Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Ueber den Zusammenhang von innerer und äußerer Politik

die Freiheit des Individuums beschränkenden Zwangsgewalt überhaupt. Auch
der Amerikaner Burgeß faßt (in seinem neuen Buche: "l'be reconciliation ok
Government with libertv", 1915) unter der Bezeichnung "Zovsrnment"
Legislative und Exekutive zusammen. Bezeichnenderweise begegnet (in weiteren,
hier nicht wiedergegebenen Ausführungen Seeleys) die Gleichsetzung der Begriffe:
Zovernment und 8tale. Es ist die bekannte angelsächsische Auffassung vom
Staate als einer wesenlosen, obrigkeitlichen Anstalt. Von hier aus wird auch
der Gegenbegriff der "libertv" verständlich. Seeley versteht unter ihr die
Ungebundenheit des Jndividualwillens und zwar in jeder Beziehung (auf re¬
ligiösem, wirtschaftlichem und i. e. S. politischem Gebiete), das Unbelästigtsein
von staatlichen Eingriffen, also mehr die negative Seite, eine Freiheit vom
Staate, dessen "province" möglichst wenig hineinreichen soll in die des In¬
dividuums*).

Was sagt nun Seelen?


[Beginn Spaltensatz]

. . , Ikonen we cannot vet
Sav do oral ri^ut Government cru-
sne8 tre inäiviäual will, we nao
point out tre cau8e wiiieb brin^s
Mvei unent into existence, ana nao
al'Zue that aeeorciinZ to tre intensitv
>vier prier lui8 can8L acts will pro-
bablv be the indem8no os Zovern-
ment. Die Entstehung des Zovern-
ment erklärt S. darwinistisch: In tre
iorMnic) 8tale ... tre political prin-
ciple i8 awakeneci anni developeä do
tre 8truA^Je of tre 8oeietv widu it8
environment.

l'Ke eommnnitv is uncier a
pro8sure which call8 lor common
action, auel common action call8 lor
Government.

[Spaltenumbruch]

:.. Obwohl man nicht sagen kann,
auf Grund welches Rechtes die Staats¬
gewalt den Willen der einzelnen ver¬
nichtet, so können wir vielleicht die Ur¬
sache ausweisen, die zur Entstehung der
Staatsgewalt führt und vielleicht auch
begründen, daß die Stärke der Staats¬
gewalt derjenigen Stärke wahrscheinlich
entsprechen wird, in welcher die Ursache
wirksam ist.

In dem (organischen) Staate wird
das politische Prinzip erweckt und ent¬
wickelt durch den Kampf der Gesellschaft
mit ihrer Umgebung. Das Gemein¬
wesen befindet sich unter einem (äußeren)
Drucke, der gemeinsames Handeln er¬
fordert und gemeinsames Handeln er¬
fordert Staatsgewalt,

[Ende Spaltensatz]

Und nun folgen die uns besondersinteressierenden Sätze:


[Beginn Spaltensatz] [Spaltenumbruch]

Vernünftigerweise ist daher anzu¬
nehmen, daß der Grad staatlicher
Zwangsgewalt direkt proportional und
andererseits der Grad der Freiheit um¬
gekehrt proportional dem (äußeren)
Drucke sein wird. M. a. W.: Ein

[Ende Spaltensatz]

It i8 rea8onable tberekore to con-
jecture that tre cieZree o! Zovern-
ment will be clirectlv proportional,
auel that means that the äeZree ok
libertv will be inverselv proportional
to the cleZree of prs88ure. In other



