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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Das mitteleuropäische Rriegsziel

Programmpunkt aufgenommen werden. Man strengt sich mit Recht an, für
die Lösung der belgischen und baltischen Frage ein volkstümliches Programm
zu schaffen: die mitteleuropäische ist mindestens derselben Mühe wert.

Bei alledem möchte ich nicht behaupten, daß der Fortschritt des mittel¬
europäischen Gedankens gerade bei uns Reichsdeutschen die größten Hemmungen
erführe. Wir dürfen uns vielleicht sogar das Zeugnis ausstellen, daß wir ihm
weniger Schwierigkeiten machen, als die oft einfach böswilligen Slawen und die
in ihrem Nationalismus etwas zu hartnäckigen Magyaren. Was von Ungarn
mindestens zu verlangen wäre, habe ich kürzlich in Ur. 38 der "Grenzboten"
gesagt: Anerkennung der deutschen Sprache als mitteleuropäische Kulturhilfs¬
sprache im ungarischen Staatsgebiet und Behandlung des ungarländischen
Deutschtums nicht mehr als "Nationalität", sondern als Teil des Staatsvolkes.
Nur unter diesen Bedingungen wird ein im übrigen straff zentralisierter Ma¬
gyarenstaat eine Stütze Mitteleuropas sein. Während so in Ungarn der zen>
tralistische Staatsgeist etwas gemildert werden muß, müssen wir für die zis-
leithanische Reichshälfte eine viel straffere Zentralisation fordern. Auch Öster¬
reich braucht ein Staatsvolk, und das können nur die Deutschen sein. Um
ihnen die Mehrheit im Staate zu verschaffen, ist die Abtrennung von Galizien
und Dalmatien von Österreich zu fordern. Diese Forderung ist im Geiste der
letzten Regierungstat Kaiser Franz Josefs, der im Novembererlaß 1916 ver¬
sprach, dem selbständig gemachten Kongreßpolen ein autonomes Galizien an die
Seite zu stellen. Den mit den Deutschen in Osterreich verbleibenden Natio¬
nalitäten, insbesondere den Tschechen, kann jede mit straffer staatlicher Einheit
vereinbare Selbständigkeit zugestanden werden, aber dem Programm des
böhmischen Staatsrechtes darf man nicht entgegenkommen. Mit Recht sagt
Richard Bahr, daß von der Aufrechterhaltung der deutschen Herrschaft in.
Osterreich das ganze mitteleuropäische Bündnis abhängt. Ein slawisiertes
Österreich ist ein "Gelegenheitsalliierter", wie es Italien war; ein deutsches
Österreich ist unser Weg- und Schicksalsgenosse für alle Zeiten.

Darum ist die Befestigung der deutschen Herrschaft in Österreich nicht etwa
eine österreichische, sondern eine gesamtdeutsche und mitteleuropäische Angelegen¬
heit. Sie geht uns im Reiche alle an, wie unsere eigene Sache. Darum
müssen wir unsere öffentliche Meinung organisieren zur Durchführung unserer
Forderungen in der Donaumonarchie. Man darf den Deutschen drüben keinen
Schlag mehr versetzen, der nicht auch bei unserem ganzen Volke sofort als
Schlag empfunden würde. Unsere ganze öffentliche Meinung muß zu solchem
mitteleuropäischen Nationalgefühl erzogen werden. Unsere Verkehrsbehörden
mögen immer wieder drüben die mitteleuropäische Bedeutung der deutschen
Sprache mit dem gebotenen Nachdruck in Erinnerung bringen, unsere Wirt¬
schaftsvereinigungen und auch unsere Kirchen*) mögen überall, wo sie könne".



*) Vgl, meinen Aufsatz in den "Grenzboten" Ur. 38 dieses Jahres.
Das mitteleuropäische Rriegsziel

Programmpunkt aufgenommen werden. Man strengt sich mit Recht an, für
die Lösung der belgischen und baltischen Frage ein volkstümliches Programm
zu schaffen: die mitteleuropäische ist mindestens derselben Mühe wert.

Bei alledem möchte ich nicht behaupten, daß der Fortschritt des mittel¬
europäischen Gedankens gerade bei uns Reichsdeutschen die größten Hemmungen
erführe. Wir dürfen uns vielleicht sogar das Zeugnis ausstellen, daß wir ihm
weniger Schwierigkeiten machen, als die oft einfach böswilligen Slawen und die
in ihrem Nationalismus etwas zu hartnäckigen Magyaren. Was von Ungarn
mindestens zu verlangen wäre, habe ich kürzlich in Ur. 38 der „Grenzboten"
gesagt: Anerkennung der deutschen Sprache als mitteleuropäische Kulturhilfs¬
sprache im ungarischen Staatsgebiet und Behandlung des ungarländischen
Deutschtums nicht mehr als „Nationalität", sondern als Teil des Staatsvolkes.
Nur unter diesen Bedingungen wird ein im übrigen straff zentralisierter Ma¬
gyarenstaat eine Stütze Mitteleuropas sein. Während so in Ungarn der zen>
tralistische Staatsgeist etwas gemildert werden muß, müssen wir für die zis-
leithanische Reichshälfte eine viel straffere Zentralisation fordern. Auch Öster¬
reich braucht ein Staatsvolk, und das können nur die Deutschen sein. Um
ihnen die Mehrheit im Staate zu verschaffen, ist die Abtrennung von Galizien
und Dalmatien von Österreich zu fordern. Diese Forderung ist im Geiste der
letzten Regierungstat Kaiser Franz Josefs, der im Novembererlaß 1916 ver¬
sprach, dem selbständig gemachten Kongreßpolen ein autonomes Galizien an die
Seite zu stellen. Den mit den Deutschen in Osterreich verbleibenden Natio¬
nalitäten, insbesondere den Tschechen, kann jede mit straffer staatlicher Einheit
vereinbare Selbständigkeit zugestanden werden, aber dem Programm des
böhmischen Staatsrechtes darf man nicht entgegenkommen. Mit Recht sagt
Richard Bahr, daß von der Aufrechterhaltung der deutschen Herrschaft in.
Osterreich das ganze mitteleuropäische Bündnis abhängt. Ein slawisiertes
Österreich ist ein „Gelegenheitsalliierter", wie es Italien war; ein deutsches
Österreich ist unser Weg- und Schicksalsgenosse für alle Zeiten.

