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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel

Sophie wurde bisher kurzweg als Schlegels Amsterdamer Geliebte bezeichnet,
über deren Person nichts Näheres bekannt sei-"). Mir ist es nicht zweifelhaft,
daß jene geheimnisvolle Sophie, deren Bild Friedrich Schlegel von dem Bruder
gern geschickt haben wollte^). Frau Tischbein war; denn die wenigen Tatsachen,
die wir Friedrichs Briefen entnehmen können, passen unzweifelhaft ganz vor-
füglich auf ihre Person. Von Sophie hören wir durch Friedrich Schlegel nur
in den Jahren 1792 bis 1794, also nur zu der Zeit, als Tischbeins sich in
Amsterdam aufhielten. Nach Friedrichs Äußerungen ist Sophie "eine schöne
Frau"-"), die "vortrefflich singt" ^) und in deren Briefen sich "wahre Weib¬
lichkeit" -">) findet. Friedrich vermutet in ihr eine Holländerin, doch hat Wilhelm
sie seinem Bruder ausdrücklich als eine Deutsche bezeichnet^). Aus Caroline
Böhmers an Wilhelm Schlegel gerichteter Frage-"): "Du zähltest den Mann
unter deine Freunde?" ergibt sich, daß Sophiens Mann mit Schlegel befreundet
war. Im Sommer 1794 weilt Sophie auf dem Landes, und in der Tat
wohnten Tischbeins um diese Zeit zum Sommeraufenthalt im Schlosse eines
Herrn von Scherenberg ^).n

Sophie Tischbein und keine andere also kann die schöne Sängern sei.
SU deren Preis Wilhelm Schlegel 1792 das tiefempfundene Sonett "Gesang
und Kuß" dichtete^). Und auch zu den Sonetten "An Doris", "Auf die
Arme der Geliebten". "Die Flucht der Stunden"-°) dürfte der für Frauen-
schönheit schnell begeisterte jugendliche Dichter-") durch den Zauber, der von
ihrer Persönlichkeit ausging, angeregt worden sein. Über die Gründe, welche
Wilhelm Schlegel bestimmten, seine Schwärmerei für Sophie Tischbein dem
Bruder und Caroline Böhmer gegenüber in ein undurchsichtiges Dunkel zu
hüllen, lassen sich nur Vermutungen äußern. Offenbar suchte Schlegel alles zu
vermeiden, was dem guten Rufe des Ehepaares Tischbein, das ihm so freundlich
entgegengekommen war, irgendwie schaden konnte. Vor allem aber sollte Caroline
Böhmer über die Frau, der er seine dichterischen Huldigungen darbrachte, um
keinen Preis etwas Näheres erfahren, weil er mit Recht ihre Eifersucht fürchtete.













^So^Haym a, °. O. 163 und Walzel, F. Schlegels Briefe S, IX und 48 An-
""-rkung i.
^) Vgl. F. Schlegels Briefe ö3 und 67.
^
) Ebenda 109.
2°) Ebenda 48 und 85.
Ebenda 80.
Ebenda 18S.
Ebenda K7.
Ebenda 189.
^
Sämtliche Werke I 334--336.
") Vgl. Grenzboten I 1914. 492.
°°) SieheF.SchleqelsBriefe 48 und A. W. von Schlegelssämtlieereerau¬
geben von Mcking Is. XIII und 333. - Veröffentlicht hat Schlegel das Sonett zuerst in
Schillers Musenalmanach für 1799 S. 157.
^enzboten III 1917 ^
Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel

Sophie wurde bisher kurzweg als Schlegels Amsterdamer Geliebte bezeichnet,
über deren Person nichts Näheres bekannt sei-«). Mir ist es nicht zweifelhaft,
daß jene geheimnisvolle Sophie, deren Bild Friedrich Schlegel von dem Bruder
gern geschickt haben wollte^). Frau Tischbein war; denn die wenigen Tatsachen,
die wir Friedrichs Briefen entnehmen können, passen unzweifelhaft ganz vor-
füglich auf ihre Person. Von Sophie hören wir durch Friedrich Schlegel nur
in den Jahren 1792 bis 1794, also nur zu der Zeit, als Tischbeins sich in
Amsterdam aufhielten. Nach Friedrichs Äußerungen ist Sophie „eine schöne
Frau"-«), die „vortrefflich singt" ^) und in deren Briefen sich „wahre Weib¬
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unter deine Freunde?" ergibt sich, daß Sophiens Mann mit Schlegel befreundet
war. Im Sommer 1794 weilt Sophie auf dem Landes, und in der Tat
wohnten Tischbeins um diese Zeit zum Sommeraufenthalt im Schlosse eines
Herrn von Scherenberg ^).n

