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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Die Donau- und Meerengenfrage

Die Donau- und die Meerengenfrage
Professor Dr. Lonrad Bornhak von

er Weltkrieg, der die Mittelmächte von den großen Straßen des
Weltverkehrs abschloß, eröffnete ihnen nach Niederwerfung der feind¬
lichen Balkanstaaten wenigstens noch einen Ausweg, den nach Süd¬
osten. Der zweitgrößte Strom Europas, die Donau, verbindet hier
Süddeutschland, die verbündete Donaumonarchie und den Balkan
als eine der bedeutendsten natürlichen Verkehrsstraßen. Doch sie führt nur in ein
Sackmeer, das durch die beiden Meerengen des Bosporus und der Dardanellen
mit dem Mittelmeere in Verbindung steht. Schon diese geographische Gestaltung
zeigt den engen Zusammenhang zwischen Donau- und Meerengenfrage.

Man könnte das Problem vielleicht noch eine Stufe weiterführen. Denn die
Meerengen führen wieder in ein größeres Sackmeer, das Mittelmeer, zu dessen
beiden Zugängen, Straße von Gibraltar und Suezkanal, vorläufig England allein
den Schlüssel besitzt. Doch kann davon zunächst einmal abgesehen werden. Denn
Donau und Meerengen eröffnen jedenfalls den Zugang nicht nur in das Schwarze
Meer, sondern auch in das östliche Mittelmeerbecken und nach ganz Vorderasien
und den alten Landweg nach Indien, den allerdings wiederum England vor¬
läufig durch die Besetzung von Mesopotamien mit Bagdad versperrt.

Schon bisher waren Donau und Meerengen Gegenstand umfassender, völker¬
rechtlicher Verträge, die der Krieg zerrissen hat. Der künftige Friedensschluß muß
hier jedenfalls etwas Neues schaffen, und schon jetzt bedarf es nach dieser Richtung
der Vorbereitung. Während man aber bisher untere Donau und Meerengen
immer gesondert behandelt hatte, ist es ein besonderes Verdienst neuerer Unter¬
suchungen*), auf den untrennbaren Zusammenhang beider Fragen und das be-
sondere Interesse, das die kriegführenden Mittelmächte hierbei verbindet, hin¬
gewiesen zu haben.

Der bisher geltende Rechtszustand und die Bedürfnisse der Zukunft erscheinen
jedoch nicht verständlich ohne die geschichtliche Entwicklung, die beide Fragen seit
dem Vordringen Rußlands zum Schwarzen Meere und zur Donau namentlich im
neunzehnten Jahrhundert gewonnen haben.

Solange die Türkei nicht nur die Meerengen, sondern auch alle Küsten des
Schwarzen Meeres beherrschte, galt dieses als türkisches Binnengewässer. Nur die
Kauffahrer Venedigs und Genuas, später Englands und Hollands, erhielten auf
Grund besonderer Verträge die Befugnis, dort Handel zu treiben. Aber die
Schließung des Schwarzen Meeres für den allgemeinen Verkehr der Völker wurde
eine Grundregel des osmanischen Staates. Die Regelung des Verkehrs auf ihm
Kar nicht Gegenstand völkerrechtlicher Verträge, sondern eine innerstaatliche Ma߬
regel. Von einem größeren Schiffahrtsverkehre auf der unteren Donau die auch
völkerrechtlich auf beiden Ufern der Türkei gehörte, konnte nicht die Rede sein.
Denn die Donaumündungen waren versandet.



*) Vgl. Wilhelm Knorr "Die Donau und die Meerengenfrage" (Deutsche Orientbücherei,
Herausgeber Ernst Jacks), Bd. 24. Weimar 1917. Verlag Gustav Kiepenheuer. 191 S.
Mit Karte. Preis 3,60 M.
Die Donau- und Meerengenfrage

Die Donau- und die Meerengenfrage
Professor Dr. Lonrad Bornhak von

er Weltkrieg, der die Mittelmächte von den großen Straßen des
Weltverkehrs abschloß, eröffnete ihnen nach Niederwerfung der feind¬
lichen Balkanstaaten wenigstens noch einen Ausweg, den nach Süd¬
osten. Der zweitgrößte Strom Europas, die Donau, verbindet hier
Süddeutschland, die verbündete Donaumonarchie und den Balkan
als eine der bedeutendsten natürlichen Verkehrsstraßen. Doch sie führt nur in ein
Sackmeer, das durch die beiden Meerengen des Bosporus und der Dardanellen
mit dem Mittelmeere in Verbindung steht. Schon diese geographische Gestaltung
zeigt den engen Zusammenhang zwischen Donau- und Meerengenfrage.

Man könnte das Problem vielleicht noch eine Stufe weiterführen. Denn die
Meerengen führen wieder in ein größeres Sackmeer, das Mittelmeer, zu dessen
beiden Zugängen, Straße von Gibraltar und Suezkanal, vorläufig England allein
den Schlüssel besitzt. Doch kann davon zunächst einmal abgesehen werden. Denn
Donau und Meerengen eröffnen jedenfalls den Zugang nicht nur in das Schwarze
Meer, sondern auch in das östliche Mittelmeerbecken und nach ganz Vorderasien
und den alten Landweg nach Indien, den allerdings wiederum England vor¬
läufig durch die Besetzung von Mesopotamien mit Bagdad versperrt.

