Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.Amerikanische und englische Weltmachtfragen Ein Vergleich der Stoß- und Kraftlinien der beiden angelsächsischen Schwestern¬ Der erste, dem Festland Ostasiens nahe gelegene, muß von England, der Die südwärts gerichteten, mit japanischer Zähigkeit und Rücksichtslosigkeit er¬ *) In diesem Zusammenhang erscheint die Frage der Erwähnung wert, ob nicht unser
Verzicht auf die wirtschaftlich keineswegs für uns notwendigen Karolinen und Marianen zu¬ gunsten Japans, mit dein uns eine tiefere Feindschaft nicht verbindet, im Hinblick auf unsere ostasiatische Zukunft von Borten wäre. Amerikanische und englische Weltmachtfragen Ein Vergleich der Stoß- und Kraftlinien der beiden angelsächsischen Schwestern¬ Der erste, dem Festland Ostasiens nahe gelegene, muß von England, der Die südwärts gerichteten, mit japanischer Zähigkeit und Rücksichtslosigkeit er¬ *) In diesem Zusammenhang erscheint die Frage der Erwähnung wert, ob nicht unser
Verzicht auf die wirtschaftlich keineswegs für uns notwendigen Karolinen und Marianen zu¬ gunsten Japans, mit dein uns eine tiefere Feindschaft nicht verbindet, im Hinblick auf unsere ostasiatische Zukunft von Borten wäre. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0164" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332879"/> <fw type="header" place="top"> Amerikanische und englische Weltmachtfragen</fw><lb/> <p xml:id="ID_534"> Ein Vergleich der Stoß- und Kraftlinien der beiden angelsächsischen Schwestern¬<lb/> mächte zeigt, daß sie sich an dem Hauptzentrum der Hawaiinseln schneiden und<lb/> gemeinsam in Gebiete eingreifen, die beide als politisches und wirtschaftliches Neu¬<lb/> land betrachten. Auf die Machtkräfte beider aber stoßen die japanischen: auf<lb/> die englischen vor allem an der Küste Ostasiens, wo diese von Hinterindien und<lb/> Malakka zu Land und zu Wasser nach Norden drängen, und in der asiatisch¬<lb/> australischen Inselwelt, auf die amerikanischen in gleicher Richtung und besonders<lb/> in der Richtung auf Hawai und das amerikanische Festland. Wo alle drei Kräfte¬<lb/> linien sich kreuzen, im Gebiet der Philippinen und Sundainseln einerseits, in der<lb/> Hawaiigruppe andererseits liegen die Brennpunkte der politischen Machtfragen im<lb/> Bereiche des Großen Ozeans.</p><lb/> <p xml:id="ID_535"> Der erste, dem Festland Ostasiens nahe gelegene, muß von England, der<lb/> zweite, insulare, von der Union als der für ihre pazifischen Wünsche wichtigste<lb/> angesehen werden. Japans Begehren nach beiden Brennpunkten bindet die beiden<lb/> angelsächsischen Mächte zu gemeinsamem Handeln. In England gab man sich ja<lb/> schon vor dem Kriege längst keiner Täuschung mehr hin, daß die ostasiatische<lb/> Jnselmacht sich die Vormacht Ostasiens zu sichern bestrebt ist. Die Bindung und<lb/> Verwicklung Englands durch westlichere Machtfragen und innerpolitische Probleme<lb/> hat das äußerlich vertraglich freundschaftliche Verhältnis in Wirklichkeit während<lb/> des Krieges erheblich verschärft. Die japanischen Ausdehnungsgelüste nach Indien,<lb/> nach den Philippinen und Sundainseln, nach den besetzten deutschen Kolonien, ja<lb/> selbst nach Neuguinea und Australien, sind seitdem offener denn je zutage ge¬<lb/> treten, wenn auch die näheren Vorgänge in dieser ostasiatischen Gefahrenzone des<lb/> britischen Weltreiches für uns in Dunkel gehüllt sind, seit der Krieg die Ver¬<lb/> bindungen unterbrochen oder sie doch einseitig unter englische Beaufsichtigung gestellt<lb/> hat. Die Entwicklung der ostasiatischen Frage während des Krieges in einer für<lb/> Japan durchaus günstigen und von ihm erwarteten Richtung läßt den Schluß zu,<lb/> daß der Gegensatz zwischen den beiden Jnselreichen sich nur noch verschärfen wird,<lb/> zumal die Entscheidung über den endgültigen Besitz der von Japan besetzten<lb/> deutschen Marianen und Karolinen England vor eine neue schwierige Aufgabe<lb/> stellen würde; verbleiben sie Japan, so bilden sie weit südwärts vorgeschobene<lb/> Posten, deren Verbindung mit dem Mutterland über die bereits 1911 in einen<lb/> trefflichen Stützpunkt der japanischen Kriegsflotte umgewandelten Bonininseln er¬<lb/> reicht ist. Japan schiebt sich dann nicht nur mit starken Wachtposten zwischen<lb/> Philippinen und die Hawaiinseln, damit einen neuen Streitfall mit der Union be¬<lb/> ginnend, sondern es gibt seinen heißen Wünschen nach Neuguinea, Australien und<lb/> Neuseeland die festen strategischen Stützen*).