Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.Uolonialverluste und Ariegsziclc Außerhalb Europas muß der Freund deutscher Interessen und deutscher Macht, Wir alle wünschen gewiß, daß diese Entscheidung zugunsten unserer Kolonien Das Ergebnis solcher und ähnlicher Betrachtungen, die sich freilich von einem Uolonialverluste und Ariegsziclc Außerhalb Europas muß der Freund deutscher Interessen und deutscher Macht, Wir alle wünschen gewiß, daß diese Entscheidung zugunsten unserer Kolonien Das Ergebnis solcher und ähnlicher Betrachtungen, die sich freilich von einem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0337" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333052"/> <fw type="header" place="top"> Uolonialverluste und Ariegsziclc</fw><lb/> <p xml:id="ID_1086"> Außerhalb Europas muß der Freund deutscher Interessen und deutscher Macht,<lb/> deutscher Weltwirtschaft und deutscher Weltpolitik ein wüstes, unabsehbar großes<lb/> Trümmerfeld durchschreiten. Es ist zwecklos, sich über diese traurige Tatsache durch<lb/> Illusionen hinwegtäuschen zu wollen. Sie besteht unzweifelhaft und hat sich im<lb/> dritten und vierten Kriegsjahre noch verschärft. Die Frage ist, ob sich dies außer¬<lb/> europäische Trümmerfeld wieder aufräumen läßt. Gewiß besteht die Möglichkeit,<lb/> daß sich ein beträchtlicher Teil dieser schmerzlichen Verluste an Ort und Stelle<lb/> wieder einbringen läßt. Insbesondere braucht die Hoffnung noch nicht aufgegeben<lb/> M werden, daß die bisherigen Fortschritte der Engländer auf türkischem Boden<lb/> bald aufhören und ihre Siege sich in Niederlagen verwandeln werden. Die er-<lb/> hebende Erinnerung an Kul-el-Amara ist noch nicht vergessen. Bei allen übrigen<lb/> außereuropäischen und besonders kolonialen Verlusten Deutschlands ist aber die<lb/> Hoffnung auf ihre Begleichung an Ort und Stelle ziemlich unbegründet. Es ist<lb/> vielmehr wahrscheinlich, daß die Entscheidung darüber nicht in Übersee erfolgt.<lb/> Auch mit Rücksicht darauf ist das schon angesichts der ersten Kolonialverluste aus-<lb/> gegebene Schlagwort, die Zukunft des deutschen Kolonialreiches werde auf den<lb/> europäischen Schlachtfeldern entschieden werden, gewiß berechtigt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1087"> Wir alle wünschen gewiß, daß diese Entscheidung zugunsten unserer Kolonien<lb/> ausfällt. Wenn man sich aber die Kolonialverluste in Verbindung mit all den<lb/> anderen außereuropäischen Verlusten vollinhaltlich vergegenwärtigt, so wird der<lb/> Zweifel daran kaun: zu bannen sein, ob ein restloser Ersatz dieser Verluste über¬<lb/> haupt möglich ist, selbst wenn man dabei nur, wie es oben geschehen ist, die<lb/> örtlich greifbaren oder auch nur die Kolonialverluste im engeren Sinne ins<lb/> Auge gefaßt werden. Selbst eine restlose Rückgabe der deutschen Kolonien im<lb/> Friedensschlüsse würde noch nicht eine Wiederherstellung des deutschen weltpolitischen<lb/> Einflusses in jenen anderen uns entfremdeten außereuropäischen Staaten bedeuten.<lb/> Ebensowenig würde die Rückgabe der deutschen Kolonien die Wiederherstellung<lb/> deuscher Seegeltung außerhalb Europas mit Sicherheit nach sich ziehen. Auch<lb/> wenn diese Kolonien, wie es gerade von namhaften deutschen Kolonialpolitikern<lb/> gewünscht wird, durch den Friedensschluß beträchtlich abgerundet und erweitert<lb/> würden und sich Deutschlands mittelafrikanisches Kolonialreich vom Atlantischen<lb/> zum Stillen Ozean verwirklichen ließe, so würde damit noch nicht alles gewonnen<lb/> sein. Denn ohne selbständige Seegeltung gäbe es auch keine selbständige deutsche<lb/> Kolonialherrschaft. Man würde, wie man es auszudrücken pflegt, bei England<lb/> Mr Miete wohnen müssen. Auch bliebe im Hinblick auf England und auch auf<lb/> die Vereinigten Staaten von Amerika, die nicht umsonst die Übertragung des Welt-<lb/> krieges nach Afrika von Anfang an freundlich geduldet haben, dieser wieder her-<lb/> gestellte deutsche Kolonialbesitz in seiner Festigkeit auf die Dauer stets aufs schwerste<lb/> gefährdet.</p><lb/> <p xml:id="ID_1088" next="#ID_1089"> Das Ergebnis solcher und ähnlicher Betrachtungen, die sich freilich von einem<lb/> in Deutschland weitverbreiteten phantasievollen Optimismus nicht beschwichtigen<lb/> lassen, wäre schließlich doch die niederdrückende Erkenntnis, daß die außereuro¬<lb/> päischen Verluste mit der Herausgabe der deutschen Kolonien, auch wenn man<lb/> sich nur an das äußerlich Sichtbare hält, nicht völlig wieder eingebracht werden<lb/> können. Bleiben die Bestimmungen des Friedensinstrumentes über die Herausgabe<lb/> der deutschen Kolonien isoliert, so verlieren sie damit sehr viel von ihrem Werte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0337]
