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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Schwedische Stimmungen

aktiven Neutralität zu einer passiven führen wollte. Denn im Rahmen dieser
aktiven Neutralität nur kann die schwedische Regierung -- welche es auch sei --
damit rechnen, das Staatsschiff auch noch bei längerer Kriegsdauer an allen
gefährlichen Strudeln vorbeizuführen. -- Großbritanniens wirtschaftliches Gewicht
in Schweden ist dank dem U-Bootkriege bis auf weiteres gleich Null und es
würde sich beim Eintritt Schwedens in den Krieg auf die Ententeseite nicht
um ein Lot vergrößern.

Wenn Guinchard noch vor vier Jahren in seinem schon erwähnten statisti¬
schen Werk über Schweden*) schreiben konnte. "Großbritannien ist zur Zeit der
größte Abnehmer der wichtigsten schwedischen Ausfuhrwaren und der Lieferant
für beinahe die gesamte Steinkohle, die in Schweden verbraucht wird", so trifft
dies schon seit länger als einem Jahr nicht mehr zu. In den beiden letzten
Monaten ist keine Tonne englischer Kohle mehr nach Schweden gekommen, da-
für aber 370 000 Tonnen deutscher. Im ganzen hat Schweden in den beiden
abgelaufenen Jahren von Deutschland allein 6 750 000 Tonnen Steinkohlen er¬
halten, was die Aufrechterhaltung der industriellen Betriebe überhaupt nur
möglich machte. Welche Bedeutung die 220 000 Tonnen'"') Kali und die
300 000 Tonnen Salz für sein materielles Dasein haben, die Deutschland in
den letzten zwei Jahren geliefert hat. wird von der schwedischen Presse schon jetzt
unumwunden anerkannt. Und. -- worauf die Konservativen gern hinweisen, --
aller dieser Handel mit Deutschland wickelt sich ab. ohne damit einen politischen
Druck auf Schweden auszuüben und seine politische Selbständigkeit zu bedrohen.

Angesichts dieser Sachlage ist kaum anzunehmen, daß selbst ein großer
Sieg der Branting-Sozialisten zu einer einschneidenden Wendung in der Außen¬
politik führen könnte; ich möchte sogar glauben, daß. je schroffer und weit¬
gehender die Forderungen Brantings gehen werden, sich bei den Liberalen, die
großes Interesse an der Wiederbelebung des Handels haben. Stimmungen
entwickeln, die sie bei einigem Entgegenkommen von den beteiligten Faktoren
an die Seite der Rechten führen.




Mehr läßt sich im Augenblick übe/die politischen Stimmungen in Schweden
nicht gut einleitend sagen, soll ich mich nicht auf das Glatteis der Prophe-
Zeiungen begeben Die Wahlen sind im Gange. Die Hoffnung auf das Zu¬
standekommen der internationalen Sozialistenkonferenz in Stockholm wrrd von
ihren geistigen Vätern mit allen Mitteln lebendig erhalten; der Holländer Troelstra
verspricht sich noch eine Wendung zum Erfolg durch die Berichte die d:e von
den Ententeländern zurückkehrenden Russen mitbringen könnten, ^zwischen lst
das politische Leben unerwartet neuen Bestrahlungen ausgesetzt: der Durchbruch




*) a. a. O. Bd. II S. S82. ^ ^ . .
*
^*) Ein schwedischer Statistiker berechnet, d°ß diese 220 000 Tonnen K°l. em-in Mehr
"der Weniger von 3,9 Millionen Tonnen Kartoffeln, je nachdem ste Mefert werden oder- acht
entsprechen.
Schwedische Stimmungen

aktiven Neutralität zu einer passiven führen wollte. Denn im Rahmen dieser
aktiven Neutralität nur kann die schwedische Regierung — welche es auch sei —
damit rechnen, das Staatsschiff auch noch bei längerer Kriegsdauer an allen
gefährlichen Strudeln vorbeizuführen. — Großbritanniens wirtschaftliches Gewicht
in Schweden ist dank dem U-Bootkriege bis auf weiteres gleich Null und es
würde sich beim Eintritt Schwedens in den Krieg auf die Ententeseite nicht
um ein Lot vergrößern.

Wenn Guinchard noch vor vier Jahren in seinem schon erwähnten statisti¬
schen Werk über Schweden*) schreiben konnte. „Großbritannien ist zur Zeit der
größte Abnehmer der wichtigsten schwedischen Ausfuhrwaren und der Lieferant
für beinahe die gesamte Steinkohle, die in Schweden verbraucht wird", so trifft
dies schon seit länger als einem Jahr nicht mehr zu. In den beiden letzten
Monaten ist keine Tonne englischer Kohle mehr nach Schweden gekommen, da-
für aber 370 000 Tonnen deutscher. Im ganzen hat Schweden in den beiden
abgelaufenen Jahren von Deutschland allein 6 750 000 Tonnen Steinkohlen er¬
halten, was die Aufrechterhaltung der industriellen Betriebe überhaupt nur
möglich machte. Welche Bedeutung die 220 000 Tonnen'"') Kali und die
300 000 Tonnen Salz für sein materielles Dasein haben, die Deutschland in
den letzten zwei Jahren geliefert hat. wird von der schwedischen Presse schon jetzt
unumwunden anerkannt. Und. — worauf die Konservativen gern hinweisen, —
aller dieser Handel mit Deutschland wickelt sich ab. ohne damit einen politischen
Druck auf Schweden auszuüben und seine politische Selbständigkeit zu bedrohen.

