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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Die Zukunft de5 britischen Weltreiches

Ende da ist, ohne daß sich die Handelswelt Indiens einer klarumschriebenen
Wirtschaftspolitik des Reiches gegenübersieht, so mag sich die Negierung, wie
immer, bereit finden, ihre Interessen preiszugeben oder zu übersehen und Be¬
dingungen anzunehmen, die in höchstem Maße schädigend für den englisch¬
indischen Handel sein würden. Indien muß eine hervorragende Stelle in den
kommenden wirtschaftlichen Organisation des Reiches erhalten. Es ist interessant
und lehrreich, daß in diesem Punkte die englische und die indische Meinung in
diesem Lande übereinstimmen . . ." Also auch in Indien konnte man, selbst
bei den dort ansässigen Engländern, das Bestreben wahrnehmen, die Zeit der
Schwäche des Mutterlandes auszunutzen, um von ihm Vorteile zu erlangen,
die nach dem Kriege nicht gutwillig gegeben werden würden. Trotz aller
Proteste Lancashires hat die Lloyd Georgesche Regierung kürzlich dem Drängen
der indischen Schutzzöllner nachgegeben und die Einführung indischer Sonder¬
schutzzölle schon während des Krieges gebilligt. Man kann sich nach solchen
Zwischenfällen leicht vorstellen, wie starke Gegensätze sich ergeben mögen, wenn
nach Friedensschluß zwischen Mutterland und Kolonien die Erörterungen über
die Verteilung der Lasten, die aus dem Kriege entstehen, und über die neuen
Rechte, die die Kolonien zum Ausgleich für die Übernahme solcher Lasten be¬
anspruchen, beginnen werden. Trotz aller Zuversicht, die ausgesprochene Reichs-
einheitsschwärmer in englischen Zeitungen und Zeitschriften zur Schau tragen,
dämmert doch in manchen Köpfen davon schon eine Ahnung auf. So mahnt
Harold Spender in der "Contemporarn Review" zur Vorsicht bei dem Be¬
streben, die Kolonien zu den Lasten der Kriegführung mit heranzuziehen und
erinnert dabei an die Vorgeschichte des Abfalls der Vereinigten Staaten Nord¬
amerikas: "Durch die Bereitwilligkeit der alten amerikanischen Kolonien, uns
in unserem Kriege mit Frankreich wegen Kanadas zu helfen, verführt, gingen
wir nach dem Kriege dazu über, ihre Kriegskontrtbutionen in Kriegssteuern zu
verwandeln; eine geringfügige Sache, wie es schien, und eine, die damals in
England volkstümlich war. Aber die Folge war, daß die amerikanischen
Kolonien die Vereinigten Staaten wurden." Mit einem wirklichen Zerfall des
britischen Weltreiches mag es ja auch nach dem Kriege noch gute Weile haben,
aber alle zuverlässigen Anzeichen sprechen dafür, daß die Gegensätze zwischen
Mutterland und Kolonien sich nur immer weiter verschärfen, die Bande, durch
die sie zusammenhängen, immer mehr lockern werden.




