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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Vom polnischen Bauplatz
Zum Kaiserlichen Lrlaß an den Generalgouvemeur in Warschau
vom 12. September
,
von Georg Lleinow

er mit Spannung und Sorge und Hoffnungen weit auseinander¬
strebender Richtungen erwartete Schritt der verbündeten deutschen
und österreichisch-ungarischen Regierungen, der das polnische
Problem in eine neue Phase führen soll, ist durch den Kaiser¬
lichen Erlaß an den Generalgouvemeur in Warschau vom
12. September d. I. getan. Dieser Erlaß ist begleitet von einem Patent
"betreffend die Staatsgewalt in Polen" aus sechs Artikeln, das gezeichnet ist
von Beseler und von Szeptycki. Gegen den bisherigen Zustand ändert sich
folgendes: die Oberste Staatsgewalt, die bislang in den Händen der
Generalgouverneure lag, geht bis zu ihrer Übernahme durch einen König oder
Regenten, ohne im übrigen die völkerrechtliche Stellung der Okkupationsmächte
zu berühren, an einen Regentschaftsrat über, der sich aus drei von den
Monarchen der Okkupationsmächte zu ernennenden Mitgliedern zusammensetzen
soll (Art. I). Die gesetzgebende Gewalt übt der Regentschaftsrat gemeinsam
mit einem Staatsrat (Art. II.), der nach einem besonderen, durch den Regent¬
schaftsrat mit Zustimmung der Okkupationsmächte zu schaffenden Gesetze zu
wählen ist (Art. III). Die Aufgaben der Rechtsprechung und Verwaltung werden,
soweit sie der polnischen Staatsgewalt überlassen sind, durch polnische Gerichte
und Behörden, im übrigen für die Dauer der Okkupation durch die Organe
der Okkupationsmacht ausgeübt (Art. IV). Die völkerrechtliche Vertretung des
Königreichs Polen und das Recht zum Abschluß internationaler Vereinbarungen
können von der polnischen Staatsgewalt erst nach Beendigung der Okkupation
ausgeübt werden (Art. V). Das Patent tritt nach Bildung des Regentschafts¬
rates in Kraft (Art. VI). In Art. II und IV finden sich noch gewisse Vor¬
behalte zugunsten der Okkupationsmächte*).



*) "norddeutsche Allg. Ztg." Ur. 26S vom Is. September 1917 sowie "Warschauer Ztg."
Ur. 2ö6 vom 16. September 1917.
Grenzboten NI 1917 26


Vom polnischen Bauplatz
Zum Kaiserlichen Lrlaß an den Generalgouvemeur in Warschau
vom 12. September
,
von Georg Lleinow

er mit Spannung und Sorge und Hoffnungen weit auseinander¬
strebender Richtungen erwartete Schritt der verbündeten deutschen
und österreichisch-ungarischen Regierungen, der das polnische
Problem in eine neue Phase führen soll, ist durch den Kaiser¬
lichen Erlaß an den Generalgouvemeur in Warschau vom
12. September d. I. getan. Dieser Erlaß ist begleitet von einem Patent
„betreffend die Staatsgewalt in Polen" aus sechs Artikeln, das gezeichnet ist
von Beseler und von Szeptycki. Gegen den bisherigen Zustand ändert sich
folgendes: die Oberste Staatsgewalt, die bislang in den Händen der
Generalgouverneure lag, geht bis zu ihrer Übernahme durch einen König oder
Regenten, ohne im übrigen die völkerrechtliche Stellung der Okkupationsmächte
zu berühren, an einen Regentschaftsrat über, der sich aus drei von den
Monarchen der Okkupationsmächte zu ernennenden Mitgliedern zusammensetzen
soll (Art. I). Die gesetzgebende Gewalt übt der Regentschaftsrat gemeinsam
mit einem Staatsrat (Art. II.), der nach einem besonderen, durch den Regent¬
schaftsrat mit Zustimmung der Okkupationsmächte zu schaffenden Gesetze zu
wählen ist (Art. III). Die Aufgaben der Rechtsprechung und Verwaltung werden,
soweit sie der polnischen Staatsgewalt überlassen sind, durch polnische Gerichte
und Behörden, im übrigen für die Dauer der Okkupation durch die Organe
der Okkupationsmacht ausgeübt (Art. IV). Die völkerrechtliche Vertretung des
Königreichs Polen und das Recht zum Abschluß internationaler Vereinbarungen
können von der polnischen Staatsgewalt erst nach Beendigung der Okkupation
ausgeübt werden (Art. V). Das Patent tritt nach Bildung des Regentschafts¬
rates in Kraft (Art. VI). In Art. II und IV finden sich noch gewisse Vor¬
behalte zugunsten der Okkupationsmächte*).



*) „norddeutsche Allg. Ztg." Ur. 26S vom Is. September 1917 sowie „Warschauer Ztg.»
Ur. 2ö6 vom 16. September 1917.
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[0397] [Abbildung] Vom polnischen Bauplatz Zum Kaiserlichen Lrlaß an den Generalgouvemeur in Warschau vom 12. September , von Georg Lleinow er mit Spannung und Sorge und Hoffnungen weit auseinander¬ strebender Richtungen erwartete Schritt der verbündeten deutschen und österreichisch-ungarischen Regierungen, der das polnische Problem in eine neue Phase führen soll, ist durch den Kaiser¬ lichen Erlaß an den Generalgouvemeur in Warschau vom 12. September d. I. getan. Dieser Erlaß ist begleitet von einem Patent „betreffend die Staatsgewalt in Polen" aus sechs Artikeln, das gezeichnet ist von Beseler und von Szeptycki. Gegen den bisherigen Zustand ändert sich folgendes: die Oberste Staatsgewalt, die bislang in den Händen der Generalgouverneure lag, geht bis zu ihrer Übernahme durch einen König oder Regenten, ohne im übrigen die völkerrechtliche Stellung der Okkupationsmächte zu berühren, an einen Regentschaftsrat über, der sich aus drei von den Monarchen der Okkupationsmächte zu ernennenden Mitgliedern zusammensetzen soll (Art. I). Die gesetzgebende Gewalt übt der Regentschaftsrat gemeinsam mit einem Staatsrat (Art. II.), der nach einem besonderen, durch den Regent¬ schaftsrat mit Zustimmung der Okkupationsmächte zu schaffenden Gesetze zu wählen ist (Art. III). Die Aufgaben der Rechtsprechung und Verwaltung werden, soweit sie der polnischen Staatsgewalt überlassen sind, durch polnische Gerichte und Behörden, im übrigen für die Dauer der Okkupation durch die Organe der Okkupationsmacht ausgeübt (Art. IV). Die völkerrechtliche Vertretung des Königreichs Polen und das Recht zum Abschluß internationaler Vereinbarungen können von der polnischen Staatsgewalt erst nach Beendigung der Okkupation ausgeübt werden (Art. V). Das Patent tritt nach Bildung des Regentschafts¬ rates in Kraft (Art. VI). In Art. II und IV finden sich noch gewisse Vor¬ behalte zugunsten der Okkupationsmächte*). *) „norddeutsche Allg. Ztg." Ur. 26S vom Is. September 1917 sowie „Warschauer Ztg.» Ur. 2ö6 vom 16. September 1917. Grenzboten NI 1917 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/397>, abgerufen am 29.06.2024.