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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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daß sie ihre eigentliche Aufgabe erfüllt hat. Dann hat sie ihr Teil dazu bei¬
getragen, die schlimmste der Zukunft unseres Bolkes drohende Gefahr zu bannen.

Noch einmal seien die Vorzüge des Fehlerbenrechts zusammengestellt:

1. Dem Reich wird eine Einnahmequelle von großem Umfang (über eine
Milliarde jährlich) bei verhältnismäßig einfacher Erhebungsmöglichkeit geschaffen.

2. Es bestehen keine Bedenken der Bundesstaaten gegen Übernahme der
Fehlerbenabgabe durch das Reich.

3. Die Abgabe ist gerecht, denn es werden nur diejenigen herangezogen,
die der Gemeinschaft gegenüber weniger durch Erziehung von Kindern geleistet
haben als andere.

4. Sie belastet nur leistungsfähige Bevölkerungsklassen als solche. Dem
einzelnen gegenüber bedeutet sie überhaupt keinen Eingriff in seine Vermögens¬
rechte, der Familie gegenüber (von Ausnahmefällen abgesehen) nur, wenn der
natürliche Familiensinn bereits derart schwach entwickelt ist, daß er einer Ver¬
minderung der Geburtenzahl nicht mehr entgegensteht. Dabei handelt es sich
keineswegs um eine Abgabe auf das Vermögen (Erbschaftssteuer), denn auch
das größte Vermögen bleibt frei, wenn genügend körperliche Erben vor¬
handen sind.

5. Das Fehlerbenrecht wirkt vermögenteilend, indem es die Weitergabe
größerer Vermögen an einen einzigen Erben hindert. Es bedeutet dadurch ein
außerordentlich wirksames Mittel zur Erhaltung einer gesunden Schicht mittleren
Besitzes.

6. Die Tatsache des Fehlerbenrechtes zwingt einen jeden, sich mit dem
Gedanken zu beschäftigen, daß die willkürliche Minderung der Geburtenzahl eine
Schädigung der Allgemeinheit bedeutet.

7. Das Fehlerbenrecht wirkt, in Verbindung mit anderen Maßnahmen
(Aufwandsteuern. Junggesellensteuer, Hebung der Rechtslage des unehelichen
Kindes) den Ursachen der Geburtenminderung entgegen. Es hebt auf mese
Weise die Volkskraft, unmittelbar bei den Besitzenden, mittelbar durch den
Einfluß ihres Beispiels auch bei den großen Massen.

Selbstverständlich ist der Zweck dieser Ausführungen nur. den Grund¬
gedanken des Fehlerbenrechtes darzulegen.

Nur eines sei nochmals betont: so ungeheuer auch die Einnahmen des
Reiches aus dem Fehlerbenrechte sein mögen, der Zweck ist ein anderer. Hebung
der Geburtenzahl, denn ohne diese vermag das Reich, trotz aller Siege, auf
die Dauer nicht zu bestehen. Tiefer ist der Eingriff, sicherlich, aber auch größer
der Zweck, größer vor allem auch die Wirkung, die dieses Mittel haben mürb,
weil es die Ursache, nicht die Erscheinung des Übels bekämpft. Und wichtiger
als überkommenes Recht -- mehr als einmal haben wir es in diesen Jahren
gezeigt -- ist uns die Zukunft des Reiches.

Nachdem ich diese Zeilen geschrieben, kam mir das Büchlein "Der Pflicht-
teil des Reiches" von Dr. Kuczynski und Dr. Mansfeld zu Gesicht (Berlin 1917).


daß sie ihre eigentliche Aufgabe erfüllt hat. Dann hat sie ihr Teil dazu bei¬
getragen, die schlimmste der Zukunft unseres Bolkes drohende Gefahr zu bannen.

Noch einmal seien die Vorzüge des Fehlerbenrechts zusammengestellt:

1. Dem Reich wird eine Einnahmequelle von großem Umfang (über eine
Milliarde jährlich) bei verhältnismäßig einfacher Erhebungsmöglichkeit geschaffen.

2. Es bestehen keine Bedenken der Bundesstaaten gegen Übernahme der
Fehlerbenabgabe durch das Reich.

3. Die Abgabe ist gerecht, denn es werden nur diejenigen herangezogen,
die der Gemeinschaft gegenüber weniger durch Erziehung von Kindern geleistet
haben als andere.

4. Sie belastet nur leistungsfähige Bevölkerungsklassen als solche. Dem
einzelnen gegenüber bedeutet sie überhaupt keinen Eingriff in seine Vermögens¬
rechte, der Familie gegenüber (von Ausnahmefällen abgesehen) nur, wenn der
natürliche Familiensinn bereits derart schwach entwickelt ist, daß er einer Ver¬
minderung der Geburtenzahl nicht mehr entgegensteht. Dabei handelt es sich
keineswegs um eine Abgabe auf das Vermögen (Erbschaftssteuer), denn auch
das größte Vermögen bleibt frei, wenn genügend körperliche Erben vor¬
handen sind.

5. Das Fehlerbenrecht wirkt vermögenteilend, indem es die Weitergabe
größerer Vermögen an einen einzigen Erben hindert. Es bedeutet dadurch ein
außerordentlich wirksames Mittel zur Erhaltung einer gesunden Schicht mittleren
Besitzes.

