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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Georg Lleinow von

lWW> le letzten Aufsätze unseres Mitarbeiters, Herrn Dr. Friedrich Thinae.
I zur inneren Politik, insonderheit seine Darlegungen zum Würzburger
Parteitag der Sozialdemokratie und der Beitrag "Der neue Burg-
! friede" haben eine ungewöhnlich große Beachtung gefunden: Zu¬
stimmung und Ablehnung, -- viele und erregte Ablehnung. Aber
eine richtige Auseinandersetzung mit dem, was Thinae geschrieben, habe -ich nicht
erhalten. Einzelne Sätze werden beanstandet. Ein geschätzter Freund sieht in der
warmen Begrüßung der Regierung Hertling eine Vernachlässigung des protestan¬
tischen Empfindens, ein anderer will in der Bewertung von Scheidemanns kluger
Rede eine "Propaganda für die Sozialdemokratie" erkennen; ein dritter und vierter
ist erstaunt über den "Ausfall Thimmes gegen die Vaterlandspartei, nachdem ihr
noch vor kurzem durch den Herausgeber in so hohem Maße Gerechtigkeit wider¬
fahren" sei.

Die entsprechenden Zuschriften erhielt ich im Felde, in Flandern und bei
Cambrai, -- den letzten Packen stark verspätet am 1. d. Mes. auf der heiß um¬
strittenen Höhe 100 südlich Bourlon, die am Tage zuvor vom Bataillon meines zwei
Tage später gefallenen Mitarbeiters Arthur Westphal gemeinsam mit meiner Batterie
gestürmt worden war. In einer Gefechtspause waren sie mit der Feldküche heraus¬
gekommen. Westphal lag fünfzig Schritt, mein vorgeschobenes Geschütz nicht viel
weiter, die übrige Batterie zweihundert Schritt von den feindlichen Maschinen¬
gewehrnestern Sie spien Tod und Verderben. Jede Minute hatte ihren Toten!
An diesem Rahmen offenbarten sich, wie Dinge aus einer anderen Welt, die
politischen Streitigkeiten in der Heimat. So verzögerte sich mein Eingehen auf
die Zuschriften.

Nehme ich jetzt am Schreibtisch im behaglich durchwärmten Arbeitszimmer
Thimmes Ausführungen unter die Lupe der Kritik und setze sie ebenso wie die
Angriffe auf ihn in den großen Rahmen, den die Erfordernisse des Weltgeschehens
°n unsere innere Politik bilden, so finde ich, daß gegen meinen verehrten Mit¬
arbeiter ein Vorwurf erhoben werden kann, den die "Kreuzzeitung" sich zu eigen


Trenzbaten IV t917 28


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Georg Lleinow von

lWW> le letzten Aufsätze unseres Mitarbeiters, Herrn Dr. Friedrich Thinae.
I zur inneren Politik, insonderheit seine Darlegungen zum Würzburger
Parteitag der Sozialdemokratie und der Beitrag „Der neue Burg-
! friede" haben eine ungewöhnlich große Beachtung gefunden: Zu¬
stimmung und Ablehnung, — viele und erregte Ablehnung. Aber
eine richtige Auseinandersetzung mit dem, was Thinae geschrieben, habe -ich nicht
erhalten. Einzelne Sätze werden beanstandet. Ein geschätzter Freund sieht in der
warmen Begrüßung der Regierung Hertling eine Vernachlässigung des protestan¬
tischen Empfindens, ein anderer will in der Bewertung von Scheidemanns kluger
Rede eine „Propaganda für die Sozialdemokratie" erkennen; ein dritter und vierter
ist erstaunt über den „Ausfall Thimmes gegen die Vaterlandspartei, nachdem ihr
noch vor kurzem durch den Herausgeber in so hohem Maße Gerechtigkeit wider¬
fahren" sei.