Schon bisher waren Donau und Meerengen Gegenstand umfassender, völker¬
rechtlicher Verträge, die der Krieg zerrissen hat. Der künftige Friedensschluß muß
hier jedenfalls etwas Neues schaffen, und schon jetzt bedarf es nach dieser Richtung
der Vorbereitung. Während man aber bisher untere Donau und Meerengen
immer gesondert behandelt hatte, ist es ein besonderes Verdienst neuerer Unter¬
suchungen*), auf den untrennbaren Zusammenhang beider Fragen und das be-
sondere Interesse, das die kriegführenden Mittelmächte hierbei verbindet, hin¬
gewiesen zu haben.

Der bisher geltende Rechtszustand und die Bedürfnisse der Zukunft erscheinen
jedoch nicht verständlich ohne die geschichtliche Entwicklung, die beide Fragen seit
dem Vordringen Rußlands zum Schwarzen Meere und zur Donau namentlich im
neunzehnten Jahrhundert gewonnen haben.

Solange die Türkei nicht nur die Meerengen, sondern auch alle Küsten des
Schwarzen Meeres beherrschte, galt dieses als türkisches Binnengewässer. Nur die
Kauffahrer Venedigs und Genuas, später Englands und Hollands, erhielten auf
Grund besonderer Verträge die Befugnis, dort Handel zu treiben. Aber die
Schließung des Schwarzen Meeres für den allgemeinen Verkehr der Völker wurde
eine Grundregel des osmanischen Staates. Die Regelung des Verkehrs auf ihm
Kar nicht Gegenstand völkerrechtlicher Verträge, sondern eine innerstaatliche Ma߬
regel. Von einem größeren Schiffahrtsverkehre auf der unteren Donau die auch
völkerrechtlich auf beiden Ufern der Türkei gehörte, konnte nicht die Rede sein.
Denn die Donaumündungen waren versandet.



*) Vgl. Wilhelm Knorr „Die Donau und die Meerengenfrage" (Deutsche Orientbücherei,
Herausgeber Ernst Jacks), Bd. 24. Weimar 1917. Verlag Gustav Kiepenheuer. 191 S.
Mit Karte. Preis 3,60 M.
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[0177] Die Donau- und Meerengenfrage Die Donau- und die Meerengenfrage Professor Dr. Lonrad Bornhak von er Weltkrieg, der die Mittelmächte von den großen Straßen des Weltverkehrs abschloß, eröffnete ihnen nach Niederwerfung der feind¬ lichen Balkanstaaten wenigstens noch einen Ausweg, den nach Süd¬ osten. Der zweitgrößte Strom Europas, die Donau, verbindet hier Süddeutschland, die verbündete Donaumonarchie und den Balkan als eine der bedeutendsten natürlichen Verkehrsstraßen. Doch sie führt nur in ein Sackmeer, das durch die beiden Meerengen des Bosporus und der Dardanellen mit dem Mittelmeere in Verbindung steht. Schon diese geographische Gestaltung zeigt den engen Zusammenhang zwischen Donau- und Meerengenfrage. Man könnte das Problem vielleicht noch eine Stufe weiterführen. Denn die Meerengen führen wieder in ein größeres Sackmeer, das Mittelmeer, zu dessen beiden Zugängen, Straße von Gibraltar und Suezkanal, vorläufig England allein den Schlüssel besitzt. Doch kann davon zunächst einmal abgesehen werden. Denn Donau und Meerengen eröffnen jedenfalls den Zugang nicht nur in das Schwarze Meer, sondern auch in das östliche Mittelmeerbecken und nach ganz Vorderasien und den alten Landweg nach Indien, den allerdings wiederum England vor¬ läufig durch die Besetzung von Mesopotamien mit Bagdad versperrt. Schon bisher waren Donau und Meerengen Gegenstand umfassender, völker¬ rechtlicher Verträge, die der Krieg zerrissen hat. Der künftige Friedensschluß muß hier jedenfalls etwas Neues schaffen, und schon jetzt bedarf es nach dieser Richtung der Vorbereitung. Während man aber bisher untere Donau und Meerengen immer gesondert behandelt hatte, ist es ein besonderes Verdienst neuerer Unter¬ suchungen*), auf den untrennbaren Zusammenhang beider Fragen und das be- sondere Interesse, das die kriegführenden Mittelmächte hierbei verbindet, hin¬ gewiesen zu haben. Der bisher geltende Rechtszustand und die Bedürfnisse der Zukunft erscheinen jedoch nicht verständlich ohne die geschichtliche Entwicklung, die beide Fragen seit dem Vordringen Rußlands zum Schwarzen Meere und zur Donau namentlich im neunzehnten Jahrhundert gewonnen haben. Solange die Türkei nicht nur die Meerengen, sondern auch alle Küsten des Schwarzen Meeres beherrschte, galt dieses als türkisches Binnengewässer. Nur die Kauffahrer Venedigs und Genuas, später Englands und Hollands, erhielten auf Grund besonderer Verträge die Befugnis, dort Handel zu treiben. Aber die Schließung des Schwarzen Meeres für den allgemeinen Verkehr der Völker wurde eine Grundregel des osmanischen Staates. Die Regelung des Verkehrs auf ihm Kar nicht Gegenstand völkerrechtlicher Verträge, sondern eine innerstaatliche Ma߬ regel. Von einem größeren Schiffahrtsverkehre auf der unteren Donau die auch völkerrechtlich auf beiden Ufern der Türkei gehörte, konnte nicht die Rede sein. Denn die Donaumündungen waren versandet. *) Vgl. Wilhelm Knorr „Die Donau und die Meerengenfrage" (Deutsche Orientbücherei, Herausgeber Ernst Jacks), Bd. 24. Weimar 1917. Verlag Gustav Kiepenheuer. 191 S. Mit Karte. Preis 3,60 M.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/177>, abgerufen am 27.07.2024.