Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Bemerkungen zum Tage

weiteres zu erzielen gewesen. Alle diese Kreise brauchten nur ein Banner, um
das sie sich scharen konnten; aber eben das fehlte.

Was aber vor allem fehlte, war eine eigene Aktion der Regierung. Wenn
Herr Michaelis der Friedensresolution ein festes eigenes Programm entgegengestellt
hätte, ist tausend gegen eins zu wetten, daß er irgendeine Majorität gefunden
hätte. Er betonte mit starker Stimme, daß er sich die Initiative behalten werde,
aber man sah doch nichts davon. Er erklärte sich mit Worten für die Friedens¬
resolution der Linken, machte dabei aber zum mindesten eine stark beruhigende
Geste nach rechts. Er ermahnte, die Nerven zu behalten, aber er bot doch allen
denen, die ihre Nerven noch beisammen hatten, keinen Mittelpunkt, um den sie
sich hätten scharen können.

Tatsache ist: die Friedensresolution ist das einzige positive Programm, das
die letzte Zeit aufzuweisen hat. Und das ist auch der Grund, warum so zahl¬
reiche Elemente ihm zugestimmt haben, die im Herzen lieber etwas anderes ge¬
sehen hätten, aber beseelt waren von der Empfindung, daß doch irgendeine
Willensbildung stattfinden müsse.

Aus demselben Gedankengange stammt aber auch die Forderung des Par¬
lamentarismus. Man empfindet es, daß man nicht nach Bismarckscher Tradition
einem festen Regierungsprogramm gegenübersteht, zu dem man Stellung nehmen
kann so oder so. Man kommt daher mit Notwendigkeit auf den Gedanken, dieses
Programm selber zu schaffen, und das nennt man dann Parlamentarismus. Die
weitere Folge ist dann die Forderung, bestimmte Parteivertreter auf die Minister¬
sessel zu setzen, um das Programm nun auch durchzuführen.

Nun frage ich bei alledem: Warum macht die Rechte das nicht selbst?
Warum macht sie kein starkes deutsches Gegenprogramm und sucht dafür eine
Mehrheit zu bekommen? Natürlich muß auch hier nachgegeben werden. Auf
die nach der anderen Seite hin ebenso unbestimmten wie uferlosen Pläne des
Grafen Reventlow kann man keine Mehrheit bekommen. Aber für ein scharf um-
rissenes "deutsches" Friedensprogramm wäre ganz gewiß eine Mehrheit zu finden.
Und wenn dann der Reichskanzler sich entschlösse, einem solchen Programm ohne
alle Einschränkung zuzustimmen, dann könnten wir dem Auslande eine feste deutsche
Willensmeinung präsentieren, die den Frieden besser fördern würde als alles andere.

Daß meine eigene freikonservative Partei keinen Versuch in der Richtung
gemacht hat, bedauere ich natürlich am meisten. Sie hätte nach ihrem ganzen
Charakter und ihrer Geschichte geradezu die Pflicht dazu gehabt.

Aber das Ganze ist noch gar nicht zu spät! Wir können auch heute noch
die Sache erfolgreich in die Hand nehmen! Ihr Männer der rechtsstehenden
Parteien, ihr Nationalliberalen, ihr Zentrumsleute, die ihr die Resolution nur
""t halbem Herzen mitgemacht habt, tut euch doch zusammen! Muß denn em
Parlamentarismus nur von links kommen? Dreht doch das gegen euch gerichtete
Geschütz um und bedient es selber! Der Reichskanzler wird dann schon mit¬
lachen und es kann dahingestellt bleiben, wer in Wahrheit die Initiative hat.
Die Hauptsache ist ein einheitlicher, auf Regierung und Volksvertretung gleicher¬
maßen gegründeter starker deutscher Wille!!!


prof-ffor Dr. Brett (Marburg), M, d. A.


Bemerkungen zum Tage

weiteres zu erzielen gewesen. Alle diese Kreise brauchten nur ein Banner, um
das sie sich scharen konnten; aber eben das fehlte.