Uolonialverluste und Ariegsziclc
Außerhalb Europas muß der Freund deutscher Interessen und deutscher Macht,
deutscher Weltwirtschaft und deutscher Weltpolitik ein wüstes, unabsehbar großes
Trümmerfeld durchschreiten. Es ist zwecklos, sich über diese traurige Tatsache durch
Illusionen hinwegtäuschen zu wollen. Sie besteht unzweifelhaft und hat sich im
dritten und vierten Kriegsjahre noch verschärft. Die Frage ist, ob sich dies außer¬
europäische Trümmerfeld wieder aufräumen läßt. Gewiß besteht die Möglichkeit,
daß sich ein beträchtlicher Teil dieser schmerzlichen Verluste an Ort und Stelle
wieder einbringen läßt. Insbesondere braucht die Hoffnung noch nicht aufgegeben
M werden, daß die bisherigen Fortschritte der Engländer auf türkischem Boden
bald aufhören und ihre Siege sich in Niederlagen verwandeln werden. Die er-
hebende Erinnerung an Kul-el-Amara ist noch nicht vergessen. Bei allen übrigen
außereuropäischen und besonders kolonialen Verlusten Deutschlands ist aber die
Hoffnung auf ihre Begleichung an Ort und Stelle ziemlich unbegründet. Es ist
vielmehr wahrscheinlich, daß die Entscheidung darüber nicht in Übersee erfolgt.
Auch mit Rücksicht darauf ist das schon angesichts der ersten Kolonialverluste aus-
gegebene Schlagwort, die Zukunft des deutschen Kolonialreiches werde auf den
europäischen Schlachtfeldern entschieden werden, gewiß berechtigt.
Wir alle wünschen gewiß, daß diese Entscheidung zugunsten unserer Kolonien
ausfällt. Wenn man sich aber die Kolonialverluste in Verbindung mit all den
anderen außereuropäischen Verlusten vollinhaltlich vergegenwärtigt, so wird der
Zweifel daran kaun: zu bannen sein, ob ein restloser Ersatz dieser Verluste über¬
haupt möglich ist, selbst wenn man dabei nur, wie es oben geschehen ist, die
örtlich greifbaren oder auch nur die Kolonialverluste im engeren Sinne ins
Auge gefaßt werden. Selbst eine restlose Rückgabe der deutschen Kolonien im
Friedensschlüsse würde noch nicht eine Wiederherstellung des deutschen weltpolitischen
Einflusses in jenen anderen uns entfremdeten außereuropäischen Staaten bedeuten.
Ebensowenig würde die Rückgabe der deutschen Kolonien die Wiederherstellung
deuscher Seegeltung außerhalb Europas mit Sicherheit nach sich ziehen. Auch
wenn diese Kolonien, wie es gerade von namhaften deutschen Kolonialpolitikern
gewünscht wird, durch den Friedensschluß beträchtlich abgerundet und erweitert
würden und sich Deutschlands mittelafrikanisches Kolonialreich vom Atlantischen
zum Stillen Ozean verwirklichen ließe, so würde damit noch nicht alles gewonnen
sein. Denn ohne selbständige Seegeltung gäbe es auch keine selbständige deutsche
Kolonialherrschaft. Man würde, wie man es auszudrücken pflegt, bei England
Mr Miete wohnen müssen. Auch bliebe im Hinblick auf England und auch auf
die Vereinigten Staaten von Amerika, die nicht umsonst die Übertragung des Welt-
krieges nach Afrika von Anfang an freundlich geduldet haben, dieser wieder her-
gestellte deutsche Kolonialbesitz in seiner Festigkeit auf die Dauer stets aufs schwerste
gefährdet.
Das Ergebnis solcher und ähnlicher Betrachtungen, die sich freilich von einem
in Deutschland weitverbreiteten phantasievollen Optimismus nicht beschwichtigen
lassen, wäre schließlich doch die niederdrückende Erkenntnis, daß die außereuro¬
päischen Verluste mit der Herausgabe der deutschen Kolonien, auch wenn man
sich nur an das äußerlich Sichtbare hält, nicht völlig wieder eingebracht werden
können. Bleiben die Bestimmungen des Friedensinstrumentes über die Herausgabe
der deutschen Kolonien isoliert, so verlieren sie damit sehr viel von ihrem Werte.
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