foot"> Darüber vgl. mein „Polen und die Polnisch-ruthenische Frage", 2. Aufl. (Leipzig,<lb/> Teubner).</note><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV «</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0093]
Die polnische Frage von Juni bis September i?i>7
des Neoflawismus, der den Zweck hat, die Polen für Rußland zu gewinnen
Diese Emigranten werden freilich ebenso wie ihre Vorläufer im achtzehnten und
neunzehnten Jahrhundert nur Verwirrung und Unruhen hervorrufen und der
polnischen Sache nur Schaden zufügen.
Das Moskaner „Echo polski" vom 9. Juni ruft alle politischen polnischen
Parteien Petersburgs zur Einigkeit. „Die gesamte polnische Emigration ver¬
langt die Schaffung eines Organs, das die polnische Politik in der Fremde
und ihre Kundgebungen vereinheitlichen würde, und von einem einzigen Ge¬
danken beseelt, müssen wir endlich ein gemeinsames politisches Programm fest¬
legen." Wie man sieht, ist von einer großen Einigkeit und einem Zusammen¬
schluß noch wenig zu spüren. Den Hauptgrund der Uneinigkeit verriet ganz
klar die wenige Wochen später in Kiew abgehaltene Konferenz. Hier zeigte es
sich, daß die polnischen Nationaldemokraten mit dem polnischen Staatsrat in
Warschau nichts zu schaffen haben wollen und ihn nicht als polnische National-
regierung anerkennen. „Wir wünschen" — führte ein Redner in dieser Richtung
aus — „ein großes Polen mit Gat'izien, Posen und Danzig und für ein solches
Polen wollen wir kämpfen, ohne Rücksicht auf die Befehle Warschaus, da
Warschau sich jetzt nicht frei aussprechen kann." Freilich blieben in Kiew die
Nationaldemokraten in der Minderheit. Die Mehrheit beschloß eine Kund¬
gebung, in der fie ihre Übereinstimmung mit der Mehrheit des Volkes im
Königreich Polen ausdrückt. Aber schon der Moskaner Polenkongreß (Emi-
grantenkongreß) hat ein anderes Aussehen. Hier kam (nach den dagegen ge¬
richteten Ausführungen des polnischen Staatratsmitgliedes Rostworowski vom
3. September) eine durchaus russenfreundliche Stimmung zur Geltung. Über
hundert polnische Parteien und Organisationen sprachen sich gegen die Mittel¬
mächte aus und forderten ein Polen mit dem Ausgang zum Meere an der
Weichselmündung. Das veranlaßt Rostworowski gegen dieses Treiben der Emi¬
granten Stellung zu nehmen: „die Leitung der polnischen Politik müsse sich im
Heimatland befinden, wo volle Verantwortlichkeit herrscht. Leichtsinnige Emi-
grantenpolitik könne, wenn sie auch im guten Glauben gemacht werde, dem
Lande großen Schaden verursachen und den erzielten Erfolg vernichten." Mit
der Politik eines Teiles der Polen in Rußland hängt selbstverständlich auch
der Plan der Bildung einer polnischen Armee in Rußland zusammen, der je¬
doch von anderen Polen und Kerenski bekämpft wird. Sonst werden aber
offenbar die Bestrebungen der Polen in Rußland überaus gefördert, weil ja
Polen an und für sich verloren ist und man sich der Polen als Gegengewicht
gegen die gehaßten Ukrainer zu bedienen hofft.
Wie in Rußland arbeiten die Emigranten auch in anderen Ländern.
England hat sich früher um Polen gar nicht gekümmert; erst nachdem die
Zentralmächte mit der Erklärung vom 5. November an die Errichtung Polens
Darüber vgl. mein „Polen und die Polnisch-ruthenische Frage", 2. Aufl. (Leipzig,
Teubner).
Grenzboten IV «
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |