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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Schwedische Stimmungen

durchschlagenden Wahlerfolge der Sozialisten durch den König mit der Kabinetts¬
bildung beauftragt werden könnte. Ich mochte nicht prophezeien, -- aber doch
sagen, daß ich es nicht glaube.

Es wurde schon gesagt, daß in Schweden keine Begeisterung für den Ein¬
tritt in den Krieg herrscht, seit er sich als ein Wirtschaftskrieg erwiesen hat.
Die Schweden sind neutral! aktiv neutral! Die Rechte hat seinerzeit, als es
im Interesse der Nation zu liegen schien, für den Anschluß an Deutschland
gewirkt, -- die Linke unter Branting wirkt gegenwärtig für einen Anschluß
an die Entente. Die Arbeitermassen wollen überhaupt keinen Krieg, erst recht
keinen solchen im Winter. Sie wollen im Gegenteil bald Frieden und noch
stärkere Beteiligung an den Kriegsgewinnen der Unternehmer. Branting scheint
dem Gedanken zu huldigen, daß er mit Hilfe der internationalen Sozialisten
Schweden zwingen könne, seine aktive Neutralität in den Dienst des sozialistischen
Friedens zu stellen, der aber eine völlige Niederwerfung Deutschlands, des
Siegers auf allen Schlachtfeldern dieses Krieges, zur Voraussetzung hat. Herr
Branting hat mir zwar versichert, er habe nie und nirgends dem Wunsche
Ausdruck gegeben, Deutschland vernichten zu wollen. Dieser Versicherung stehe
ich durchaus gläubig gegenüber. Aber nicht auf gesprochene und geschriebene
Worte kommt es an, sondern auf die Taten, und die zielen geradenwegs auf
unsere Existenz. Wenn Herx Branting Schweden zum Anschluß an die Entente
führen will, so will er den Ring, der uns entsprechend den Worten der eng¬
lischen Staatsmänner alle Lebensmöglichkeit abschnüren soll, im Norden schließen.
Nach drei Jahren Kriegserfahrung würde freilich nicht so sehr Deutschland
durch den Eintritt Schwedens in die Reihe seiner Feinde getroffen werden,
wie vielmehr Schweden und damit die Wähler Brantings selbst.

In Herrn Brantings Rechnung ist nämlich ein Loch. Er unterschätzt die
Bedeutung Deutschlands als sicheren Abnehmer schwedischer und zuverlässigen
Lieferanten deutscher Erzeugnisse. Er unterschätzt auch die Bedeutung der
U-Bootwaffe für den großbritannischen und amerikanischen Handel und er ver¬
kennt vollständig die weltpolitischen Absichten Großbritanniens, wenn es noch
in diesem Stadium des Krieges Schweden zum Eingreifen zwingen will.
Es sei in diesem Zusammenhange nur an die Rollen erinnert, die England
in der Skandinavischen Frage und in der Ostseefrage seit Jahren spielt*); es
will einen ungehinderten Weg nach Rußland haben, um dort die Erbschaft der
Deutschen antreten zu können und dazu bedarf es der Ostsee und ein von sich
abhängiges Skandinavien. Schwedens Selbständigkeit aber ist hin, wenn es
durch Wirtschaftskrisen in revolutionäre Erschütterungen hineingetrieben wird.
In solche schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise würde Herr Branting
das Land führen, wenn er Schweden zur Abkehr von seiner zielbewußter



Sehr zurzeit sind die Ausführungen von Herrn Professor Wittschewsky in Heft 3S
und 37 der "Grenzboten" gekommen.
Schwedische Stimmungen

durchschlagenden Wahlerfolge der Sozialisten durch den König mit der Kabinetts¬
bildung beauftragt werden könnte. Ich mochte nicht prophezeien, — aber doch
sagen, daß ich es nicht glaube.

Es wurde schon gesagt, daß in Schweden keine Begeisterung für den Ein¬
tritt in den Krieg herrscht, seit er sich als ein Wirtschaftskrieg erwiesen hat.
Die Schweden sind neutral! aktiv neutral! Die Rechte hat seinerzeit, als es
im Interesse der Nation zu liegen schien, für den Anschluß an Deutschland
gewirkt, — die Linke unter Branting wirkt gegenwärtig für einen Anschluß
an die Entente. Die Arbeitermassen wollen überhaupt keinen Krieg, erst recht
keinen solchen im Winter. Sie wollen im Gegenteil bald Frieden und noch
stärkere Beteiligung an den Kriegsgewinnen der Unternehmer. Branting scheint
dem Gedanken zu huldigen, daß er mit Hilfe der internationalen Sozialisten
Schweden zwingen könne, seine aktive Neutralität in den Dienst des sozialistischen
Friedens zu stellen, der aber eine völlige Niederwerfung Deutschlands, des
Siegers auf allen Schlachtfeldern dieses Krieges, zur Voraussetzung hat. Herr
Branting hat mir zwar versichert, er habe nie und nirgends dem Wunsche
Ausdruck gegeben, Deutschland vernichten zu wollen. Dieser Versicherung stehe
ich durchaus gläubig gegenüber. Aber nicht auf gesprochene und geschriebene
Worte kommt es an, sondern auf die Taten, und die zielen geradenwegs auf
unsere Existenz. Wenn Herx Branting Schweden zum Anschluß an die Entente
führen will, so will er den Ring, der uns entsprechend den Worten der eng¬
lischen Staatsmänner alle Lebensmöglichkeit abschnüren soll, im Norden schließen.
Nach drei Jahren Kriegserfahrung würde freilich nicht so sehr Deutschland
durch den Eintritt Schwedens in die Reihe seiner Feinde getroffen werden,
wie vielmehr Schweden und damit die Wähler Brantings selbst.

In Herrn Brantings Rechnung ist nämlich ein Loch. Er unterschätzt die
Bedeutung Deutschlands als sicheren Abnehmer schwedischer und zuverlässigen
Lieferanten deutscher Erzeugnisse. Er unterschätzt auch die Bedeutung der
U-Bootwaffe für den großbritannischen und amerikanischen Handel und er ver¬
kennt vollständig die weltpolitischen Absichten Großbritanniens, wenn es noch
in diesem Stadium des Krieges Schweden zum Eingreifen zwingen will.
Es sei in diesem Zusammenhange nur an die Rollen erinnert, die England
in der Skandinavischen Frage und in der Ostseefrage seit Jahren spielt*); es
will einen ungehinderten Weg nach Rußland haben, um dort die Erbschaft der
Deutschen antreten zu können und dazu bedarf es der Ostsee und ein von sich
abhängiges Skandinavien. Schwedens Selbständigkeit aber ist hin, wenn es
durch Wirtschaftskrisen in revolutionäre Erschütterungen hineingetrieben wird.
In solche schweren wirtschaftlichen und sozialen Krise würde Herr Branting
das Land führen, wenn er Schweden zur Abkehr von seiner zielbewußter



Sehr zurzeit sind die Ausführungen von Herrn Professor Wittschewsky in Heft 3S
und 37 der „Grenzboten" gekommen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/372>, abgerufen am 25.07.2024.