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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Der mitteleuropäische Gedanke

Deutsch können. In Budapest ist es mir nicht passiert, daß ein Schalterbeamter
kein Deutsch konnte, aber in Preßburg, ausgerechnet in dieser deutschbevMertcn
Stadt an der österreichischen Grenze, da mußte es vorkommen! Ebensowenig
dürfte es im künstigen mitteleuropäischen Bunde noch passieren, daß die
ungarische Post alte, deutsche Ortsnamen nicht kennen will. Natürlich haben
die Magyarjn das Recht, ihre Orte ungarisch zu nennen, aber sie dürfen das
Vorhandensein der deutschen Ortsnamen doch wenigstens nicht übersehen. Da
schreiben z. B. die deutschgeschriebenen Zeitungen in Budapest die magyarischen
Ortsnamen mitten im deutschen Text. Dabei gebraucht jedermann in Ungarn,
wenn er deutsch spricht, die deutschen Ortsnamen Preßburg, Ofen, Kronstäbe.
Auch der Stockmagyar sagt, wenn er ein deutsches Gespräch führt, nicht
Poszony, Buda, Brasso. Aber die deutschen Zeitungen müssen offenbar so
schreiben. Was aus Preßburg berichtet wird, muß in ihnen unter der Rubrik
"Poszony" erscheinen. Dabei braucht man nur einmal abends durch die alten
Gassen dieser Stadt "Poszony" zu gehen, am Martinsdom oder nach der
Burg hinauf, wenn die Einwohner ihren sommerlichen Feierabend vor den
Haustüren genießen: man wird kaum ein magyarisches Wort zu hören be¬
kommen, alles spricht deutsch! Ich betrachte es als eine Aufgabe der deutschen
und österreichischen Verkehrsverwaltungen (Posten, Eisenbahnen und ähnliches),
an den maßgebenden Stellen der bundesbrüderlichen Verwaltung in Ungarn
solange in geeigneter Form Vorstellungen zu erheben" bis die deutschen Orts¬
namen im deutschen Sprachgebrauch in Ungarn auch amtlich wieder anerkannt
werden. Im magyarischen Sprachgebrauch soll natürlich auch die deutscheste
Stadt Ungarns nur magyarisch genannt werden.

Die Magyaren dürsen gegen solche Vorstellungen nicht einwenden, was
den Deutschen recht sei, sei dann auch den anderen Nationalitäten billig.
Natürlich kann die Regierung eines straffen Staates eine vielsprachige Bunt-
scheckigkeit im amtlichen Gebrauch nicht dulden. Aber in einem Ungarn, das
dem größeren mitteleuropäischen Zusammenhange sich einordnet, ist die deutsche
Sprache eben nicht mehr Nationalitätenidiom, sondern i^ob s^-x-ro; des
Ganzen. Das alte Römerreich war gewiß kein schwacher Staat und hat sich
doch nicht darauf versteift, nur lateinisch zu sprechen, sondern hat das Griechische
von vornherein als Verkehrs- und Kulturhilfsspmche zugelassen. So wird auch
Ungarn an Ruhm und Ansehen nicht verlieren, wenn es durch Anerkennung des
Deutschen sich entschlossen als mitteleuropäische Macht bekennt; im Gegenteil!

Politisch haben die Magyaren von der deutschen Sprache gar nichts zu
fürchten. Sobald sie dem mitteleuropäischen Kultur- und Wirtschaftsinteresse
Rechnung tragen, stehen ja Deutschland und Ungarn auf derselben weltgeschicht'
lichen Partei. Es ist doch nicht Laune, was uns im Kriege zueinandergebwcht
hat, und was uns auch im Frieden bei einer Fahne zusammenhalten muß-
Nicht um den ungarischen Siaatsgedanken zu schwächen, empfehlen wir unseren
Verbündeten die Anerkennung und Pflege der deutschen Sprache im eigenen


Der mitteleuropäische Gedanke

Deutsch können. In Budapest ist es mir nicht passiert, daß ein Schalterbeamter
kein Deutsch konnte, aber in Preßburg, ausgerechnet in dieser deutschbevMertcn
Stadt an der österreichischen Grenze, da mußte es vorkommen! Ebensowenig
dürfte es im künstigen mitteleuropäischen Bunde noch passieren, daß die
ungarische Post alte, deutsche Ortsnamen nicht kennen will. Natürlich haben
die Magyarjn das Recht, ihre Orte ungarisch zu nennen, aber sie dürfen das
Vorhandensein der deutschen Ortsnamen doch wenigstens nicht übersehen. Da
schreiben z. B. die deutschgeschriebenen Zeitungen in Budapest die magyarischen
Ortsnamen mitten im deutschen Text. Dabei gebraucht jedermann in Ungarn,
wenn er deutsch spricht, die deutschen Ortsnamen Preßburg, Ofen, Kronstäbe.
Auch der Stockmagyar sagt, wenn er ein deutsches Gespräch führt, nicht
Poszony, Buda, Brasso. Aber die deutschen Zeitungen müssen offenbar so
schreiben. Was aus Preßburg berichtet wird, muß in ihnen unter der Rubrik
„Poszony" erscheinen. Dabei braucht man nur einmal abends durch die alten
Gassen dieser Stadt „Poszony" zu gehen, am Martinsdom oder nach der
Burg hinauf, wenn die Einwohner ihren sommerlichen Feierabend vor den
Haustüren genießen: man wird kaum ein magyarisches Wort zu hören be¬
kommen, alles spricht deutsch! Ich betrachte es als eine Aufgabe der deutschen
und österreichischen Verkehrsverwaltungen (Posten, Eisenbahnen und ähnliches),
an den maßgebenden Stellen der bundesbrüderlichen Verwaltung in Ungarn
solange in geeigneter Form Vorstellungen zu erheben» bis die deutschen Orts¬
namen im deutschen Sprachgebrauch in Ungarn auch amtlich wieder anerkannt
werden. Im magyarischen Sprachgebrauch soll natürlich auch die deutscheste
Stadt Ungarns nur magyarisch genannt werden.

