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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Martl" Luther, der deutsche Reformator

würdiger Heroismus nicht nur des Leidens, sondern auch des Handelns der re¬
ligiösen Bewegung entstammt, die von Genf, der Stadt Calvins, ausging.
Luther hat die Größe seines Charakters seinem Werke nicht mitzuteilen ver¬
mocht. Aber Luther wirkt fort. Das Gebilde des altlutherischen Landeskirchen-
tums. das er und das auf ihn folgende Theologengeschlecht schufen, ist ver-
gangen. Der Freiheitsgedanke, den er der Welt schenkte, den er aber auf das
Gebiet des Allerinnerlichsten und Persönlichsten beschränken zu müssen glaubte,
hat seine Fesseln zersprengt. Die unbefangene Weltoffenheit, der Luther im
Laufe seines Lebens je länger je mehr sich zuwandte, die aber durch seine
düstere Erbsündenlehre und Stimmung gebunden blieb, ist in unserem Geist
zum Durchbruch gekommen. Wir haben gelernt, Ernst mit dem schon von ihm
ausgesprochenen Gedanken zu machen, daß nicht nur die Glaubens- und Liebes¬
sphäre, sondern auch die Macht- und Rechtssphäre, nicht nur Religion, sondern
auch Wirtschaftsleben. Kunst und Wissenschaft Gottes sind. Kant. Goethe und
Bismarck sind Luthers Söhne und Erben gewesen und haben gewußt, daß sie
es waren. Noch jetzt ringen wir mit den schweren Problemen, die in den
Worten Religion und Kultur beschlossen liegen, und die das Verhältnis dieser
beiden für die Menschheit wichtigsten Großmächte betreffen. Aber der kühne
und große Ansatz, den Luther machte, ist nicht umsonst gewesen, wir gehen auf
seinem Wege weiter, sein Geist soll uns in die dunkelverhängte Zukunft leiten.
Gerade die gegenwärtige chaotische Zeit läßt uns seine Größe voll würdigen.
Wir brauchen Heldenverehrung. Seine ragende Persönlichkeit ist einer unserer
Schutzgeister im Weltkriege. Wir sehen sein dunkles Auge blitzen. Ein feste
Burg ist unser Gott! Wir wollen seiner würdig werden, fromm und deutsch
allewege.




Martl» Luther, der deutsche Reformator

würdiger Heroismus nicht nur des Leidens, sondern auch des Handelns der re¬
ligiösen Bewegung entstammt, die von Genf, der Stadt Calvins, ausging.
Luther hat die Größe seines Charakters seinem Werke nicht mitzuteilen ver¬
mocht. Aber Luther wirkt fort. Das Gebilde des altlutherischen Landeskirchen-
tums. das er und das auf ihn folgende Theologengeschlecht schufen, ist ver-
gangen. Der Freiheitsgedanke, den er der Welt schenkte, den er aber auf das
Gebiet des Allerinnerlichsten und Persönlichsten beschränken zu müssen glaubte,
hat seine Fesseln zersprengt. Die unbefangene Weltoffenheit, der Luther im
Laufe seines Lebens je länger je mehr sich zuwandte, die aber durch seine
düstere Erbsündenlehre und Stimmung gebunden blieb, ist in unserem Geist
zum Durchbruch gekommen. Wir haben gelernt, Ernst mit dem schon von ihm
ausgesprochenen Gedanken zu machen, daß nicht nur die Glaubens- und Liebes¬
sphäre, sondern auch die Macht- und Rechtssphäre, nicht nur Religion, sondern
auch Wirtschaftsleben. Kunst und Wissenschaft Gottes sind. Kant. Goethe und
Bismarck sind Luthers Söhne und Erben gewesen und haben gewußt, daß sie
es waren. Noch jetzt ringen wir mit den schweren Problemen, die in den
Worten Religion und Kultur beschlossen liegen, und die das Verhältnis dieser
beiden für die Menschheit wichtigsten Großmächte betreffen. Aber der kühne
und große Ansatz, den Luther machte, ist nicht umsonst gewesen, wir gehen auf
seinem Wege weiter, sein Geist soll uns in die dunkelverhängte Zukunft leiten.
Gerade die gegenwärtige chaotische Zeit läßt uns seine Größe voll würdigen.
Wir brauchen Heldenverehrung. Seine ragende Persönlichkeit ist einer unserer
Schutzgeister im Weltkriege. Wir sehen sein dunkles Auge blitzen. Ein feste
Burg ist unser Gott! Wir wollen seiner würdig werden, fromm und deutsch
allewege.




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[0158] Martl» Luther, der deutsche Reformator würdiger Heroismus nicht nur des Leidens, sondern auch des Handelns der re¬ ligiösen Bewegung entstammt, die von Genf, der Stadt Calvins, ausging. Luther hat die Größe seines Charakters seinem Werke nicht mitzuteilen ver¬ mocht. Aber Luther wirkt fort. Das Gebilde des altlutherischen Landeskirchen- tums. das er und das auf ihn folgende Theologengeschlecht schufen, ist ver- gangen. Der Freiheitsgedanke, den er der Welt schenkte, den er aber auf das Gebiet des Allerinnerlichsten und Persönlichsten beschränken zu müssen glaubte, hat seine Fesseln zersprengt. Die unbefangene Weltoffenheit, der Luther im Laufe seines Lebens je länger je mehr sich zuwandte, die aber durch seine düstere Erbsündenlehre und Stimmung gebunden blieb, ist in unserem Geist zum Durchbruch gekommen. Wir haben gelernt, Ernst mit dem schon von ihm ausgesprochenen Gedanken zu machen, daß nicht nur die Glaubens- und Liebes¬ sphäre, sondern auch die Macht- und Rechtssphäre, nicht nur Religion, sondern auch Wirtschaftsleben. Kunst und Wissenschaft Gottes sind. Kant. Goethe und Bismarck sind Luthers Söhne und Erben gewesen und haben gewußt, daß sie es waren. Noch jetzt ringen wir mit den schweren Problemen, die in den Worten Religion und Kultur beschlossen liegen, und die das Verhältnis dieser beiden für die Menschheit wichtigsten Großmächte betreffen. Aber der kühne und große Ansatz, den Luther machte, ist nicht umsonst gewesen, wir gehen auf seinem Wege weiter, sein Geist soll uns in die dunkelverhängte Zukunft leiten. Gerade die gegenwärtige chaotische Zeit läßt uns seine Größe voll würdigen. Wir brauchen Heldenverehrung. Seine ragende Persönlichkeit ist einer unserer Schutzgeister im Weltkriege. Wir sehen sein dunkles Auge blitzen. Ein feste Burg ist unser Gott! Wir wollen seiner würdig werden, fromm und deutsch allewege.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/158>, abgerufen am 01.09.2024.