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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Kolonialherrschaft?

Umbau auf dem Weg über Land, durch die innere Vereinfachung und Ver-
fachltchung ihrer Erfolge und die Schlichtheit des rollenden Materials, alles Phan¬
tastische einbüßen und damit den besten Teil ihres anschaulichen, gleichsam
dekorativen Charakters. Der Glanz des merkantilen Vorganges und sein stolzes
Gepränge schwänden dahin. Und geschieht das einmal, dann gewinnen viel¬
leicht auch die schaffenden Wirtschaftsfunktionen endgültig die Ursprünglichkeit
ihres Wertes zurück.*)




Im teilweisen Gegensatz zu den vorstehenden Ausführungen hat die Deutsche
.Kolonialgesellschaft kürzlich folgende Entschließung gefaßt:

Die Deutsche Kolonialgesellschaft ist durchdrungen von der Überzeugung,
daß der Verlauf des Weltkrieges die innige gegenseitige Verknüpfung heimat¬
licher und überseeisch-kolonialer Beendigung immer zwingender hervortreten
läßt. Die Wahrung der Weltmachtstellung Deutschlands und der drohende
Wirtschaftskampf erheischen gebieterisch, daß dem deutschen Vaterlande in
Europa eine feste Machtstellung errungen wird, die seine Seegeltung sichert
und den Zugang zum Weltmeere offen hält. Sie verlangen aber ferner,
daß die überseeische Beendigung Deutschlands durch den Besitz eigner Kolonien
in wesentlich erweiterten Grenzen in Anlehnung an überseeische Stützpunkte
gewährleistet wird. Ohne Sicherstellung der Rohstoffversorgung drohen der
deutschen Volkswirtschaft und damit auch unserer arbeitenden Bevölkerung
unabsehbare Gefahren.

Die Deutsche Kolonialgesellschaft begrüßt daher mit freudiger Genug¬
tuung den durch den Staatssekretär des Reichskolonialamts im Namen des
Reichskanzlers in Leipzig erklärten Willen, die Rückgabe unserer sämtlichen
Kolonien und den Ausbau eines starken Kolonialreichs in Afrika durchzusetzen.

Eine solche Erweiterung ist in erster Linie in Mittelafrika -- Festland
und Inseln -- anzustreben. Das ermöglicht den Zusammenschluß der bis¬
herigen deutschen Kolonien. Das faßt auch den Erwerb westafrikanischer
Kolonien in sich, die bei ihrer dichten Bevölkerung, dem Reichtum an rasch
gewinnbaren kolonialen Rohstoffen und der Möglichkeit der Anlegung von
Flottenstützpunkten für uns von unersetzbarem Wert sind.

Die Deutsche Kolonialgesellschaft erhebt gleichzeitig den schärfsten Ein¬
spruch gegen den Gedanken einer Aufgabe unserer wirtschaftlich und flotten-
strategisch so wertvollen Südseekolonien und tritt nach wie vor eindringlich
für die Wahrung der überaus wichtigen deutschen Interessen in Ostasien ein.





*) Dieser Aufsatz ist mit Genehmigung des Verlages einem Buche "Das Ende des
kolonialpolitischen Zeitalters" entnommen, das demnächst bei Fr. Will), Grunow in Leipzig
erscheint.
Kolonialherrschaft?

Umbau auf dem Weg über Land, durch die innere Vereinfachung und Ver-
fachltchung ihrer Erfolge und die Schlichtheit des rollenden Materials, alles Phan¬
tastische einbüßen und damit den besten Teil ihres anschaulichen, gleichsam
dekorativen Charakters. Der Glanz des merkantilen Vorganges und sein stolzes
Gepränge schwänden dahin. Und geschieht das einmal, dann gewinnen viel¬
leicht auch die schaffenden Wirtschaftsfunktionen endgültig die Ursprünglichkeit
ihres Wertes zurück.*)




Im teilweisen Gegensatz zu den vorstehenden Ausführungen hat die Deutsche
.Kolonialgesellschaft kürzlich folgende Entschließung gefaßt:

Die Deutsche Kolonialgesellschaft ist durchdrungen von der Überzeugung,
daß der Verlauf des Weltkrieges die innige gegenseitige Verknüpfung heimat¬
licher und überseeisch-kolonialer Beendigung immer zwingender hervortreten
läßt. Die Wahrung der Weltmachtstellung Deutschlands und der drohende
Wirtschaftskampf erheischen gebieterisch, daß dem deutschen Vaterlande in
Europa eine feste Machtstellung errungen wird, die seine Seegeltung sichert
und den Zugang zum Weltmeere offen hält. Sie verlangen aber ferner,
daß die überseeische Beendigung Deutschlands durch den Besitz eigner Kolonien
in wesentlich erweiterten Grenzen in Anlehnung an überseeische Stützpunkte
gewährleistet wird. Ohne Sicherstellung der Rohstoffversorgung drohen der
deutschen Volkswirtschaft und damit auch unserer arbeitenden Bevölkerung
unabsehbare Gefahren.