Was aber vor allem fehlte, war eine eigene Aktion der Regierung. Wenn
Herr Michaelis der Friedensresolution ein festes eigenes Programm entgegengestellt
hätte, ist tausend gegen eins zu wetten, daß er irgendeine Majorität gefunden
hätte. Er betonte mit starker Stimme, daß er sich die Initiative behalten werde,
aber man sah doch nichts davon. Er erklärte sich mit Worten für die Friedens¬
resolution der Linken, machte dabei aber zum mindesten eine stark beruhigende
Geste nach rechts. Er ermahnte, die Nerven zu behalten, aber er bot doch allen
denen, die ihre Nerven noch beisammen hatten, keinen Mittelpunkt, um den sie
sich hätten scharen können.

Tatsache ist: die Friedensresolution ist das einzige positive Programm, das
die letzte Zeit aufzuweisen hat. Und das ist auch der Grund, warum so zahl¬
reiche Elemente ihm zugestimmt haben, die im Herzen lieber etwas anderes ge¬
sehen hätten, aber beseelt waren von der Empfindung, daß doch irgendeine
Willensbildung stattfinden müsse.

Aus demselben Gedankengange stammt aber auch die Forderung des Par¬
lamentarismus. Man empfindet es, daß man nicht nach Bismarckscher Tradition
einem festen Regierungsprogramm gegenübersteht, zu dem man Stellung nehmen
kann so oder so. Man kommt daher mit Notwendigkeit auf den Gedanken, dieses
Programm selber zu schaffen, und das nennt man dann Parlamentarismus. Die
weitere Folge ist dann die Forderung, bestimmte Parteivertreter auf die Minister¬
sessel zu setzen, um das Programm nun auch durchzuführen.

Nun frage ich bei alledem: Warum macht die Rechte das nicht selbst?
Warum macht sie kein starkes deutsches Gegenprogramm und sucht dafür eine
Mehrheit zu bekommen? Natürlich muß auch hier nachgegeben werden. Auf
die nach der anderen Seite hin ebenso unbestimmten wie uferlosen Pläne des
Grafen Reventlow kann man keine Mehrheit bekommen. Aber für ein scharf um-
rissenes „deutsches" Friedensprogramm wäre ganz gewiß eine Mehrheit zu finden.
Und wenn dann der Reichskanzler sich entschlösse, einem solchen Programm ohne
alle Einschränkung zuzustimmen, dann könnten wir dem Auslande eine feste deutsche
Willensmeinung präsentieren, die den Frieden besser fördern würde als alles andere.

Daß meine eigene freikonservative Partei keinen Versuch in der Richtung
gemacht hat, bedauere ich natürlich am meisten. Sie hätte nach ihrem ganzen
Charakter und ihrer Geschichte geradezu die Pflicht dazu gehabt.

Aber das Ganze ist noch gar nicht zu spät! Wir können auch heute noch
die Sache erfolgreich in die Hand nehmen! Ihr Männer der rechtsstehenden
Parteien, ihr Nationalliberalen, ihr Zentrumsleute, die ihr die Resolution nur
""t halbem Herzen mitgemacht habt, tut euch doch zusammen! Muß denn em
Parlamentarismus nur von links kommen? Dreht doch das gegen euch gerichtete
Geschütz um und bedient es selber! Der Reichskanzler wird dann schon mit¬
lachen und es kann dahingestellt bleiben, wer in Wahrheit die Initiative hat.
Die Hauptsache ist ein einheitlicher, auf Regierung und Volksvertretung gleicher¬
maßen gegründeter starker deutscher Wille!!!


