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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

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Das alte deutsche "Reichsland" in Galizien

entstanden sein^). Eine Schulzei bestand ferner im Jahre 1361 in Barwald;
sie gehörte einem Hansil, Sohn des Werner. Erwähnt wird "Berwald" später
zum Jahre 1445 und 1474; sehr oft wird die Burg Berwald oder Barwald
genannt, so 1440, 1441, 1442 und 1465. Nebenbei sei bemerkt, daß es in
dieser Gegend (Bezirk Andrychöw) auch ein Jnwald gibt, über dessen Entstehen
aber nichts bekannt ist. Jedenfalls verrät der Name eine alte, mitten im
Walde entstandene deutsche Gründung. Die Burg Landiskron (Bezirk Kalwarya)
wird schon 1359 erwähnt. Im Jahre 1361 errichtete König Kasimir die
Stadt und stattete die Vogtei derselben aus. Mit seinem Namen verweist dieser
Ort auf Landskron in Schlesien. Um 1360 hatte auch schon Jzdebnik (Bezirk
Kalwarya) deutsches Recht. Wie viele deutsche Siedelungen diese Gegend um
1400 aufweist, geht aus der Urkunde über das Leibgedinge der Herzogin Hedwig
vom 13. Mai 1400 hervor. In derselben werden in dieser Gegend genannt:
Newenstat (d. i. Zator), Frawenstat (^ Wadowice), Geraltsdorff (Gieraltowice).
Peterswald (Piotrowice), ferner die heute nicht festzustellenden Orte: Bratmans-
dorff, Keymandorff, Hartmansdorff, und Beigelsdorff. Von den Namen inter¬
essieren uns vor allem jene, welche auf ihre deutschen Begründer oder Besitzer
hinweisen.

Von diesen schon 1400 genannten Orten hat Wadowice im Jahre 1430,
nachdem es durch Feuersbrunst gelitten hatte, das Recht von Kulm (in Preußen)
erhalten; doch muß der Ort gewiß schon auch vordem deutsches Recht besessen
haben, da er nach Ausweis seines deutschen Namens (Frauenstadt) von
Deutschen bewohnt war. Im Jahre 1441 besieht bereits der Ort Frydrychowice
(Bezirk Andrychüw), jedenfalls die Gründung eines Deutschen Friedrich. 1445
ist die Rede von "Niclasdorf" bei "Lipnik" (heute Mikluszowice). Um diese
Zeit besaß schon auch Saubusch deutsches Recht. Da die Originalurkunde den
Bürgern geraubt worden war, wurde sie ihnen am 13. September 1448 er¬
neuert. Die Freiheiten entsprachen jenen von Auschwitz und Kenty. Hinge¬
wiesen sei auch auf das 1454 genannte Nidek.

Von den später genannten Orten ist vor allem noch Biala zu erwähnen.
Da die Schwesterstadt Bielitz schon 1312 nachweisbar ist, so dürften die ersten
Deutschen sich auch jenseits des Flusses auf dem Boden des heutigen Biala
schon wenig später angesiedelt haben. 1584 kommt ein "Hansel Schuster,
Scholz von der Bila" vor. Darnach muß der Ort schon damals deutsches
Recht gehabt haben. Urkundlich erhielt Biala erst am 9. Januar 1723 von
August dem Zweiten deutsches Recht und zugleich wurde es aus einem Dorfe
(vitis) in einen Marktflecken (oppiclum) umgewandelt. Bei dieser Gelegenheit
erhielt Biala "in8 civile Lulmense", also das in diesen Teilen Polens selten
verwendete Kulmische Recht; wahrscheinlich fiel die Wahl auf dieses Recht, weil