Die Zukunft de5 britischen Weltreiches

Ende da ist, ohne daß sich die Handelswelt Indiens einer klarumschriebenen
Wirtschaftspolitik des Reiches gegenübersieht, so mag sich die Negierung, wie
immer, bereit finden, ihre Interessen preiszugeben oder zu übersehen und Be¬
dingungen anzunehmen, die in höchstem Maße schädigend für den englisch¬
indischen Handel sein würden. Indien muß eine hervorragende Stelle in den
kommenden wirtschaftlichen Organisation des Reiches erhalten. Es ist interessant
und lehrreich, daß in diesem Punkte die englische und die indische Meinung in
diesem Lande übereinstimmen . . ." Also auch in Indien konnte man, selbst
bei den dort ansässigen Engländern, das Bestreben wahrnehmen, die Zeit der
Schwäche des Mutterlandes auszunutzen, um von ihm Vorteile zu erlangen,
die nach dem Kriege nicht gutwillig gegeben werden würden. Trotz aller
Proteste Lancashires hat die Lloyd Georgesche Regierung kürzlich dem Drängen
der indischen Schutzzöllner nachgegeben und die Einführung indischer Sonder¬
schutzzölle schon während des Krieges gebilligt. Man kann sich nach solchen
Zwischenfällen leicht vorstellen, wie starke Gegensätze sich ergeben mögen, wenn
nach Friedensschluß zwischen Mutterland und Kolonien die Erörterungen über
die Verteilung der Lasten, die aus dem Kriege entstehen, und über die neuen
Rechte, die die Kolonien zum Ausgleich für die Übernahme solcher Lasten be¬
anspruchen, beginnen werden. Trotz aller Zuversicht, die ausgesprochene Reichs-
einheitsschwärmer in englischen Zeitungen und Zeitschriften zur Schau tragen,
dämmert doch in manchen Köpfen davon schon eine Ahnung auf. So mahnt
Harold Spender in der „Contemporarn Review" zur Vorsicht bei dem Be¬
streben, die Kolonien zu den Lasten der Kriegführung mit heranzuziehen und
erinnert dabei an die Vorgeschichte des Abfalls der Vereinigten Staaten Nord¬
amerikas: „Durch die Bereitwilligkeit der alten amerikanischen Kolonien, uns
in unserem Kriege mit Frankreich wegen Kanadas zu helfen, verführt, gingen
wir nach dem Kriege dazu über, ihre Kriegskontrtbutionen in Kriegssteuern zu
verwandeln; eine geringfügige Sache, wie es schien, und eine, die damals in
England volkstümlich war. Aber die Folge war, daß die amerikanischen
Kolonien die Vereinigten Staaten wurden." Mit einem wirklichen Zerfall des
britischen Weltreiches mag es ja auch nach dem Kriege noch gute Weile haben,
aber alle zuverlässigen Anzeichen sprechen dafür, daß die Gegensätze zwischen
Mutterland und Kolonien sich nur immer weiter verschärfen, die Bande, durch
die sie zusammenhängen, immer mehr lockern werden.




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[0418] Die Zukunft de5 britischen Weltreiches Ende da ist, ohne daß sich die Handelswelt Indiens einer klarumschriebenen Wirtschaftspolitik des Reiches gegenübersieht, so mag sich die Negierung, wie immer, bereit finden, ihre Interessen preiszugeben oder zu übersehen und Be¬ dingungen anzunehmen, die in höchstem Maße schädigend für den englisch¬ indischen Handel sein würden. Indien muß eine hervorragende Stelle in den kommenden wirtschaftlichen Organisation des Reiches erhalten. Es ist interessant und lehrreich, daß in diesem Punkte die englische und die indische Meinung in diesem Lande übereinstimmen . . ." Also auch in Indien konnte man, selbst bei den dort ansässigen Engländern, das Bestreben wahrnehmen, die Zeit der Schwäche des Mutterlandes auszunutzen, um von ihm Vorteile zu erlangen, die nach dem Kriege nicht gutwillig gegeben werden würden. Trotz aller Proteste Lancashires hat die Lloyd Georgesche Regierung kürzlich dem Drängen der indischen Schutzzöllner nachgegeben und die Einführung indischer Sonder¬ schutzzölle schon während des Krieges gebilligt. Man kann sich nach solchen Zwischenfällen leicht vorstellen, wie starke Gegensätze sich ergeben mögen, wenn nach Friedensschluß zwischen Mutterland und Kolonien die Erörterungen über die Verteilung der Lasten, die aus dem Kriege entstehen, und über die neuen Rechte, die die Kolonien zum Ausgleich für die Übernahme solcher Lasten be¬ anspruchen, beginnen werden. Trotz aller Zuversicht, die ausgesprochene Reichs- einheitsschwärmer in englischen Zeitungen und Zeitschriften zur Schau tragen, dämmert doch in manchen Köpfen davon schon eine Ahnung auf. So mahnt Harold Spender in der „Contemporarn Review" zur Vorsicht bei dem Be¬ streben, die Kolonien zu den Lasten der Kriegführung mit heranzuziehen und erinnert dabei an die Vorgeschichte des Abfalls der Vereinigten Staaten Nord¬ amerikas: „Durch die Bereitwilligkeit der alten amerikanischen Kolonien, uns in unserem Kriege mit Frankreich wegen Kanadas zu helfen, verführt, gingen wir nach dem Kriege dazu über, ihre Kriegskontrtbutionen in Kriegssteuern zu verwandeln; eine geringfügige Sache, wie es schien, und eine, die damals in England volkstümlich war. Aber die Folge war, daß die amerikanischen Kolonien die Vereinigten Staaten wurden." Mit einem wirklichen Zerfall des britischen Weltreiches mag es ja auch nach dem Kriege noch gute Weile haben, aber alle zuverlässigen Anzeichen sprechen dafür, daß die Gegensätze zwischen Mutterland und Kolonien sich nur immer weiter verschärfen, die Bande, durch die sie zusammenhängen, immer mehr lockern werden.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/418>, abgerufen am 01.07.2024.