prof-ffor Dr. Brett (Marburg), M, d. A.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0361" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332640"/>
            <fw type="header" place="top"> Bemerkungen zum Tage</fw><lb/>
            <p xml:id="ID_1127" prev="#ID_1126"> weiteres zu erzielen gewesen. Alle diese Kreise brauchten nur ein Banner, um<lb/>
das sie sich scharen konnten; aber eben das fehlte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1128"> Was aber vor allem fehlte, war eine eigene Aktion der Regierung. Wenn<lb/>
Herr Michaelis der Friedensresolution ein festes eigenes Programm entgegengestellt<lb/>
hätte, ist tausend gegen eins zu wetten, daß er irgendeine Majorität gefunden<lb/>
hätte. Er betonte mit starker Stimme, daß er sich die Initiative behalten werde,<lb/>
aber man sah doch nichts davon. Er erklärte sich mit Worten für die Friedens¬<lb/>
resolution der Linken, machte dabei aber zum mindesten eine stark beruhigende<lb/>
Geste nach rechts. Er ermahnte, die Nerven zu behalten, aber er bot doch allen<lb/>
denen, die ihre Nerven noch beisammen hatten, keinen Mittelpunkt, um den sie<lb/>
sich hätten scharen können.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1129"> Tatsache ist: die Friedensresolution ist das einzige positive Programm, das<lb/>
die letzte Zeit aufzuweisen hat. Und das ist auch der Grund, warum so zahl¬<lb/>
reiche Elemente ihm zugestimmt haben, die im Herzen lieber etwas anderes ge¬<lb/>
sehen hätten, aber beseelt waren von der Empfindung, daß doch irgendeine<lb/>
Willensbildung stattfinden müsse.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1130"> Aus demselben Gedankengange stammt aber auch die Forderung des Par¬<lb/>
lamentarismus. Man empfindet es, daß man nicht nach Bismarckscher Tradition<lb/>
einem festen Regierungsprogramm gegenübersteht, zu dem man Stellung nehmen<lb/>
kann so oder so. Man kommt daher mit Notwendigkeit auf den Gedanken, dieses<lb/>
Programm selber zu schaffen, und das nennt man dann Parlamentarismus. Die<lb/>
weitere Folge ist dann die Forderung, bestimmte Parteivertreter auf die Minister¬<lb/>
sessel zu setzen, um das Programm nun auch durchzuführen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1131"> Nun frage ich bei alledem: Warum macht die Rechte das nicht selbst?<lb/>
Warum macht sie kein starkes deutsches Gegenprogramm und sucht dafür eine<lb/>
Mehrheit zu bekommen? Natürlich muß auch hier nachgegeben werden. Auf<lb/>
die nach der anderen Seite hin ebenso unbestimmten wie uferlosen Pläne des<lb/>
Grafen Reventlow kann man keine Mehrheit bekommen. Aber für ein scharf um-<lb/>
rissenes &#x201E;deutsches" Friedensprogramm wäre ganz gewiß eine Mehrheit zu finden.<lb/>
Und wenn dann der Reichskanzler sich entschlösse, einem solchen Programm ohne<lb/>
alle Einschränkung zuzustimmen, dann könnten wir dem Auslande eine feste deutsche<lb/>
Willensmeinung präsentieren, die den Frieden besser fördern würde als alles andere.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1132"> Daß meine eigene freikonservative Partei keinen Versuch in der Richtung<lb/>
gemacht hat, bedauere ich natürlich am meisten. Sie hätte nach ihrem ganzen<lb/>
Charakter und ihrer Geschichte geradezu die Pflicht dazu gehabt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1133"> Aber das Ganze ist noch gar nicht zu spät! Wir können auch heute noch<lb/>
die Sache erfolgreich in die Hand nehmen! Ihr Männer der rechtsstehenden<lb/>
Parteien, ihr Nationalliberalen, ihr Zentrumsleute, die ihr die Resolution nur<lb/>
""t halbem Herzen mitgemacht habt, tut euch doch zusammen! Muß denn em<lb/>
Parlamentarismus nur von links kommen? Dreht doch das gegen euch gerichtete<lb/>
Geschütz um und bedient es selber! Der Reichskanzler wird dann schon mit¬<lb/>