Die Deutsche Kolonialgesellschaft begrüßt daher mit freudiger Genug¬
tuung den durch den Staatssekretär des Reichskolonialamts im Namen des
Reichskanzlers in Leipzig erklärten Willen, die Rückgabe unserer sämtlichen
Kolonien und den Ausbau eines starken Kolonialreichs in Afrika durchzusetzen.

Eine solche Erweiterung ist in erster Linie in Mittelafrika — Festland
und Inseln — anzustreben. Das ermöglicht den Zusammenschluß der bis¬
herigen deutschen Kolonien. Das faßt auch den Erwerb westafrikanischer
Kolonien in sich, die bei ihrer dichten Bevölkerung, dem Reichtum an rasch
gewinnbaren kolonialen Rohstoffen und der Möglichkeit der Anlegung von
Flottenstützpunkten für uns von unersetzbarem Wert sind.

Die Deutsche Kolonialgesellschaft erhebt gleichzeitig den schärfsten Ein¬
spruch gegen den Gedanken einer Aufgabe unserer wirtschaftlich und flotten-
strategisch so wertvollen Südseekolonien und tritt nach wie vor eindringlich
für die Wahrung der überaus wichtigen deutschen Interessen in Ostasien ein.





*) Dieser Aufsatz ist mit Genehmigung des Verlages einem Buche „Das Ende des
kolonialpolitischen Zeitalters" entnommen, das demnächst bei Fr. Will), Grunow in Leipzig
erscheint.
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[0074] Kolonialherrschaft? Umbau auf dem Weg über Land, durch die innere Vereinfachung und Ver- fachltchung ihrer Erfolge und die Schlichtheit des rollenden Materials, alles Phan¬ tastische einbüßen und damit den besten Teil ihres anschaulichen, gleichsam dekorativen Charakters. Der Glanz des merkantilen Vorganges und sein stolzes Gepränge schwänden dahin. Und geschieht das einmal, dann gewinnen viel¬ leicht auch die schaffenden Wirtschaftsfunktionen endgültig die Ursprünglichkeit ihres Wertes zurück.*) Im teilweisen Gegensatz zu den vorstehenden Ausführungen hat die Deutsche .Kolonialgesellschaft kürzlich folgende Entschließung gefaßt: Die Deutsche Kolonialgesellschaft ist durchdrungen von der Überzeugung, daß der Verlauf des Weltkrieges die innige gegenseitige Verknüpfung heimat¬ licher und überseeisch-kolonialer Beendigung immer zwingender hervortreten läßt. Die Wahrung der Weltmachtstellung Deutschlands und der drohende Wirtschaftskampf erheischen gebieterisch, daß dem deutschen Vaterlande in Europa eine feste Machtstellung errungen wird, die seine Seegeltung sichert und den Zugang zum Weltmeere offen hält. Sie verlangen aber ferner, daß die überseeische Beendigung Deutschlands durch den Besitz eigner Kolonien in wesentlich erweiterten Grenzen in Anlehnung an überseeische Stützpunkte gewährleistet wird. Ohne Sicherstellung der Rohstoffversorgung drohen der deutschen Volkswirtschaft und damit auch unserer arbeitenden Bevölkerung unabsehbare Gefahren. Die Deutsche Kolonialgesellschaft begrüßt daher mit freudiger Genug¬ tuung den durch den Staatssekretär des Reichskolonialamts im Namen des Reichskanzlers in Leipzig erklärten Willen, die Rückgabe unserer sämtlichen Kolonien und den Ausbau eines starken Kolonialreichs in Afrika durchzusetzen. Eine solche Erweiterung ist in erster Linie in Mittelafrika — Festland und Inseln — anzustreben. Das ermöglicht den Zusammenschluß der bis¬ herigen deutschen Kolonien. Das faßt auch den Erwerb westafrikanischer Kolonien in sich, die bei ihrer dichten Bevölkerung, dem Reichtum an rasch gewinnbaren kolonialen Rohstoffen und der Möglichkeit der Anlegung von Flottenstützpunkten für uns von unersetzbarem Wert sind. Die Deutsche Kolonialgesellschaft erhebt gleichzeitig den schärfsten Ein¬ spruch gegen den Gedanken einer Aufgabe unserer wirtschaftlich und flotten- strategisch so wertvollen Südseekolonien und tritt nach wie vor eindringlich für die Wahrung der überaus wichtigen deutschen Interessen in Ostasien ein. *) Dieser Aufsatz ist mit Genehmigung des Verlages einem Buche „Das Ende des kolonialpolitischen Zeitalters" entnommen, das demnächst bei Fr. Will), Grunow in Leipzig erscheint.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/74>, abgerufen am 01.07.2024.