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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Garantien für die deutschen Schulen in Polen

Schulverwaltung sich befindet. Befürchtungen, daß dies geschehen könnte, ohne
daß den Polen genau formulierte Verpflichtungen gegenüber der deutschen
Minderheit auferlegt würden, sind zwar in der reichsdeutschen Presse hin und
wieder geäußert worden, aber doch nur von sehr einseitigen Beurteilern. Ein
Grund zu solchem Argwohn gegenüber der deutschen Verwaltung liegt jedenfalls
nicht vor, die ganze Geschichte des deutschen Schulwesens in der Zeit der
deutschen Okkupation spricht bestimmt dagegen. Die Versammlungen, die die
Deutschen in Polen in letzter Zeit um dieser wichtigen Frage willen abgehalten
haben, brachten denn auch derartige Besorgnisse nicht zutage.

Eine dieser Versammlungen beschloß z. B. am 19. Juli die eingangs er¬
wähnte Gründung einer deutschen Schulgemeinde Lodz und eines deutschen
Landesschulverbandes, in der Überzeugung, daß die Selbsthilfe unbedingt neben
der augenblicklichen staatlichen Unterstützung des Reiches und namentlich in der
Zukunft unerläßlich sei. In jener Versammlung wurde, nach der "Deutschen
Lodzer Zeitung", u. a. ausgeführt: "Da der zukünftige polnische Staat die
deutschen Schulen als staatliche Anstalten nicht anerkennen wird und wegen der
Konsequenzen für andere Minderheiten auch nicht anerkennen kann, so mußte
ein anderer Ausweg gesucht werden. Man dachte an freie deutsche Schulvereine,
die eigene Schulen unterhalten sollten, aber diese hätten nicht alle Deutschen erfaßt,
auch hätten sie keine ausreichende Sicherheit für die finanziellen Grundlagen
der Schulen bieten können, zudem wäre eine doppelte Belastung der deutschen
Bürger durch staatliche Schulabgaben und Vereinsbeiträge die Folge gewesen.
Nun zahlen aber die Deutschen hier nicht die wenigsten Steuern und haben
also ein Anrecht, daß ein entsprechender Teil der vom Staate für Schulzwecke
ausgeworfenen Gelder auch für ihre Schulen verwendet wird. Es nutz deshalb
erreicht werden, daß diese staatlichen Zuschüsse für die Zukunft garantiert werden-
Die Wahrung des deutschen Charakters der Schulen müssen die Deutschen selbst
in die Hand nehmen . . Sie müssen ihren Einfluß besonders auf die Lehrer¬
anstellung und die Erhaltung der deutschen Unterrichtssprache ausüben." Ferner
wurde hervorgehoben, daß die Mitglieder der deutschen Schulgemeinden vor
einer Doppelbesteuerung durch Schullasten zu schützen seien. Dies alles, so
wurde ausgeführt, müßte durch Verträge zwischen den maßgebenden Körper¬
schaften sichergestellt werden. In der Tat, sonst könnten die Polen wenigstens
heimlich oder mittelbar, etwa durch unzureichende Ausstattung der deutschen
Schulen oder durch Druck bei der Verteilung der Schullasten, die deutsche
Sprache und Kultur zu bekämpfen suchen.

Man ist sich in den Kreisen der Deutschen in Polen klar darüber, daß die
Zeit der Okkupation die Stimmung der Polen gegen die Deutschen nicht günstig
beeinflußt hat und daß daher nach dem Kriege keine wohlwollende Stellung
des Polentums zu dem Deutschtum im eigenen Lande zu erwarten ist. M^n
weiß, daß die Polen eine großpolnische Nationalschule erstreben. So hat z.
im Februar d. I. ein Stadtrat des österreichischen Okkupationsgebietes (Kleine)


Garantien für die deutschen Schulen in Polen

Schulverwaltung sich befindet. Befürchtungen, daß dies geschehen könnte, ohne
daß den Polen genau formulierte Verpflichtungen gegenüber der deutschen
Minderheit auferlegt würden, sind zwar in der reichsdeutschen Presse hin und
wieder geäußert worden, aber doch nur von sehr einseitigen Beurteilern. Ein
Grund zu solchem Argwohn gegenüber der deutschen Verwaltung liegt jedenfalls
nicht vor, die ganze Geschichte des deutschen Schulwesens in der Zeit der
deutschen Okkupation spricht bestimmt dagegen. Die Versammlungen, die die
Deutschen in Polen in letzter Zeit um dieser wichtigen Frage willen abgehalten
haben, brachten denn auch derartige Besorgnisse nicht zutage.