Die entsprechenden Zuschriften erhielt ich im Felde, in Flandern und bei
Cambrai, — den letzten Packen stark verspätet am 1. d. Mes. auf der heiß um¬
strittenen Höhe 100 südlich Bourlon, die am Tage zuvor vom Bataillon meines zwei
Tage später gefallenen Mitarbeiters Arthur Westphal gemeinsam mit meiner Batterie
gestürmt worden war. In einer Gefechtspause waren sie mit der Feldküche heraus¬
gekommen. Westphal lag fünfzig Schritt, mein vorgeschobenes Geschütz nicht viel
weiter, die übrige Batterie zweihundert Schritt von den feindlichen Maschinen¬
gewehrnestern Sie spien Tod und Verderben. Jede Minute hatte ihren Toten!
An diesem Rahmen offenbarten sich, wie Dinge aus einer anderen Welt, die
politischen Streitigkeiten in der Heimat. So verzögerte sich mein Eingehen auf
die Zuschriften.

Nehme ich jetzt am Schreibtisch im behaglich durchwärmten Arbeitszimmer
Thimmes Ausführungen unter die Lupe der Kritik und setze sie ebenso wie die
Angriffe auf ihn in den großen Rahmen, den die Erfordernisse des Weltgeschehens
°n unsere innere Politik bilden, so finde ich, daß gegen meinen verehrten Mit¬
arbeiter ein Vorwurf erhoben werden kann, den die „Kreuzzeitung" sich zu eigen


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[0325] [Abbildung] k^0rde8 kortuna aäjuvat! Georg Lleinow von lWW> le letzten Aufsätze unseres Mitarbeiters, Herrn Dr. Friedrich Thinae. I zur inneren Politik, insonderheit seine Darlegungen zum Würzburger Parteitag der Sozialdemokratie und der Beitrag „Der neue Burg- ! friede" haben eine ungewöhnlich große Beachtung gefunden: Zu¬ stimmung und Ablehnung, — viele und erregte Ablehnung. Aber eine richtige Auseinandersetzung mit dem, was Thinae geschrieben, habe -ich nicht erhalten. Einzelne Sätze werden beanstandet. Ein geschätzter Freund sieht in der warmen Begrüßung der Regierung Hertling eine Vernachlässigung des protestan¬ tischen Empfindens, ein anderer will in der Bewertung von Scheidemanns kluger Rede eine „Propaganda für die Sozialdemokratie" erkennen; ein dritter und vierter ist erstaunt über den „Ausfall Thimmes gegen die Vaterlandspartei, nachdem ihr noch vor kurzem durch den Herausgeber in so hohem Maße Gerechtigkeit wider¬ fahren" sei. Die entsprechenden Zuschriften erhielt ich im Felde, in Flandern und bei Cambrai, — den letzten Packen stark verspätet am 1. d. Mes. auf der heiß um¬ strittenen Höhe 100 südlich Bourlon, die am Tage zuvor vom Bataillon meines zwei Tage später gefallenen Mitarbeiters Arthur Westphal gemeinsam mit meiner Batterie gestürmt worden war. In einer Gefechtspause waren sie mit der Feldküche heraus¬ gekommen. Westphal lag fünfzig Schritt, mein vorgeschobenes Geschütz nicht viel weiter, die übrige Batterie zweihundert Schritt von den feindlichen Maschinen¬ gewehrnestern Sie spien Tod und Verderben. Jede Minute hatte ihren Toten! An diesem Rahmen offenbarten sich, wie Dinge aus einer anderen Welt, die politischen Streitigkeiten in der Heimat. So verzögerte sich mein Eingehen auf die Zuschriften. Nehme ich jetzt am Schreibtisch im behaglich durchwärmten Arbeitszimmer Thimmes Ausführungen unter die Lupe der Kritik und setze sie ebenso wie die Angriffe auf ihn in den großen Rahmen, den die Erfordernisse des Weltgeschehens °n unsere innere Politik bilden, so finde ich, daß gegen meinen verehrten Mit¬ arbeiter ein Vorwurf erhoben werden kann, den die „Kreuzzeitung" sich zu eigen Trenzbaten IV t917 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/325>, abgerufen am 09.11.2024.