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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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von der Herkunft der baltischen Geschlechter

Kamen. Auch der Krummstab Dorpats hat öfters in Händen von Westfalen
geruht. Um 1460 treffen wir hier als Bischof einen Heinins von Mallinkrodt.
der kurz vorher noch Kanonikus in Kappenberg war. Auch sein Nachfolger
Andreas Peyer ist ein Sohn der roten Erde gewesen, geboren in Bocholt, wirkte
er. bevor er nach Livland kam, als Propst in Beckum. Im nächsten Jahr¬
hundert erhielt Jobst von der Recke das Bistum Dorpat; er starb später in
Münster. Damals war Bischof von Münster. Osnabrück und Paderborn Graf
Johann von Hoya. der in Neval erzogen wurde und dessen Mutter die Schwester
des ersten Schwedenkönigs aus dem Hause Wasa war.

Die wundersamsten Lebensschicksale hatte Bernhard von der Lippe, der.
anfangs zum Geistlichen bestimmt, nach Empfang der Weihen mit päpstlicher
Erlaubnis in seinen weltlichen Stand zurücktrat, heiratete und so das heutige
fürstliche Haus Lippe vor dem Aussterben bewahrte. Am Abend seines Lebens
Zog er sich ins Kloster zurück, bis der Aufruf zu den Kreuzzügen nach Livland
in seine stille Zelle drang. Wieder griff er zum Schwerte/ vertauschte das
Mönchsgewand mit dem Panzer. Bald aber finden wir ihn wiederum in dem
Berufe, zu dem er anfänglich bestimmt war; nach mehrjähriger Wirksamkeit
beschloß er als Abt und Bischof 1224 in Livland sein tatenreiches Leben.

Der eigentliche Mittelpunkt des Adels im Lande war der Ritterorden. Die
hier vorkommenden Namen finden wir meist auch im Klerus und im Landadel
wieder. Jedenfalls blieb das Westfalentum im Orden- am reinsten gewahrt,
und alle Versuche des Hochmeisters in Preußen, dem ja der livländische Orden,
der frühere Schwertorden, seit 1237 unterstand, hier maßgebenden Einfluß zu
erlangen, sind gescheitert. Öfters ist zwar der Landmeister in Livland aus
dem preußischen Orden gestellt worden, ein Recht, das dem Hochmeister ja
formell zustand. Aber seit etwa 1435 bis zum Untergange des Ordens haben
nur Westfalen als Ordensmeister die Geschicke Liolands geleitet, darunter die
Plettenberg. Recke, Fürstenberg, Kettler. Wolter von Plettenberg. Liolands
größter Ordensmeister, hat 1502 in einem glänzenden Siege mit einem kleinen
Heere die an Zahl weit überlegenen Russen vernichtend geschlagen und. ganz
wie unser Hindenburg Ostpreußen, damals die baltischen Lande von den
russischen Horden befreit. So gewaltigen Respekt hatte er ihnen eingeflößt, daß
sie 50 Jahre hindurch keine größeren Angriffe mehr wagten.

Auch unter den Gebietigern des Ordens sind die Westfalen herrschend.
Von der Stelle des Landmeisters herab bis zur unbedeutendsten Vogtei sind
die Ntchtwestfalen Ausnahmen. Besonders zahlreich sind die Westfalen natürlich
w den wichtigeren Komtureien wie Reval, Riga. Fellen, Wenden. Da sind
vornehmlich zu nennen die Vittinghof, Galen. Lappe. Brügger. Recke. Weddige,
Vinke von Overberg, Strünkede, Tort, Mallinkrodt, Neuhoff gen. Lep. Busche,
^ngen, Stael von Holstein, Mengede. Brock gen. Plater. Hane. Wolf gen.
Lüdinghausen, Münster, Stryck. Syberg, Herike, Ducker, Domhof, Fresendorp.
Loe. Kettler. Wickede, Frydag. Alten", Plettenberg u. v. a.