*) Ich stimme hier ganz der Deutung zu, die Schotte in der "Hilfe" ("Freiheit und
Gefahr im VMerleSen") 1917, Ur. 2 gegeben hat.
Ueber den Zusammenhang von innerer und äußerer Politik

die Freiheit des Individuums beschränkenden Zwangsgewalt überhaupt. Auch
der Amerikaner Burgeß faßt (in seinem neuen Buche: „l'be reconciliation ok
Government with libertv", 1915) unter der Bezeichnung „Zovsrnment"
Legislative und Exekutive zusammen. Bezeichnenderweise begegnet (in weiteren,
hier nicht wiedergegebenen Ausführungen Seeleys) die Gleichsetzung der Begriffe:
Zovernment und 8tale. Es ist die bekannte angelsächsische Auffassung vom
Staate als einer wesenlosen, obrigkeitlichen Anstalt. Von hier aus wird auch
der Gegenbegriff der „libertv" verständlich. Seeley versteht unter ihr die
Ungebundenheit des Jndividualwillens und zwar in jeder Beziehung (auf re¬
ligiösem, wirtschaftlichem und i. e. S. politischem Gebiete), das Unbelästigtsein
von staatlichen Eingriffen, also mehr die negative Seite, eine Freiheit vom
Staate, dessen „province" möglichst wenig hineinreichen soll in die des In¬
dividuums*).

Was sagt nun Seelen?


[Beginn Spaltensatz]

. . , Ikonen we cannot vet
Sav do oral ri^ut Government cru-
sne8 tre inäiviäual will, we nao
point out tre cau8e wiiieb brin^s
Mvei unent into existence, ana nao
al'Zue that aeeorciinZ to tre intensitv
>vier prier lui8 can8L acts will pro-
bablv be the indem8no os Zovern-
ment. Die Entstehung des Zovern-
ment erklärt S. darwinistisch: In tre
iorMnic) 8tale ... tre political prin-
ciple i8 awakeneci anni developeä do
tre 8truA^Je of tre 8oeietv widu it8
environment.

l'Ke eommnnitv is uncier a
pro8sure which call8 lor common
action, auel common action call8 lor
Government.

[Spaltenumbruch]

:.. Obwohl man nicht sagen kann,
auf Grund welches Rechtes die Staats¬
gewalt den Willen der einzelnen ver¬
nichtet, so können wir vielleicht die Ur¬
sache ausweisen, die zur Entstehung der
Staatsgewalt führt und vielleicht auch
begründen, daß die Stärke der Staats¬
gewalt derjenigen Stärke wahrscheinlich
entsprechen wird, in welcher die Ursache
wirksam ist.

In dem (organischen) Staate wird
das politische Prinzip erweckt und ent¬
wickelt durch den Kampf der Gesellschaft
mit ihrer Umgebung. Das Gemein¬
wesen befindet sich unter einem (äußeren)
Drucke, der gemeinsames Handeln er¬
fordert und gemeinsames Handeln er¬
fordert Staatsgewalt,

[Ende Spaltensatz]

Und nun folgen die uns besondersinteressierenden Sätze:


[Beginn Spaltensatz] [Spaltenumbruch]

Vernünftigerweise ist daher anzu¬
nehmen, daß der Grad staatlicher
Zwangsgewalt direkt proportional und
andererseits der Grad der Freiheit um¬
gekehrt proportional dem (äußeren)
Drucke sein wird. M. a. W.: Ein

[Ende Spaltensatz]

It i8 rea8onable tberekore to con-
jecture that tre cieZree o! Zovern-
ment will be clirectlv proportional,
auel that means that the äeZree ok
libertv will be inverselv proportional
to the cleZree of prs88ure. In other