Eine dieser Versammlungen beschloß z. B. am 19. Juli die eingangs er¬
wähnte Gründung einer deutschen Schulgemeinde Lodz und eines deutschen
Landesschulverbandes, in der Überzeugung, daß die Selbsthilfe unbedingt neben
der augenblicklichen staatlichen Unterstützung des Reiches und namentlich in der
Zukunft unerläßlich sei. In jener Versammlung wurde, nach der „Deutschen
Lodzer Zeitung", u. a. ausgeführt: „Da der zukünftige polnische Staat die
deutschen Schulen als staatliche Anstalten nicht anerkennen wird und wegen der
Konsequenzen für andere Minderheiten auch nicht anerkennen kann, so mußte
ein anderer Ausweg gesucht werden. Man dachte an freie deutsche Schulvereine,
die eigene Schulen unterhalten sollten, aber diese hätten nicht alle Deutschen erfaßt,
auch hätten sie keine ausreichende Sicherheit für die finanziellen Grundlagen
der Schulen bieten können, zudem wäre eine doppelte Belastung der deutschen
Bürger durch staatliche Schulabgaben und Vereinsbeiträge die Folge gewesen.
Nun zahlen aber die Deutschen hier nicht die wenigsten Steuern und haben
also ein Anrecht, daß ein entsprechender Teil der vom Staate für Schulzwecke
ausgeworfenen Gelder auch für ihre Schulen verwendet wird. Es nutz deshalb
erreicht werden, daß diese staatlichen Zuschüsse für die Zukunft garantiert werden-
Die Wahrung des deutschen Charakters der Schulen müssen die Deutschen selbst
in die Hand nehmen . . Sie müssen ihren Einfluß besonders auf die Lehrer¬
anstellung und die Erhaltung der deutschen Unterrichtssprache ausüben." Ferner
wurde hervorgehoben, daß die Mitglieder der deutschen Schulgemeinden vor
einer Doppelbesteuerung durch Schullasten zu schützen seien. Dies alles, so
wurde ausgeführt, müßte durch Verträge zwischen den maßgebenden Körper¬
schaften sichergestellt werden. In der Tat, sonst könnten die Polen wenigstens
heimlich oder mittelbar, etwa durch unzureichende Ausstattung der deutschen
Schulen oder durch Druck bei der Verteilung der Schullasten, die deutsche
Sprache und Kultur zu bekämpfen suchen.

Man ist sich in den Kreisen der Deutschen in Polen klar darüber, daß die
Zeit der Okkupation die Stimmung der Polen gegen die Deutschen nicht günstig
beeinflußt hat und daß daher nach dem Kriege keine wohlwollende Stellung
des Polentums zu dem Deutschtum im eigenen Lande zu erwarten ist. M^n
weiß, daß die Polen eine großpolnische Nationalschule erstreben. So hat z.
im Februar d. I. ein Stadtrat des österreichischen Okkupationsgebietes (Kleine)


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[0162] Garantien für die deutschen Schulen in Polen Schulverwaltung sich befindet. Befürchtungen, daß dies geschehen könnte, ohne daß den Polen genau formulierte Verpflichtungen gegenüber der deutschen Minderheit auferlegt würden, sind zwar in der reichsdeutschen Presse hin und wieder geäußert worden, aber doch nur von sehr einseitigen Beurteilern. Ein Grund zu solchem Argwohn gegenüber der deutschen Verwaltung liegt jedenfalls nicht vor, die ganze Geschichte des deutschen Schulwesens in der Zeit der deutschen Okkupation spricht bestimmt dagegen. Die Versammlungen, die die Deutschen in Polen in letzter Zeit um dieser wichtigen Frage willen abgehalten haben, brachten denn auch derartige Besorgnisse nicht zutage. Eine dieser Versammlungen beschloß z. B. am 19. Juli die eingangs er¬ wähnte Gründung einer deutschen Schulgemeinde Lodz und eines deutschen Landesschulverbandes, in der Überzeugung, daß die Selbsthilfe unbedingt neben der augenblicklichen staatlichen Unterstützung des Reiches und namentlich in der Zukunft unerläßlich sei. In jener Versammlung wurde, nach der „Deutschen Lodzer Zeitung", u. a. ausgeführt: „Da der zukünftige polnische Staat die deutschen Schulen als staatliche Anstalten nicht anerkennen wird und wegen der Konsequenzen für andere Minderheiten auch nicht anerkennen kann, so mußte ein anderer Ausweg gesucht werden. Man dachte an freie deutsche Schulvereine, die eigene Schulen unterhalten sollten, aber diese hätten nicht alle Deutschen erfaßt, auch hätten sie keine ausreichende Sicherheit für die finanziellen Grundlagen der Schulen bieten können, zudem wäre eine doppelte Belastung der deutschen Bürger durch staatliche Schulabgaben und Vereinsbeiträge die Folge gewesen. Nun zahlen aber die Deutschen hier nicht die wenigsten Steuern und haben also ein Anrecht, daß ein entsprechender Teil der vom Staate für Schulzwecke ausgeworfenen Gelder auch für ihre Schulen verwendet wird. Es nutz deshalb erreicht werden, daß diese staatlichen Zuschüsse für die Zukunft garantiert werden- Die Wahrung des deutschen Charakters der Schulen müssen die Deutschen selbst in die Hand nehmen . . Sie müssen ihren Einfluß besonders auf die Lehrer¬ anstellung und die Erhaltung der deutschen Unterrichtssprache ausüben." Ferner wurde hervorgehoben, daß die Mitglieder der deutschen Schulgemeinden vor einer Doppelbesteuerung durch Schullasten zu schützen seien. Dies alles, so wurde ausgeführt, müßte durch Verträge zwischen den maßgebenden Körper¬ schaften sichergestellt werden. In der Tat, sonst könnten die Polen wenigstens heimlich oder mittelbar, etwa durch unzureichende Ausstattung der deutschen Schulen oder durch Druck bei der Verteilung der Schullasten, die deutsche Sprache und Kultur zu bekämpfen suchen. Man ist sich in den Kreisen der Deutschen in Polen klar darüber, daß die Zeit der Okkupation die Stimmung der Polen gegen die Deutschen nicht günstig beeinflußt hat und daß daher nach dem Kriege keine wohlwollende Stellung des Polentums zu dem Deutschtum im eigenen Lande zu erwarten ist. M^n weiß, daß die Polen eine großpolnische Nationalschule erstreben. So hat z. im Februar d. I. ein Stadtrat des österreichischen Okkupationsgebietes (Kleine)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/162>, abgerufen am 29.06.2024.