von der Herkunft der baltischen Geschlechter

Kamen. Auch der Krummstab Dorpats hat öfters in Händen von Westfalen
geruht. Um 1460 treffen wir hier als Bischof einen Heinins von Mallinkrodt.
der kurz vorher noch Kanonikus in Kappenberg war. Auch sein Nachfolger
Andreas Peyer ist ein Sohn der roten Erde gewesen, geboren in Bocholt, wirkte
er. bevor er nach Livland kam, als Propst in Beckum. Im nächsten Jahr¬
hundert erhielt Jobst von der Recke das Bistum Dorpat; er starb später in
Münster. Damals war Bischof von Münster. Osnabrück und Paderborn Graf
Johann von Hoya. der in Neval erzogen wurde und dessen Mutter die Schwester
des ersten Schwedenkönigs aus dem Hause Wasa war.

Die wundersamsten Lebensschicksale hatte Bernhard von der Lippe, der.
anfangs zum Geistlichen bestimmt, nach Empfang der Weihen mit päpstlicher
Erlaubnis in seinen weltlichen Stand zurücktrat, heiratete und so das heutige
fürstliche Haus Lippe vor dem Aussterben bewahrte. Am Abend seines Lebens
Zog er sich ins Kloster zurück, bis der Aufruf zu den Kreuzzügen nach Livland
in seine stille Zelle drang. Wieder griff er zum Schwerte/ vertauschte das
Mönchsgewand mit dem Panzer. Bald aber finden wir ihn wiederum in dem
Berufe, zu dem er anfänglich bestimmt war; nach mehrjähriger Wirksamkeit
beschloß er als Abt und Bischof 1224 in Livland sein tatenreiches Leben.

Der eigentliche Mittelpunkt des Adels im Lande war der Ritterorden. Die
hier vorkommenden Namen finden wir meist auch im Klerus und im Landadel
wieder. Jedenfalls blieb das Westfalentum im Orden- am reinsten gewahrt,
und alle Versuche des Hochmeisters in Preußen, dem ja der livländische Orden,
der frühere Schwertorden, seit 1237 unterstand, hier maßgebenden Einfluß zu
erlangen, sind gescheitert. Öfters ist zwar der Landmeister in Livland aus
dem preußischen Orden gestellt worden, ein Recht, das dem Hochmeister ja
formell zustand. Aber seit etwa 1435 bis zum Untergange des Ordens haben
nur Westfalen als Ordensmeister die Geschicke Liolands geleitet, darunter die
Plettenberg. Recke, Fürstenberg, Kettler. Wolter von Plettenberg. Liolands
größter Ordensmeister, hat 1502 in einem glänzenden Siege mit einem kleinen
Heere die an Zahl weit überlegenen Russen vernichtend geschlagen und. ganz
wie unser Hindenburg Ostpreußen, damals die baltischen Lande von den
russischen Horden befreit. So gewaltigen Respekt hatte er ihnen eingeflößt, daß
sie 50 Jahre hindurch keine größeren Angriffe mehr wagten.

Auch unter den Gebietigern des Ordens sind die Westfalen herrschend.
Von der Stelle des Landmeisters herab bis zur unbedeutendsten Vogtei sind
die Ntchtwestfalen Ausnahmen. Besonders zahlreich sind die Westfalen natürlich
w den wichtigeren Komtureien wie Reval, Riga. Fellen, Wenden. Da sind
vornehmlich zu nennen die Vittinghof, Galen. Lappe. Brügger. Recke. Weddige,
Vinke von Overberg, Strünkede, Tort, Mallinkrodt, Neuhoff gen. Lep. Busche,
^ngen, Stael von Holstein, Mengede. Brock gen. Plater. Hane. Wolf gen.
Lüdinghausen, Münster, Stryck. Syberg, Herike, Ducker, Domhof, Fresendorp.
Loe. Kettler. Wickede, Frydag. Alten«, Plettenberg u. v. a.


