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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die Geschichte der Universität lVittenberg
von Professor l)r. A> Merminghoff

!it tastender Wucht legt sich der Ernst des großen Krieges, der
nunmehr seit drei Jahren das deutsche Volk in seine herbe Schule
I zwingt, auf unser aller Gedanken, um sie nahezu ausschließlich
auf Gegenwart und Zukunft einzustellen, von der Vergangenheit
^aber, der nahen nicht minder als der fernen, mehr und mehr
abzudrängen. Sie werden gebannt durch die Sorge und das Leid des einzelnen
Tages, und schier allzu selten geben wir uns darüber Rechenschaft, daß zwischen
dem Heute und dem Gestern Klammern bestehen, von denen doch so viele den
Mut und die Zuversicht des Durchhaltens in uns stählen sollten und auel
können. Indem wir unser Reich verteidigen und zu sichern uns mühen, be¬
währen wir den felsenfesten Willen, das Erbe der Väter ungeschmälert, wenn
irgend möglich erweitert, den Nachkommen zu überliefern, nicht allein das
politische, sondern auch das geistige und kulturelle, gerade weil es in einer
Zeit der Befehdung und Verlästerung uns selbst seine köstlichen, unerschöpflichen
Schätze offenbart. Wer das Ziel seines Handelns und Wollens in den Satz
kleidet: "Das Weltreich muß uns werden", steht, sei es bewußt sei es un¬
bewußt, unter dem Eindruck des Lutherwortes: "Das Reich muß uns doch
bleiben", jenes edlen Trotzes, der einst den Kampf um die geistige Befreiung
unseres Volkes siegreich bestehen ließ. Luther und sein Ringen wider eine
Welt von Feinden sind Sinnbilder deutscher Kraft, die uns erheben --, es war
wahrlich kein Zufall, daß die Feier, mit der am 21. Juni dieses vielbewegten
Jahres die Universität Halle das Gedächtnis der Vereinigung mit der ehr¬
würdigen Wtttenberger Hochschule erneute, ihren Höhepunkt darin fand, daß
alle ihre Teilnehmer das unvergängliche "Ein' feste Burg ist unser Gott" an¬
stimmten: in ihm verschmolzen Bekenntnis und Gelübde, Vergangenheit und
Gegenwart zu einer inneren, unlöslichen Einheit.

Nicht allein im Liede wurden die Gedanken nach rückwärts geführt: es
geschah auch durch die Rede des Tages und durch die Worte des Rektors mit
ihrem ehrenden Danke an Walter Friedensburg, der als Geschenk seines Fleißes
eine Geschichte der Universität Wittenberg darbrachte, um es gleich zu sagen
das Werk rastloser Arbeit, sorgsamster Verwertung aller Quellen, lichtvoller




Die Geschichte der Universität lVittenberg
von Professor l)r. A> Merminghoff

!it tastender Wucht legt sich der Ernst des großen Krieges, der
nunmehr seit drei Jahren das deutsche Volk in seine herbe Schule
I zwingt, auf unser aller Gedanken, um sie nahezu ausschließlich
auf Gegenwart und Zukunft einzustellen, von der Vergangenheit
^aber, der nahen nicht minder als der fernen, mehr und mehr
abzudrängen. Sie werden gebannt durch die Sorge und das Leid des einzelnen
Tages, und schier allzu selten geben wir uns darüber Rechenschaft, daß zwischen
dem Heute und dem Gestern Klammern bestehen, von denen doch so viele den
Mut und die Zuversicht des Durchhaltens in uns stählen sollten und auel
können. Indem wir unser Reich verteidigen und zu sichern uns mühen, be¬
währen wir den felsenfesten Willen, das Erbe der Väter ungeschmälert, wenn
irgend möglich erweitert, den Nachkommen zu überliefern, nicht allein das
politische, sondern auch das geistige und kulturelle, gerade weil es in einer
Zeit der Befehdung und Verlästerung uns selbst seine köstlichen, unerschöpflichen
Schätze offenbart. Wer das Ziel seines Handelns und Wollens in den Satz
kleidet: „Das Weltreich muß uns werden", steht, sei es bewußt sei es un¬
bewußt, unter dem Eindruck des Lutherwortes: „Das Reich muß uns doch
bleiben", jenes edlen Trotzes, der einst den Kampf um die geistige Befreiung
unseres Volkes siegreich bestehen ließ. Luther und sein Ringen wider eine
Welt von Feinden sind Sinnbilder deutscher Kraft, die uns erheben —, es war
wahrlich kein Zufall, daß die Feier, mit der am 21. Juni dieses vielbewegten
Jahres die Universität Halle das Gedächtnis der Vereinigung mit der ehr¬
würdigen Wtttenberger Hochschule erneute, ihren Höhepunkt darin fand, daß
alle ihre Teilnehmer das unvergängliche „Ein' feste Burg ist unser Gott" an¬
stimmten: in ihm verschmolzen Bekenntnis und Gelübde, Vergangenheit und
Gegenwart zu einer inneren, unlöslichen Einheit.