Sophie Tischbein und keine andere also kann die schöne Sängern sei.
SU deren Preis Wilhelm Schlegel 1792 das tiefempfundene Sonett „Gesang
und Kuß" dichtete^). Und auch zu den Sonetten „An Doris", „Auf die
Arme der Geliebten". „Die Flucht der Stunden"-°) dürfte der für Frauen-
schönheit schnell begeisterte jugendliche Dichter-") durch den Zauber, der von
ihrer Persönlichkeit ausging, angeregt worden sein. Über die Gründe, welche
Wilhelm Schlegel bestimmten, seine Schwärmerei für Sophie Tischbein dem
Bruder und Caroline Böhmer gegenüber in ein undurchsichtiges Dunkel zu
hüllen, lassen sich nur Vermutungen äußern. Offenbar suchte Schlegel alles zu
vermeiden, was dem guten Rufe des Ehepaares Tischbein, das ihm so freundlich
entgegengekommen war, irgendwie schaden konnte. Vor allem aber sollte Caroline
Böhmer über die Frau, der er seine dichterischen Huldigungen darbrachte, um
keinen Preis etwas Näheres erfahren, weil er mit Recht ihre Eifersucht fürchtete.













^So^Haym a, °. O. 163 und Walzel, F. Schlegels Briefe S, IX und 48 An-
«"-rkung i.
^) Vgl. F. Schlegels Briefe ö3 und 67.
^
) Ebenda 109.
2°) Ebenda 48 und 85.
Ebenda 80.
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Ebenda 189.
^
Sämtliche Werke I 334—336.
") Vgl. Grenzboten I 1914. 492.
°°) SieheF.SchleqelsBriefe 48 und A. W. von Schlegelssämtlieereerau¬
geben von Mcking Is. XIII und 333. - Veröffentlicht hat Schlegel das Sonett zuerst in
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[0317] Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel Sophie wurde bisher kurzweg als Schlegels Amsterdamer Geliebte bezeichnet, über deren Person nichts Näheres bekannt sei-«). Mir ist es nicht zweifelhaft, daß jene geheimnisvolle Sophie, deren Bild Friedrich Schlegel von dem Bruder gern geschickt haben wollte^). Frau Tischbein war; denn die wenigen Tatsachen, die wir Friedrichs Briefen entnehmen können, passen unzweifelhaft ganz vor- füglich auf ihre Person. Von Sophie hören wir durch Friedrich Schlegel nur in den Jahren 1792 bis 1794, also nur zu der Zeit, als Tischbeins sich in Amsterdam aufhielten. Nach Friedrichs Äußerungen ist Sophie „eine schöne Frau"-«), die „vortrefflich singt" ^) und in deren Briefen sich „wahre Weib¬ lichkeit" -">) findet. Friedrich vermutet in ihr eine Holländerin, doch hat Wilhelm sie seinem Bruder ausdrücklich als eine Deutsche bezeichnet^). Aus Caroline Böhmers an Wilhelm Schlegel gerichteter Frage-"): „Du zähltest den Mann unter deine Freunde?" ergibt sich, daß Sophiens Mann mit Schlegel befreundet war. Im Sommer 1794 weilt Sophie auf dem Landes, und in der Tat wohnten Tischbeins um diese Zeit zum Sommeraufenthalt im Schlosse eines Herrn von Scherenberg ^).n Sophie Tischbein und keine andere also kann die schöne Sängern sei. SU deren Preis Wilhelm Schlegel 1792 das tiefempfundene Sonett „Gesang und Kuß" dichtete^). Und auch zu den Sonetten „An Doris", „Auf die Arme der Geliebten". „Die Flucht der Stunden"-°) dürfte der für Frauen- schönheit schnell begeisterte jugendliche Dichter-") durch den Zauber, der von ihrer Persönlichkeit ausging, angeregt worden sein. Über die Gründe, welche Wilhelm Schlegel bestimmten, seine Schwärmerei für Sophie Tischbein dem Bruder und Caroline Böhmer gegenüber in ein undurchsichtiges Dunkel zu hüllen, lassen sich nur Vermutungen äußern. Offenbar suchte Schlegel alles zu vermeiden, was dem guten Rufe des Ehepaares Tischbein, das ihm so freundlich entgegengekommen war, irgendwie schaden konnte. Vor allem aber sollte Caroline Böhmer über die Frau, der er seine dichterischen Huldigungen darbrachte, um keinen Preis etwas Näheres erfahren, weil er mit Recht ihre Eifersucht fürchtete. ^So^Haym a, °. O. 163 und Walzel, F. Schlegels Briefe S, IX und 48 An- «"-rkung i. ^) Vgl. F. Schlegels Briefe ö3 und 67. ^ ) Ebenda 109. 2°) Ebenda 48 und 85. Ebenda 80. Ebenda 18S. Ebenda K7. Ebenda 189. ^ Sämtliche Werke I 334—336. ") Vgl. Grenzboten I 1914. 492. °°) SieheF.SchleqelsBriefe 48 und A. W. von Schlegelssämtlieereerau¬ geben von Mcking Is. XIII und 333. - Veröffentlicht hat Schlegel das Sonett zuerst in Schillers Musenalmanach für 1799 S. 157. ^enzboten III 1917 ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/317>, abgerufen am 03.07.2024.