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[0257] von der Herkunft der baltischen Geschlechter Kamen. Auch der Krummstab Dorpats hat öfters in Händen von Westfalen geruht. Um 1460 treffen wir hier als Bischof einen Heinins von Mallinkrodt. der kurz vorher noch Kanonikus in Kappenberg war. Auch sein Nachfolger Andreas Peyer ist ein Sohn der roten Erde gewesen, geboren in Bocholt, wirkte er. bevor er nach Livland kam, als Propst in Beckum. Im nächsten Jahr¬ hundert erhielt Jobst von der Recke das Bistum Dorpat; er starb später in Münster. Damals war Bischof von Münster. Osnabrück und Paderborn Graf Johann von Hoya. der in Neval erzogen wurde und dessen Mutter die Schwester des ersten Schwedenkönigs aus dem Hause Wasa war. Die wundersamsten Lebensschicksale hatte Bernhard von der Lippe, der. anfangs zum Geistlichen bestimmt, nach Empfang der Weihen mit päpstlicher Erlaubnis in seinen weltlichen Stand zurücktrat, heiratete und so das heutige fürstliche Haus Lippe vor dem Aussterben bewahrte. Am Abend seines Lebens Zog er sich ins Kloster zurück, bis der Aufruf zu den Kreuzzügen nach Livland in seine stille Zelle drang. Wieder griff er zum Schwerte/ vertauschte das Mönchsgewand mit dem Panzer. Bald aber finden wir ihn wiederum in dem Berufe, zu dem er anfänglich bestimmt war; nach mehrjähriger Wirksamkeit beschloß er als Abt und Bischof 1224 in Livland sein tatenreiches Leben. Der eigentliche Mittelpunkt des Adels im Lande war der Ritterorden. Die hier vorkommenden Namen finden wir meist auch im Klerus und im Landadel wieder. Jedenfalls blieb das Westfalentum im Orden- am reinsten gewahrt, und alle Versuche des Hochmeisters in Preußen, dem ja der livländische Orden, der frühere Schwertorden, seit 1237 unterstand, hier maßgebenden Einfluß zu erlangen, sind gescheitert. Öfters ist zwar der Landmeister in Livland aus dem preußischen Orden gestellt worden, ein Recht, das dem Hochmeister ja formell zustand. Aber seit etwa 1435 bis zum Untergange des Ordens haben nur Westfalen als Ordensmeister die Geschicke Liolands geleitet, darunter die Plettenberg. Recke, Fürstenberg, Kettler. Wolter von Plettenberg. Liolands größter Ordensmeister, hat 1502 in einem glänzenden Siege mit einem kleinen Heere die an Zahl weit überlegenen Russen vernichtend geschlagen und. ganz wie unser Hindenburg Ostpreußen, damals die baltischen Lande von den russischen Horden befreit. So gewaltigen Respekt hatte er ihnen eingeflößt, daß sie 50 Jahre hindurch keine größeren Angriffe mehr wagten. Auch unter den Gebietigern des Ordens sind die Westfalen herrschend. Von der Stelle des Landmeisters herab bis zur unbedeutendsten Vogtei sind die Ntchtwestfalen Ausnahmen. Besonders zahlreich sind die Westfalen natürlich w den wichtigeren Komtureien wie Reval, Riga. Fellen, Wenden. Da sind vornehmlich zu nennen die Vittinghof, Galen. Lappe. Brügger. Recke. Weddige, Vinke von Overberg, Strünkede, Tort, Mallinkrodt, Neuhoff gen. Lep. Busche, ^ngen, Stael von Holstein, Mengede. Brock gen. Plater. Hane. Wolf gen. Lüdinghausen, Münster, Stryck. Syberg, Herike, Ducker, Domhof, Fresendorp. Loe. Kettler. Wickede, Frydag. Alten«, Plettenberg u. v. a.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/257>, abgerufen am 04.07.2024.