Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.Vesterreich und Polen Nun könnte man freilich meinen, die Gefahr des künftigen Polenstaates Und schließlich würden die Polen, wenn sie auch auf eine eigene auswärtige Es soll dabei ganz abgesehen werden von der Ungeheuerlichkeit der öster¬ Die Verbindung Polens mit Osterreich wäre ein Ergebnis, wie es Deutsch¬ Vesterreich und Polen Nun könnte man freilich meinen, die Gefahr des künftigen Polenstaates Und schließlich würden die Polen, wenn sie auch auf eine eigene auswärtige Es soll dabei ganz abgesehen werden von der Ungeheuerlichkeit der öster¬ Die Verbindung Polens mit Osterreich wäre ein Ergebnis, wie es Deutsch¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0250" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332965"/> <fw type="header" place="top"> Vesterreich und Polen</fw><lb/> <p xml:id="ID_818"> Nun könnte man freilich meinen, die Gefahr des künftigen Polenstaates<lb/> werde für Deutschland dadurch vermindert, daß die Leitung der polnischen Ge¬<lb/> schicke dem verbündeten österreichischen Staate anvertraut werde. Es ist freilich<lb/> nicht zu befürchten, daß künftig das deutsch ° österreichische Bündnis sich lösen werde.<lb/> Aber schließlich sind auch Bündnisse nicht ewig, sondern dauern nur so lange, als<lb/> die verbündeten Staaten durch wechselseitige Interessen verbunden werden. Die<lb/> Wahrung der eigenen Interessen nimmt aber jeder Staat am besten selbst in die<lb/> Hand und überläßt sie nicht einmal dem engsten Verbündeten. Und überdies ist<lb/> Österreich keine absolute Monarchie mehr, und seine Regierung kann nicht einmal<lb/> immer, was sie möchte. Deutschland und Preußen müßten ihre Polenpolitik mit<lb/> Rücksicht auf die inneren Bedürfnisse der verbündeten österreichischen Monarchie<lb/> einrichten, und die Gegenleistungen könnte man abwarten.</p><lb/> <p xml:id="ID_819"> Und schließlich würden die Polen, wenn sie auch auf eine eigene auswärtige<lb/> Politik verzichten müßten, doch ihren Einfluß auf diejenige der österreichischen<lb/> Monarchie ausüben. Dieser Einfluß bedeutet geradezu einen Keil in das deutsch¬<lb/> österreichische Bündnis, zumal wenn man bedenkt, daß nicht die Polen allein in<lb/> dieser Richtung tütig sein, sondern bei Tschechen und Südslawen Unterstützung<lb/> finden würden. Osterreich würde seinem natürlichen Bundesgenossen entfremdet<lb/> und in Gegensatz zum Deutschen Reiche und zur künftigen Ukraina gedrängt.<lb/> Dann könnten wir erst sagen: „Feinde ringsum", und die Einkreisung wäre fertig.</p><lb/> <p xml:id="ID_820"> Es soll dabei ganz abgesehen werden von der Ungeheuerlichkeit der öster¬<lb/> reichischen Staatsbildung, die in dem Zusammenraffen der verschiedensten Gebiete<lb/> und Völker an das Reich Karls des Fünften erinnern würde. Wie ein solches<lb/> Reich mit gemeinsamen Einrichtungen auf dem Boden des Konstitutionalismus<lb/> umspannt werden sollte, darüber brauchen wir uns den Kopf der Österreicher<lb/> nicht zu zerbrechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_821"> Die Verbindung Polens mit Osterreich wäre ein Ergebnis, wie es Deutsch¬<lb/> land nach der schwersten SAederlage nicht auf sich nehmen könnte. Es kann<lb/> nimmermehr des Sieges Preis sein.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0250]
Vesterreich und Polen
Nun könnte man freilich meinen, die Gefahr des künftigen Polenstaates
werde für Deutschland dadurch vermindert, daß die Leitung der polnischen Ge¬
schicke dem verbündeten österreichischen Staate anvertraut werde. Es ist freilich
nicht zu befürchten, daß künftig das deutsch ° österreichische Bündnis sich lösen werde.
Aber schließlich sind auch Bündnisse nicht ewig, sondern dauern nur so lange, als
die verbündeten Staaten durch wechselseitige Interessen verbunden werden. Die
Wahrung der eigenen Interessen nimmt aber jeder Staat am besten selbst in die
Hand und überläßt sie nicht einmal dem engsten Verbündeten. Und überdies ist
Österreich keine absolute Monarchie mehr, und seine Regierung kann nicht einmal
immer, was sie möchte. Deutschland und Preußen müßten ihre Polenpolitik mit
Rücksicht auf die inneren Bedürfnisse der verbündeten österreichischen Monarchie
einrichten, und die Gegenleistungen könnte man abwarten.
Und schließlich würden die Polen, wenn sie auch auf eine eigene auswärtige
Politik verzichten müßten, doch ihren Einfluß auf diejenige der österreichischen
Monarchie ausüben. Dieser Einfluß bedeutet geradezu einen Keil in das deutsch¬
österreichische Bündnis, zumal wenn man bedenkt, daß nicht die Polen allein in
dieser Richtung tütig sein, sondern bei Tschechen und Südslawen Unterstützung
finden würden. Osterreich würde seinem natürlichen Bundesgenossen entfremdet
und in Gegensatz zum Deutschen Reiche und zur künftigen Ukraina gedrängt.
Dann könnten wir erst sagen: „Feinde ringsum", und die Einkreisung wäre fertig.
Es soll dabei ganz abgesehen werden von der Ungeheuerlichkeit der öster¬
reichischen Staatsbildung, die in dem Zusammenraffen der verschiedensten Gebiete
und Völker an das Reich Karls des Fünften erinnern würde. Wie ein solches
Reich mit gemeinsamen Einrichtungen auf dem Boden des Konstitutionalismus
umspannt werden sollte, darüber brauchen wir uns den Kopf der Österreicher
nicht zu zerbrechen.
Die Verbindung Polens mit Osterreich wäre ein Ergebnis, wie es Deutsch¬
land nach der schwersten SAederlage nicht auf sich nehmen könnte. Es kann
nimmermehr des Sieges Preis sein.
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