Die Magyaren dürsen gegen solche Vorstellungen nicht einwenden, was
den Deutschen recht sei, sei dann auch den anderen Nationalitäten billig.
Natürlich kann die Regierung eines straffen Staates eine vielsprachige Bunt-
scheckigkeit im amtlichen Gebrauch nicht dulden. Aber in einem Ungarn, das
dem größeren mitteleuropäischen Zusammenhange sich einordnet, ist die deutsche
Sprache eben nicht mehr Nationalitätenidiom, sondern i^ob s^-x-ro; des
Ganzen. Das alte Römerreich war gewiß kein schwacher Staat und hat sich
doch nicht darauf versteift, nur lateinisch zu sprechen, sondern hat das Griechische
von vornherein als Verkehrs- und Kulturhilfsspmche zugelassen. So wird auch
Ungarn an Ruhm und Ansehen nicht verlieren, wenn es durch Anerkennung des
Deutschen sich entschlossen als mitteleuropäische Macht bekennt; im Gegenteil!

Politisch haben die Magyaren von der deutschen Sprache gar nichts zu
fürchten. Sobald sie dem mitteleuropäischen Kultur- und Wirtschaftsinteresse
Rechnung tragen, stehen ja Deutschland und Ungarn auf derselben weltgeschicht'
lichen Partei. Es ist doch nicht Laune, was uns im Kriege zueinandergebwcht
hat, und was uns auch im Frieden bei einer Fahne zusammenhalten muß-
Nicht um den ungarischen Siaatsgedanken zu schwächen, empfehlen wir unseren
Verbündeten die Anerkennung und Pflege der deutschen Sprache im eigenen


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[0390] Der mitteleuropäische Gedanke Deutsch können. In Budapest ist es mir nicht passiert, daß ein Schalterbeamter kein Deutsch konnte, aber in Preßburg, ausgerechnet in dieser deutschbevMertcn Stadt an der österreichischen Grenze, da mußte es vorkommen! Ebensowenig dürfte es im künstigen mitteleuropäischen Bunde noch passieren, daß die ungarische Post alte, deutsche Ortsnamen nicht kennen will. Natürlich haben die Magyarjn das Recht, ihre Orte ungarisch zu nennen, aber sie dürfen das Vorhandensein der deutschen Ortsnamen doch wenigstens nicht übersehen. Da schreiben z. B. die deutschgeschriebenen Zeitungen in Budapest die magyarischen Ortsnamen mitten im deutschen Text. Dabei gebraucht jedermann in Ungarn, wenn er deutsch spricht, die deutschen Ortsnamen Preßburg, Ofen, Kronstäbe. Auch der Stockmagyar sagt, wenn er ein deutsches Gespräch führt, nicht Poszony, Buda, Brasso. Aber die deutschen Zeitungen müssen offenbar so schreiben. Was aus Preßburg berichtet wird, muß in ihnen unter der Rubrik „Poszony" erscheinen. Dabei braucht man nur einmal abends durch die alten Gassen dieser Stadt „Poszony" zu gehen, am Martinsdom oder nach der Burg hinauf, wenn die Einwohner ihren sommerlichen Feierabend vor den Haustüren genießen: man wird kaum ein magyarisches Wort zu hören be¬ kommen, alles spricht deutsch! Ich betrachte es als eine Aufgabe der deutschen und österreichischen Verkehrsverwaltungen (Posten, Eisenbahnen und ähnliches), an den maßgebenden Stellen der bundesbrüderlichen Verwaltung in Ungarn solange in geeigneter Form Vorstellungen zu erheben» bis die deutschen Orts¬ namen im deutschen Sprachgebrauch in Ungarn auch amtlich wieder anerkannt werden. Im magyarischen Sprachgebrauch soll natürlich auch die deutscheste Stadt Ungarns nur magyarisch genannt werden. Die Magyaren dürsen gegen solche Vorstellungen nicht einwenden, was den Deutschen recht sei, sei dann auch den anderen Nationalitäten billig. Natürlich kann die Regierung eines straffen Staates eine vielsprachige Bunt- scheckigkeit im amtlichen Gebrauch nicht dulden. Aber in einem Ungarn, das dem größeren mitteleuropäischen Zusammenhange sich einordnet, ist die deutsche Sprache eben nicht mehr Nationalitätenidiom, sondern i^ob s^-x-ro; des Ganzen. Das alte Römerreich war gewiß kein schwacher Staat und hat sich doch nicht darauf versteift, nur lateinisch zu sprechen, sondern hat das Griechische von vornherein als Verkehrs- und Kulturhilfsspmche zugelassen. So wird auch Ungarn an Ruhm und Ansehen nicht verlieren, wenn es durch Anerkennung des Deutschen sich entschlossen als mitteleuropäische Macht bekennt; im Gegenteil! Politisch haben die Magyaren von der deutschen Sprache gar nichts zu fürchten. Sobald sie dem mitteleuropäischen Kultur- und Wirtschaftsinteresse Rechnung tragen, stehen ja Deutschland und Ungarn auf derselben weltgeschicht' lichen Partei. Es ist doch nicht Laune, was uns im Kriege zueinandergebwcht hat, und was uns auch im Frieden bei einer Fahne zusammenhalten muß- Nicht um den ungarischen Siaatsgedanken zu schwächen, empfehlen wir unseren Verbündeten die Anerkennung und Pflege der deutschen Sprache im eigenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/390>, abgerufen am 01.07.2024.