</p><lb/> <p xml:id="ID_536" next="#ID_537"> Die südwärts gerichteten, mit japanischer Zähigkeit und Rücksichtslosigkeit er¬<lb/> strebten Wünsche finden gleichzeitig in den Vereinigten Staaten einen zweiten<lb/> Widerstand; ein Grund wurde bereits eben angedeutet. Aber es ist kennzeichnend,<lb/> daß die Union viel weniger scharf ihren Einspruch gegen die japanische Begehe<lb/> lichkeit geltend macht als England. In Amerika sind die Stimmen über den Wert</p><lb/> <note xml:id="FID_33" place="foot"> *) In diesem Zusammenhang erscheint die Frage der Erwähnung wert, ob nicht unser<lb/> Verzicht auf die wirtschaftlich keineswegs für uns notwendigen Karolinen und Marianen zu¬<lb/> gunsten Japans, mit dein uns eine tiefere Feindschaft nicht verbindet, im Hinblick auf unsere<lb/> ostasiatische Zukunft von Borten wäre.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0164]
Amerikanische und englische Weltmachtfragen
Ein Vergleich der Stoß- und Kraftlinien der beiden angelsächsischen Schwestern¬
mächte zeigt, daß sie sich an dem Hauptzentrum der Hawaiinseln schneiden und
gemeinsam in Gebiete eingreifen, die beide als politisches und wirtschaftliches Neu¬
land betrachten. Auf die Machtkräfte beider aber stoßen die japanischen: auf
die englischen vor allem an der Küste Ostasiens, wo diese von Hinterindien und
Malakka zu Land und zu Wasser nach Norden drängen, und in der asiatisch¬
australischen Inselwelt, auf die amerikanischen in gleicher Richtung und besonders
in der Richtung auf Hawai und das amerikanische Festland. Wo alle drei Kräfte¬
linien sich kreuzen, im Gebiet der Philippinen und Sundainseln einerseits, in der
Hawaiigruppe andererseits liegen die Brennpunkte der politischen Machtfragen im
Bereiche des Großen Ozeans.
Der erste, dem Festland Ostasiens nahe gelegene, muß von England, der
zweite, insulare, von der Union als der für ihre pazifischen Wünsche wichtigste
angesehen werden. Japans Begehren nach beiden Brennpunkten bindet die beiden
angelsächsischen Mächte zu gemeinsamem Handeln. In England gab man sich ja
schon vor dem Kriege längst keiner Täuschung mehr hin, daß die ostasiatische
Jnselmacht sich die Vormacht Ostasiens zu sichern bestrebt ist. Die Bindung und
Verwicklung Englands durch westlichere Machtfragen und innerpolitische Probleme
hat das äußerlich vertraglich freundschaftliche Verhältnis in Wirklichkeit während
des Krieges erheblich verschärft. Die japanischen Ausdehnungsgelüste nach Indien,
nach den Philippinen und Sundainseln, nach den besetzten deutschen Kolonien, ja
selbst nach Neuguinea und Australien, sind seitdem offener denn je zutage ge¬
treten, wenn auch die näheren Vorgänge in dieser ostasiatischen Gefahrenzone des
britischen Weltreiches für uns in Dunkel gehüllt sind, seit der Krieg die Ver¬
bindungen unterbrochen oder sie doch einseitig unter englische Beaufsichtigung gestellt
hat. Die Entwicklung der ostasiatischen Frage während des Krieges in einer für
Japan durchaus günstigen und von ihm erwarteten Richtung läßt den Schluß zu,
daß der Gegensatz zwischen den beiden Jnselreichen sich nur noch verschärfen wird,
zumal die Entscheidung über den endgültigen Besitz der von Japan besetzten
deutschen Marianen und Karolinen England vor eine neue schwierige Aufgabe
stellen würde; verbleiben sie Japan, so bilden sie weit südwärts vorgeschobene
Posten, deren Verbindung mit dem Mutterland über die bereits 1911 in einen
trefflichen Stützpunkt der japanischen Kriegsflotte umgewandelten Bonininseln er¬
reicht ist. Japan schiebt sich dann nicht nur mit starken Wachtposten zwischen
Philippinen und die Hawaiinseln, damit einen neuen Streitfall mit der Union be¬
ginnend, sondern es gibt seinen heißen Wünschen nach Neuguinea, Australien und
Neuseeland die festen strategischen Stützen*).
Die südwärts gerichteten, mit japanischer Zähigkeit und Rücksichtslosigkeit er¬
strebten Wünsche finden gleichzeitig in den Vereinigten Staaten einen zweiten
Widerstand; ein Grund wurde bereits eben angedeutet. Aber es ist kennzeichnend,
daß die Union viel weniger scharf ihren Einspruch gegen die japanische Begehe
lichkeit geltend macht als England. In Amerika sind die Stimmen über den Wert
*) In diesem Zusammenhang erscheint die Frage der Erwähnung wert, ob nicht unser
Verzicht auf die wirtschaftlich keineswegs für uns notwendigen Karolinen und Marianen zu¬
gunsten Japans, mit dein uns eine tiefere Feindschaft nicht verbindet, im Hinblick auf unsere
ostasiatische Zukunft von Borten wäre.
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