*) Ich stimme hier ganz der Deutung zu, die Schotte in der „Hilfe" („Freiheit und
Gefahr im VMerleSen") 1917, Ur. 2 gegeben hat.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0062" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332777"/>
          <fw type="header" place="top"> Ueber den Zusammenhang von innerer und äußerer Politik</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_211" prev="#ID_210"> die Freiheit des Individuums beschränkenden Zwangsgewalt überhaupt. Auch<lb/>
der Amerikaner Burgeß faßt (in seinem neuen Buche: &#x201E;l'be reconciliation ok<lb/>
Government with libertv", 1915) unter der Bezeichnung &#x201E;Zovsrnment"<lb/>
Legislative und Exekutive zusammen. Bezeichnenderweise begegnet (in weiteren,<lb/>
hier nicht wiedergegebenen Ausführungen Seeleys) die Gleichsetzung der Begriffe:<lb/>
Zovernment und 8tale. Es ist die bekannte angelsächsische Auffassung vom<lb/>
Staate als einer wesenlosen, obrigkeitlichen Anstalt. Von hier aus wird auch<lb/>
der Gegenbegriff der &#x201E;libertv" verständlich. Seeley versteht unter ihr die<lb/>
Ungebundenheit des Jndividualwillens und zwar in jeder Beziehung (auf re¬<lb/>
ligiösem, wirtschaftlichem und i. e. S. politischem Gebiete), das Unbelästigtsein<lb/>
von staatlichen Eingriffen, also mehr die negative Seite, eine Freiheit vom<lb/>
Staate, dessen &#x201E;province" möglichst wenig hineinreichen soll in die des In¬<lb/>
dividuums*).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_212"> Was sagt nun Seelen?</p><lb/>
          <cb type="start"/>
          <p xml:id="ID_213"> . . , Ikonen we cannot vet<lb/>
Sav do oral ri^ut Government cru-<lb/>
sne8 tre inäiviäual will, we nao<lb/>
point out tre cau8e wiiieb brin^s<lb/>
Mvei unent into existence, ana nao<lb/>
al'Zue that aeeorciinZ to tre intensitv<lb/>
&gt;vier prier lui8 can8L acts will pro-<lb/>
bablv be the indem8no os Zovern-<lb/>
ment. Die Entstehung des Zovern-<lb/>
ment erklärt S. darwinistisch: In tre<lb/>
iorMnic) 8tale ... tre political prin-<lb/>
ciple i8 awakeneci anni developeä do<lb/>
tre 8truA^Je of tre 8oeietv widu it8<lb/>
environment.</p>
          <p xml:id="ID_214"> l'Ke eommnnitv is uncier a<lb/>
pro8sure which call8 lor common<lb/>
action, auel common action call8 lor<lb/>
Government.</p>
          <cb/><lb/>
          <p xml:id="ID_215"> :.. Obwohl man nicht sagen kann,<lb/>
auf Grund welches Rechtes die Staats¬<lb/>
gewalt den Willen der einzelnen ver¬<lb/>
nichtet, so können wir vielleicht die Ur¬<lb/>
sache ausweisen, die zur Entstehung der<lb/>
Staatsgewalt führt und vielleicht auch<lb/>
begründen, daß die Stärke der Staats¬<lb/>
gewalt derjenigen Stärke wahrscheinlich<lb/>
entsprechen wird, in welcher die Ursache<lb/>
wirksam ist.</p>
          <p xml:id="ID_216"> In dem (organischen) Staate wird<lb/>
das politische Prinzip erweckt und ent¬<lb/>
wickelt durch den Kampf der Gesellschaft<lb/>
mit ihrer Umgebung. Das Gemein¬<lb/>
wesen befindet sich unter einem (äußeren)<lb/>
Drucke, der gemeinsames Handeln er¬<lb/>
fordert und gemeinsames Handeln er¬<lb/>
fordert Staatsgewalt,</p>
          <cb type="end"/><lb/>
          <quote/><lb/>
          <p xml:id="ID_217"> Und nun folgen die uns besondersinteressierenden Sätze:</p><lb/>
          <cb type="start"/>
          <cb/><lb/>
          <p xml:id="ID_218"> Vernünftigerweise ist daher anzu¬<lb/>
nehmen, daß der Grad staatlicher<lb/>
Zwangsgewalt direkt proportional und<lb/>
andererseits der Grad der Freiheit um¬<lb/>
gekehrt proportional dem (äußeren)<lb/>
Drucke sein wird.  M. a. W.: Ein</p>
          <cb type="end"/><lb/>