Angesichts dieser Sachlage ist kaum anzunehmen, daß selbst ein großer
Sieg der Branting-Sozialisten zu einer einschneidenden Wendung in der Außen¬
politik führen könnte; ich möchte sogar glauben, daß. je schroffer und weit¬
gehender die Forderungen Brantings gehen werden, sich bei den Liberalen, die
großes Interesse an der Wiederbelebung des Handels haben. Stimmungen
entwickeln, die sie bei einigem Entgegenkommen von den beteiligten Faktoren
an die Seite der Rechten führen.




Mehr läßt sich im Augenblick übe/die politischen Stimmungen in Schweden
nicht gut einleitend sagen, soll ich mich nicht auf das Glatteis der Prophe-
Zeiungen begeben Die Wahlen sind im Gange. Die Hoffnung auf das Zu¬
standekommen der internationalen Sozialistenkonferenz in Stockholm wrrd von
ihren geistigen Vätern mit allen Mitteln lebendig erhalten; der Holländer Troelstra
verspricht sich noch eine Wendung zum Erfolg durch die Berichte die d:e von
den Ententeländern zurückkehrenden Russen mitbringen könnten, ^zwischen lst
das politische Leben unerwartet neuen Bestrahlungen ausgesetzt: der Durchbruch




*) a. a. O. Bd. II S. S82. ^ ^ . .
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^*) Ein schwedischer Statistiker berechnet, d°ß diese 220 000 Tonnen K°l. em-in Mehr
"der Weniger von 3,9 Millionen Tonnen Kartoffeln, je nachdem ste Mefert werden oder- acht
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[0373] Schwedische Stimmungen aktiven Neutralität zu einer passiven führen wollte. Denn im Rahmen dieser aktiven Neutralität nur kann die schwedische Regierung — welche es auch sei — damit rechnen, das Staatsschiff auch noch bei längerer Kriegsdauer an allen gefährlichen Strudeln vorbeizuführen. — Großbritanniens wirtschaftliches Gewicht in Schweden ist dank dem U-Bootkriege bis auf weiteres gleich Null und es würde sich beim Eintritt Schwedens in den Krieg auf die Ententeseite nicht um ein Lot vergrößern. Wenn Guinchard noch vor vier Jahren in seinem schon erwähnten statisti¬ schen Werk über Schweden*) schreiben konnte. „Großbritannien ist zur Zeit der größte Abnehmer der wichtigsten schwedischen Ausfuhrwaren und der Lieferant für beinahe die gesamte Steinkohle, die in Schweden verbraucht wird", so trifft dies schon seit länger als einem Jahr nicht mehr zu. In den beiden letzten Monaten ist keine Tonne englischer Kohle mehr nach Schweden gekommen, da- für aber 370 000 Tonnen deutscher. Im ganzen hat Schweden in den beiden abgelaufenen Jahren von Deutschland allein 6 750 000 Tonnen Steinkohlen er¬ halten, was die Aufrechterhaltung der industriellen Betriebe überhaupt nur möglich machte. Welche Bedeutung die 220 000 Tonnen'"') Kali und die 300 000 Tonnen Salz für sein materielles Dasein haben, die Deutschland in den letzten zwei Jahren geliefert hat. wird von der schwedischen Presse schon jetzt unumwunden anerkannt. Und. — worauf die Konservativen gern hinweisen, — aller dieser Handel mit Deutschland wickelt sich ab. ohne damit einen politischen Druck auf Schweden auszuüben und seine politische Selbständigkeit zu bedrohen. Angesichts dieser Sachlage ist kaum anzunehmen, daß selbst ein großer Sieg der Branting-Sozialisten zu einer einschneidenden Wendung in der Außen¬ politik führen könnte; ich möchte sogar glauben, daß. je schroffer und weit¬ gehender die Forderungen Brantings gehen werden, sich bei den Liberalen, die großes Interesse an der Wiederbelebung des Handels haben. Stimmungen entwickeln, die sie bei einigem Entgegenkommen von den beteiligten Faktoren an die Seite der Rechten führen. Mehr läßt sich im Augenblick übe/die politischen Stimmungen in Schweden nicht gut einleitend sagen, soll ich mich nicht auf das Glatteis der Prophe- Zeiungen begeben Die Wahlen sind im Gange. Die Hoffnung auf das Zu¬ standekommen der internationalen Sozialistenkonferenz in Stockholm wrrd von ihren geistigen Vätern mit allen Mitteln lebendig erhalten; der Holländer Troelstra verspricht sich noch eine Wendung zum Erfolg durch die Berichte die d:e von den Ententeländern zurückkehrenden Russen mitbringen könnten, ^zwischen lst das politische Leben unerwartet neuen Bestrahlungen ausgesetzt: der Durchbruch *) a. a. O. Bd. II S. S82. ^ ^ . . * ^*) Ein schwedischer Statistiker berechnet, d°ß diese 220 000 Tonnen K°l. em-in Mehr "der Weniger von 3,9 Millionen Tonnen Kartoffeln, je nachdem ste Mefert werden oder- acht entsprechen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/373>, abgerufen am 23.06.2024.