6. Die Tatsache des Fehlerbenrechtes zwingt einen jeden, sich mit dem
Gedanken zu beschäftigen, daß die willkürliche Minderung der Geburtenzahl eine
Schädigung der Allgemeinheit bedeutet.

7. Das Fehlerbenrecht wirkt, in Verbindung mit anderen Maßnahmen
(Aufwandsteuern. Junggesellensteuer, Hebung der Rechtslage des unehelichen
Kindes) den Ursachen der Geburtenminderung entgegen. Es hebt auf mese
Weise die Volkskraft, unmittelbar bei den Besitzenden, mittelbar durch den
Einfluß ihres Beispiels auch bei den großen Massen.

Selbstverständlich ist der Zweck dieser Ausführungen nur. den Grund¬
gedanken des Fehlerbenrechtes darzulegen.

Nur eines sei nochmals betont: so ungeheuer auch die Einnahmen des
Reiches aus dem Fehlerbenrechte sein mögen, der Zweck ist ein anderer. Hebung
der Geburtenzahl, denn ohne diese vermag das Reich, trotz aller Siege, auf
die Dauer nicht zu bestehen. Tiefer ist der Eingriff, sicherlich, aber auch größer
der Zweck, größer vor allem auch die Wirkung, die dieses Mittel haben mürb,
weil es die Ursache, nicht die Erscheinung des Übels bekämpft. Und wichtiger
als überkommenes Recht — mehr als einmal haben wir es in diesen Jahren
gezeigt — ist uns die Zukunft des Reiches.

Nachdem ich diese Zeilen geschrieben, kam mir das Büchlein „Der Pflicht-
teil des Reiches" von Dr. Kuczynski und Dr. Mansfeld zu Gesicht (Berlin 1917).


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[0313] daß sie ihre eigentliche Aufgabe erfüllt hat. Dann hat sie ihr Teil dazu bei¬ getragen, die schlimmste der Zukunft unseres Bolkes drohende Gefahr zu bannen. Noch einmal seien die Vorzüge des Fehlerbenrechts zusammengestellt: 1. Dem Reich wird eine Einnahmequelle von großem Umfang (über eine Milliarde jährlich) bei verhältnismäßig einfacher Erhebungsmöglichkeit geschaffen. 2. Es bestehen keine Bedenken der Bundesstaaten gegen Übernahme der Fehlerbenabgabe durch das Reich. 3. Die Abgabe ist gerecht, denn es werden nur diejenigen herangezogen, die der Gemeinschaft gegenüber weniger durch Erziehung von Kindern geleistet haben als andere. 4. Sie belastet nur leistungsfähige Bevölkerungsklassen als solche. Dem einzelnen gegenüber bedeutet sie überhaupt keinen Eingriff in seine Vermögens¬ rechte, der Familie gegenüber (von Ausnahmefällen abgesehen) nur, wenn der natürliche Familiensinn bereits derart schwach entwickelt ist, daß er einer Ver¬ minderung der Geburtenzahl nicht mehr entgegensteht. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Abgabe auf das Vermögen (Erbschaftssteuer), denn auch das größte Vermögen bleibt frei, wenn genügend körperliche Erben vor¬ handen sind. 5. Das Fehlerbenrecht wirkt vermögenteilend, indem es die Weitergabe größerer Vermögen an einen einzigen Erben hindert. Es bedeutet dadurch ein außerordentlich wirksames Mittel zur Erhaltung einer gesunden Schicht mittleren Besitzes. 6. Die Tatsache des Fehlerbenrechtes zwingt einen jeden, sich mit dem Gedanken zu beschäftigen, daß die willkürliche Minderung der Geburtenzahl eine Schädigung der Allgemeinheit bedeutet. 7. Das Fehlerbenrecht wirkt, in Verbindung mit anderen Maßnahmen (Aufwandsteuern. Junggesellensteuer, Hebung der Rechtslage des unehelichen Kindes) den Ursachen der Geburtenminderung entgegen. Es hebt auf mese Weise die Volkskraft, unmittelbar bei den Besitzenden, mittelbar durch den Einfluß ihres Beispiels auch bei den großen Massen. Selbstverständlich ist der Zweck dieser Ausführungen nur. den Grund¬ gedanken des Fehlerbenrechtes darzulegen. Nur eines sei nochmals betont: so ungeheuer auch die Einnahmen des Reiches aus dem Fehlerbenrechte sein mögen, der Zweck ist ein anderer. Hebung der Geburtenzahl, denn ohne diese vermag das Reich, trotz aller Siege, auf die Dauer nicht zu bestehen. Tiefer ist der Eingriff, sicherlich, aber auch größer der Zweck, größer vor allem auch die Wirkung, die dieses Mittel haben mürb, weil es die Ursache, nicht die Erscheinung des Übels bekämpft. Und wichtiger als überkommenes Recht — mehr als einmal haben wir es in diesen Jahren gezeigt — ist uns die Zukunft des Reiches. Nachdem ich diese Zeilen geschrieben, kam mir das Büchlein „Der Pflicht- teil des Reiches" von Dr. Kuczynski und Dr. Mansfeld zu Gesicht (Berlin 1917).

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/313>, abgerufen am 29.06.2024.