          <quote>
            <p xml:id="ID_219" next="#ID_220"> It i8 rea8onable tberekore to con-<lb/>
jecture that tre cieZree o! Zovern-<lb/>
ment will be clirectlv proportional,<lb/>
auel that means that the äeZree ok<lb/>
libertv will be inverselv proportional<lb/>
to the cleZree of prs88ure. In other</p>
          </quote><lb/>
          <note xml:id="FID_9" place="foot"> *) Ich stimme hier ganz der Deutung zu, die Schotte in der &#x201E;Hilfe" (&#x201E;Freiheit und<lb/>
Gefahr im VMerleSen") 1917, Ur. 2 gegeben hat.</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0062] Ueber den Zusammenhang von innerer und äußerer Politik die Freiheit des Individuums beschränkenden Zwangsgewalt überhaupt. Auch der Amerikaner Burgeß faßt (in seinem neuen Buche: „l'be reconciliation ok Government with libertv", 1915) unter der Bezeichnung „Zovsrnment" Legislative und Exekutive zusammen. Bezeichnenderweise begegnet (in weiteren, hier nicht wiedergegebenen Ausführungen Seeleys) die Gleichsetzung der Begriffe: Zovernment und 8tale. Es ist die bekannte angelsächsische Auffassung vom Staate als einer wesenlosen, obrigkeitlichen Anstalt. Von hier aus wird auch der Gegenbegriff der „libertv" verständlich. Seeley versteht unter ihr die Ungebundenheit des Jndividualwillens und zwar in jeder Beziehung (auf re¬ ligiösem, wirtschaftlichem und i. e. S. politischem Gebiete), das Unbelästigtsein von staatlichen Eingriffen, also mehr die negative Seite, eine Freiheit vom Staate, dessen „province" möglichst wenig hineinreichen soll in die des In¬ dividuums*). Was sagt nun Seelen? . . , Ikonen we cannot vet Sav do oral ri^ut Government cru- sne8 tre inäiviäual will, we nao point out tre cau8e wiiieb brin^s Mvei unent into existence, ana nao al'Zue that aeeorciinZ to tre intensitv >vier prier lui8 can8L acts will pro- bablv be the indem8no os Zovern- ment. Die Entstehung des Zovern- ment erklärt S. darwinistisch: In tre iorMnic) 8tale ... tre political prin- ciple i8 awakeneci anni developeä do tre 8truA^Je of tre 8oeietv widu it8 environment. l'Ke eommnnitv is uncier a pro8sure which call8 lor common action, auel common action call8 lor Government. :.. Obwohl man nicht sagen kann, auf Grund welches Rechtes die Staats¬ gewalt den Willen der einzelnen ver¬ nichtet, so können wir vielleicht die Ur¬ sache ausweisen, die zur Entstehung der Staatsgewalt führt und vielleicht auch begründen, daß die Stärke der Staats¬ gewalt derjenigen Stärke wahrscheinlich entsprechen wird, in welcher die Ursache wirksam ist. In dem (organischen) Staate wird das politische Prinzip erweckt und ent¬ wickelt durch den Kampf der Gesellschaft mit ihrer Umgebung. Das Gemein¬ wesen befindet sich unter einem (äußeren) Drucke, der gemeinsames Handeln er¬ fordert und gemeinsames Handeln er¬ fordert Staatsgewalt, Und nun folgen die uns besondersinteressierenden Sätze: Vernünftigerweise ist daher anzu¬ nehmen, daß der Grad staatlicher Zwangsgewalt direkt proportional und andererseits der Grad der Freiheit um¬ gekehrt proportional dem (äußeren) Drucke sein wird. M. a. W.: Ein It i8 rea8onable tberekore to con- jecture that tre cieZree o! Zovern- ment will be clirectlv proportional, auel that means that the äeZree ok libertv will be inverselv proportional to the cleZree of prs88ure. In other *) Ich stimme hier ganz der Deutung zu, die Schotte in der „Hilfe" („Freiheit und Gefahr im VMerleSen") 1917, Ur. 2 gegeben hat.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/62
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/62>, abgerufen am 06.10.2024.