lachen und es kann dahingestellt bleiben, wer in Wahrheit die Initiative hat.<lb/>
Die Hauptsache ist ein einheitlicher, auf Regierung und Volksvertretung gleicher¬<lb/>
maßen gegründeter starker deutscher Wille!!!</p><lb/>
            <note type="byline"> prof-ffor Dr. Brett (Marburg), M, d. A.</note><lb/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0361] Bemerkungen zum Tage weiteres zu erzielen gewesen. Alle diese Kreise brauchten nur ein Banner, um das sie sich scharen konnten; aber eben das fehlte. Was aber vor allem fehlte, war eine eigene Aktion der Regierung. Wenn Herr Michaelis der Friedensresolution ein festes eigenes Programm entgegengestellt hätte, ist tausend gegen eins zu wetten, daß er irgendeine Majorität gefunden hätte. Er betonte mit starker Stimme, daß er sich die Initiative behalten werde, aber man sah doch nichts davon. Er erklärte sich mit Worten für die Friedens¬ resolution der Linken, machte dabei aber zum mindesten eine stark beruhigende Geste nach rechts. Er ermahnte, die Nerven zu behalten, aber er bot doch allen denen, die ihre Nerven noch beisammen hatten, keinen Mittelpunkt, um den sie sich hätten scharen können. Tatsache ist: die Friedensresolution ist das einzige positive Programm, das die letzte Zeit aufzuweisen hat. Und das ist auch der Grund, warum so zahl¬ reiche Elemente ihm zugestimmt haben, die im Herzen lieber etwas anderes ge¬ sehen hätten, aber beseelt waren von der Empfindung, daß doch irgendeine Willensbildung stattfinden müsse. Aus demselben Gedankengange stammt aber auch die Forderung des Par¬ lamentarismus. Man empfindet es, daß man nicht nach Bismarckscher Tradition einem festen Regierungsprogramm gegenübersteht, zu dem man Stellung nehmen kann so oder so. Man kommt daher mit Notwendigkeit auf den Gedanken, dieses Programm selber zu schaffen, und das nennt man dann Parlamentarismus. Die weitere Folge ist dann die Forderung, bestimmte Parteivertreter auf die Minister¬ sessel zu setzen, um das Programm nun auch durchzuführen. Nun frage ich bei alledem: Warum macht die Rechte das nicht selbst? Warum macht sie kein starkes deutsches Gegenprogramm und sucht dafür eine Mehrheit zu bekommen? Natürlich muß auch hier nachgegeben werden. Auf die nach der anderen Seite hin ebenso unbestimmten wie uferlosen Pläne des Grafen Reventlow kann man keine Mehrheit bekommen. Aber für ein scharf um- rissenes „deutsches" Friedensprogramm wäre ganz gewiß eine Mehrheit zu finden. Und wenn dann der Reichskanzler sich entschlösse, einem solchen Programm ohne alle Einschränkung zuzustimmen, dann könnten wir dem Auslande eine feste deutsche Willensmeinung präsentieren, die den Frieden besser fördern würde als alles andere. Daß meine eigene freikonservative Partei keinen Versuch in der Richtung gemacht hat, bedauere ich natürlich am meisten. Sie hätte nach ihrem ganzen Charakter und ihrer Geschichte geradezu die Pflicht dazu gehabt. Aber das Ganze ist noch gar nicht zu spät! Wir können auch heute noch die Sache erfolgreich in die Hand nehmen! Ihr Männer der rechtsstehenden Parteien, ihr Nationalliberalen, ihr Zentrumsleute, die ihr die Resolution nur ""t halbem Herzen mitgemacht habt, tut euch doch zusammen! Muß denn em Parlamentarismus nur von links kommen? Dreht doch das gegen euch gerichtete Geschütz um und bedient es selber! Der Reichskanzler wird dann schon mit¬ lachen und es kann dahingestellt bleiben, wer in Wahrheit die Initiative hat. Die Hauptsache ist ein einheitlicher, auf Regierung und Volksvertretung gleicher¬ maßen gegründeter starker deutscher Wille!!! prof-ffor Dr. Brett (Marburg), M, d. A.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/361
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/361>, abgerufen am 03.07.2024.