-) Der Name deutet auf den alten mitteldeutschen Ansiedlerstrom. Vgl. Olzheim in
der Rheinprovinz, Alzenau in der Zips und Alzen in Sievenbürgen (Geschichte der Deutschen
in den Karpathenländern, II, S. 20V).
Das alte deutsche „Reichsland" in Galizien

entstanden sein^). Eine Schulzei bestand ferner im Jahre 1361 in Barwald;
sie gehörte einem Hansil, Sohn des Werner. Erwähnt wird „Berwald" später
zum Jahre 1445 und 1474; sehr oft wird die Burg Berwald oder Barwald
genannt, so 1440, 1441, 1442 und 1465. Nebenbei sei bemerkt, daß es in
dieser Gegend (Bezirk Andrychöw) auch ein Jnwald gibt, über dessen Entstehen
aber nichts bekannt ist. Jedenfalls verrät der Name eine alte, mitten im
Walde entstandene deutsche Gründung. Die Burg Landiskron (Bezirk Kalwarya)
wird schon 1359 erwähnt. Im Jahre 1361 errichtete König Kasimir die
Stadt und stattete die Vogtei derselben aus. Mit seinem Namen verweist dieser
Ort auf Landskron in Schlesien. Um 1360 hatte auch schon Jzdebnik (Bezirk
Kalwarya) deutsches Recht. Wie viele deutsche Siedelungen diese Gegend um
1400 aufweist, geht aus der Urkunde über das Leibgedinge der Herzogin Hedwig
vom 13. Mai 1400 hervor. In derselben werden in dieser Gegend genannt:
Newenstat (d. i. Zator), Frawenstat (^ Wadowice), Geraltsdorff (Gieraltowice).
Peterswald (Piotrowice), ferner die heute nicht festzustellenden Orte: Bratmans-
dorff, Keymandorff, Hartmansdorff, und Beigelsdorff. Von den Namen inter¬
essieren uns vor allem jene, welche auf ihre deutschen Begründer oder Besitzer
hinweisen.

Von diesen schon 1400 genannten Orten hat Wadowice im Jahre 1430,
nachdem es durch Feuersbrunst gelitten hatte, das Recht von Kulm (in Preußen)
erhalten; doch muß der Ort gewiß schon auch vordem deutsches Recht besessen
haben, da er nach Ausweis seines deutschen Namens (Frauenstadt) von
Deutschen bewohnt war. Im Jahre 1441 besieht bereits der Ort Frydrychowice
(Bezirk Andrychüw), jedenfalls die Gründung eines Deutschen Friedrich. 1445
ist die Rede von „Niclasdorf" bei „Lipnik" (heute Mikluszowice). Um diese
Zeit besaß schon auch Saubusch deutsches Recht. Da die Originalurkunde den
Bürgern geraubt worden war, wurde sie ihnen am 13. September 1448 er¬
neuert. Die Freiheiten entsprachen jenen von Auschwitz und Kenty. Hinge¬
wiesen sei auch auf das 1454 genannte Nidek.

Von den später genannten Orten ist vor allem noch Biala zu erwähnen.
Da die Schwesterstadt Bielitz schon 1312 nachweisbar ist, so dürften die ersten
Deutschen sich auch jenseits des Flusses auf dem Boden des heutigen Biala
schon wenig später angesiedelt haben. 1584 kommt ein „Hansel Schuster,
Scholz von der Bila" vor. Darnach muß der Ort schon damals deutsches
Recht gehabt haben. Urkundlich erhielt Biala erst am 9. Januar 1723 von
August dem Zweiten deutsches Recht und zugleich wurde es aus einem Dorfe
(vitis) in einen Marktflecken (oppiclum) umgewandelt. Bei dieser Gelegenheit
erhielt Biala „in8 civile Lulmense", also das in diesen Teilen Polens selten
verwendete Kulmische Recht; wahrscheinlich fiel die Wahl auf dieses Recht, weil



-) Der Name deutet auf den alten mitteldeutschen Ansiedlerstrom. Vgl. Olzheim in
der Rheinprovinz, Alzenau in der Zips und Alzen in Sievenbürgen (Geschichte der Deutschen
in den Karpathenländern, II, S. 20V).
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/71>, abgerufen am 16.01.2025.