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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Lin verhältniswahlverfahren als politisches Machtmittel

um die Deutschen mit dem Hinweise darauf in Sicherheit zu wiegen, daß den
Amerikanern durch die Japaner doch eigentlich die Hände gebunden seien.

Zurzeit hat England eine amerikanisch-japanische Verständigung oder
wenigstens einen Waffenstillstand veranlaßt. Wie lange er dauert, läßt sich
nicht übersehen. England wird aber alles aufbieten, um einen Zusammenstoß
zwischen seinen beiden Bundesgenossen zu verhindern.

Erst in späteren Jahren wird vielleicht auch in diesem Teile der Welt
eine Abrechnung erfolgen. Erst dann würde Deutschland aus dem amerikanisch-
japanischen Gegensatze Nutzen ziehen können.




Ein Verhältniswahlverfahren
als politisches Nachtmittel der stärksten Partei
von Dr. Riekes, Direktor des Statistischen Amts,

er "Tag" vom 27. April d. I. brachte unter der Spitzmarke
"Mut zur Wahrheit" bemerkenswerte Ausführungen des Abgeord¬
neten Dr. Südekum über die Frage der preußischen Wahlrechts¬
reform. Da auch in den Verhandlungen des Verfassungs¬
ausschusses des NeichZtags das Verhältniswahlsystem eine Rolle
gespielt hat, dürften die Vorschläge, die Südekum hierzu macht, erhöhtes Inter¬
esse beanspruchen.

Das positive Ergebnis seiner Betrachtungen besteht darin, daß er in Über¬
einstimmung mit Vorschlägen von Hugo Preuß, und zwar für eine etwaige
preußische Konstituante, ein bestimmtes Verhältniswahlverfahren empfiehlt: jeder
Wahlberechtigte soll danach das Recht haben, auf einem Stimmzettel den Mann
seines Vertrauens zu benennen; "die, sagen wir vierhundert, am höchsten Be¬
stimmter, sind damit in die grundlegende Vertretung gewählt worden." Der
ganze Staat gilt dabei als ein einziger Wahlbezirk.

Die allgemeinen Wirkungen eines solchen WahlverfahrenZ kennzeichnet
Südekum selbst unter Benutzung der Namen verstorbener Politiker dahin, daß
von zehn Millionen Stimmen dann vielleicht sechs auf wenige prominente
Persönlichkeiten wie Bismarck, Babel, Windthorst, Eugen Richter. Levetzow,
Bennigsen, Moltke und Mommsen entfallen würden, während dreihundertund-
zweiundneunzig Abgeordnete von "einem Teil der noch verbleibenden vier
Millionen" gewählt sein würden.

So könnte es in der Tat kommen.


Lin verhältniswahlverfahren als politisches Machtmittel

um die Deutschen mit dem Hinweise darauf in Sicherheit zu wiegen, daß den
Amerikanern durch die Japaner doch eigentlich die Hände gebunden seien.

Zurzeit hat England eine amerikanisch-japanische Verständigung oder
wenigstens einen Waffenstillstand veranlaßt. Wie lange er dauert, läßt sich
nicht übersehen. England wird aber alles aufbieten, um einen Zusammenstoß
zwischen seinen beiden Bundesgenossen zu verhindern.

Erst in späteren Jahren wird vielleicht auch in diesem Teile der Welt
eine Abrechnung erfolgen. Erst dann würde Deutschland aus dem amerikanisch-
japanischen Gegensatze Nutzen ziehen können.




Ein Verhältniswahlverfahren
als politisches Nachtmittel der stärksten Partei
von Dr. Riekes, Direktor des Statistischen Amts,

er „Tag" vom 27. April d. I. brachte unter der Spitzmarke
„Mut zur Wahrheit" bemerkenswerte Ausführungen des Abgeord¬
neten Dr. Südekum über die Frage der preußischen Wahlrechts¬
reform. Da auch in den Verhandlungen des Verfassungs¬
ausschusses des NeichZtags das Verhältniswahlsystem eine Rolle
gespielt hat, dürften die Vorschläge, die Südekum hierzu macht, erhöhtes Inter¬
esse beanspruchen.

Das positive Ergebnis seiner Betrachtungen besteht darin, daß er in Über¬
einstimmung mit Vorschlägen von Hugo Preuß, und zwar für eine etwaige
preußische Konstituante, ein bestimmtes Verhältniswahlverfahren empfiehlt: jeder
Wahlberechtigte soll danach das Recht haben, auf einem Stimmzettel den Mann
seines Vertrauens zu benennen; „die, sagen wir vierhundert, am höchsten Be¬
stimmter, sind damit in die grundlegende Vertretung gewählt worden." Der
ganze Staat gilt dabei als ein einziger Wahlbezirk.

Die allgemeinen Wirkungen eines solchen WahlverfahrenZ kennzeichnet
Südekum selbst unter Benutzung der Namen verstorbener Politiker dahin, daß
von zehn Millionen Stimmen dann vielleicht sechs auf wenige prominente
Persönlichkeiten wie Bismarck, Babel, Windthorst, Eugen Richter. Levetzow,
Bennigsen, Moltke und Mommsen entfallen würden, während dreihundertund-
zweiundneunzig Abgeordnete von „einem Teil der noch verbleibenden vier
Millionen" gewählt sein würden.

So könnte es in der Tat kommen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/25>, abgerufen am 29.06.2024.