Nicht allein im Liede wurden die Gedanken nach rückwärts geführt: es
geschah auch durch die Rede des Tages und durch die Worte des Rektors mit
ihrem ehrenden Danke an Walter Friedensburg, der als Geschenk seines Fleißes
eine Geschichte der Universität Wittenberg darbrachte, um es gleich zu sagen
das Werk rastloser Arbeit, sorgsamster Verwertung aller Quellen, lichtvoller


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[0420] [Abbildung] Die Geschichte der Universität lVittenberg von Professor l)r. A> Merminghoff !it tastender Wucht legt sich der Ernst des großen Krieges, der nunmehr seit drei Jahren das deutsche Volk in seine herbe Schule I zwingt, auf unser aller Gedanken, um sie nahezu ausschließlich auf Gegenwart und Zukunft einzustellen, von der Vergangenheit ^aber, der nahen nicht minder als der fernen, mehr und mehr abzudrängen. Sie werden gebannt durch die Sorge und das Leid des einzelnen Tages, und schier allzu selten geben wir uns darüber Rechenschaft, daß zwischen dem Heute und dem Gestern Klammern bestehen, von denen doch so viele den Mut und die Zuversicht des Durchhaltens in uns stählen sollten und auel können. Indem wir unser Reich verteidigen und zu sichern uns mühen, be¬ währen wir den felsenfesten Willen, das Erbe der Väter ungeschmälert, wenn irgend möglich erweitert, den Nachkommen zu überliefern, nicht allein das politische, sondern auch das geistige und kulturelle, gerade weil es in einer Zeit der Befehdung und Verlästerung uns selbst seine köstlichen, unerschöpflichen Schätze offenbart. Wer das Ziel seines Handelns und Wollens in den Satz kleidet: „Das Weltreich muß uns werden", steht, sei es bewußt sei es un¬ bewußt, unter dem Eindruck des Lutherwortes: „Das Reich muß uns doch bleiben", jenes edlen Trotzes, der einst den Kampf um die geistige Befreiung unseres Volkes siegreich bestehen ließ. Luther und sein Ringen wider eine Welt von Feinden sind Sinnbilder deutscher Kraft, die uns erheben —, es war wahrlich kein Zufall, daß die Feier, mit der am 21. Juni dieses vielbewegten Jahres die Universität Halle das Gedächtnis der Vereinigung mit der ehr¬ würdigen Wtttenberger Hochschule erneute, ihren Höhepunkt darin fand, daß alle ihre Teilnehmer das unvergängliche „Ein' feste Burg ist unser Gott" an¬ stimmten: in ihm verschmolzen Bekenntnis und Gelübde, Vergangenheit und Gegenwart zu einer inneren, unlöslichen Einheit. Nicht allein im Liede wurden die Gedanken nach rückwärts geführt: es geschah auch durch die Rede des Tages und durch die Worte des Rektors mit ihrem ehrenden Danke an Walter Friedensburg, der als Geschenk seines Fleißes eine Geschichte der Universität Wittenberg darbrachte, um es gleich zu sagen das Werk rastloser Arbeit, sorgsamster Verwertung aller Quellen, lichtvoller

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/420>, abgerufen am 01.07.2024.