Darum ist die Befestigung der deutschen Herrschaft in Österreich nicht etwa
eine österreichische, sondern eine gesamtdeutsche und mitteleuropäische Angelegen¬
heit. Sie geht uns im Reiche alle an, wie unsere eigene Sache. Darum
müssen wir unsere öffentliche Meinung organisieren zur Durchführung unserer
Forderungen in der Donaumonarchie. Man darf den Deutschen drüben keinen
Schlag mehr versetzen, der nicht auch bei unserem ganzen Volke sofort als
Schlag empfunden würde. Unsere ganze öffentliche Meinung muß zu solchem
mitteleuropäischen Nationalgefühl erzogen werden. Unsere Verkehrsbehörden
mögen immer wieder drüben die mitteleuropäische Bedeutung der deutschen
Sprache mit dem gebotenen Nachdruck in Erinnerung bringen, unsere Wirt¬
schaftsvereinigungen und auch unsere Kirchen*) mögen überall, wo sie könne».



*) Vgl, meinen Aufsatz in den „Grenzboten" Ur. 38 dieses Jahres.
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[0122] Das mitteleuropäische Rriegsziel Programmpunkt aufgenommen werden. Man strengt sich mit Recht an, für die Lösung der belgischen und baltischen Frage ein volkstümliches Programm zu schaffen: die mitteleuropäische ist mindestens derselben Mühe wert. Bei alledem möchte ich nicht behaupten, daß der Fortschritt des mittel¬ europäischen Gedankens gerade bei uns Reichsdeutschen die größten Hemmungen erführe. Wir dürfen uns vielleicht sogar das Zeugnis ausstellen, daß wir ihm weniger Schwierigkeiten machen, als die oft einfach böswilligen Slawen und die in ihrem Nationalismus etwas zu hartnäckigen Magyaren. Was von Ungarn mindestens zu verlangen wäre, habe ich kürzlich in Ur. 38 der „Grenzboten" gesagt: Anerkennung der deutschen Sprache als mitteleuropäische Kulturhilfs¬ sprache im ungarischen Staatsgebiet und Behandlung des ungarländischen Deutschtums nicht mehr als „Nationalität", sondern als Teil des Staatsvolkes. Nur unter diesen Bedingungen wird ein im übrigen straff zentralisierter Ma¬ gyarenstaat eine Stütze Mitteleuropas sein. Während so in Ungarn der zen> tralistische Staatsgeist etwas gemildert werden muß, müssen wir für die zis- leithanische Reichshälfte eine viel straffere Zentralisation fordern. Auch Öster¬ reich braucht ein Staatsvolk, und das können nur die Deutschen sein. Um ihnen die Mehrheit im Staate zu verschaffen, ist die Abtrennung von Galizien und Dalmatien von Österreich zu fordern. Diese Forderung ist im Geiste der letzten Regierungstat Kaiser Franz Josefs, der im Novembererlaß 1916 ver¬ sprach, dem selbständig gemachten Kongreßpolen ein autonomes Galizien an die Seite zu stellen. Den mit den Deutschen in Osterreich verbleibenden Natio¬ nalitäten, insbesondere den Tschechen, kann jede mit straffer staatlicher Einheit vereinbare Selbständigkeit zugestanden werden, aber dem Programm des böhmischen Staatsrechtes darf man nicht entgegenkommen. Mit Recht sagt Richard Bahr, daß von der Aufrechterhaltung der deutschen Herrschaft in. Osterreich das ganze mitteleuropäische Bündnis abhängt. Ein slawisiertes Österreich ist ein „Gelegenheitsalliierter", wie es Italien war; ein deutsches Österreich ist unser Weg- und Schicksalsgenosse für alle Zeiten. Darum ist die Befestigung der deutschen Herrschaft in Österreich nicht etwa eine österreichische, sondern eine gesamtdeutsche und mitteleuropäische Angelegen¬ heit. Sie geht uns im Reiche alle an, wie unsere eigene Sache. Darum müssen wir unsere öffentliche Meinung organisieren zur Durchführung unserer Forderungen in der Donaumonarchie. Man darf den Deutschen drüben keinen Schlag mehr versetzen, der nicht auch bei unserem ganzen Volke sofort als Schlag empfunden würde. Unsere ganze öffentliche Meinung muß zu solchem mitteleuropäischen Nationalgefühl erzogen werden. Unsere Verkehrsbehörden mögen immer wieder drüben die mitteleuropäische Bedeutung der deutschen Sprache mit dem gebotenen Nachdruck in Erinnerung bringen, unsere Wirt¬ schaftsvereinigungen und auch unsere Kirchen*) mögen überall, wo sie könne». *) Vgl, meinen Aufsatz in den „Grenzboten" Ur. 38 dieses Jahres.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/122>, abgerufen am 06.10.2024.