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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

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gepeinigt wurde, die Menschen möchten ihn nicht als solchen anerkennen. Zeit¬
weise noch der reve-ekevalier von früher, glaubte er sich, einerseits schon
unter dem geistigen Einflüsse seiner späteren Egeria, der sagenumwobenen
Frau Juliane v. Krüdener stehend, der ihre Vergangenheit Grund genug zu
der weltentrückten Rolle einer büßenden Magdalene gab, andrerseits infolge
des siegreich gegen Napoleon geführten Krieges unternehmend geworden, zum
Beglücker der Menschheit durch die "Heilige Allianz" berufen, ein Nebelgebilde,
bei dessen Kondensation zu einem greifbaren politischen Ergebnis es ohne den
herbsten Widerspruch mit der rauhen Wirklichkeit nicht abgehen konnte. Diesen
quälenden Zwiespalt auszugleichen, versuchte er -- was jedenfalls das Klügste
war -- einstweilen wenigstens seinen engeren Kreis, sich selbst eingeschlossen,
möglichst glücklich zu machen, ein Streben, das im ganzen auch von Erfolg
gekrönt wurde. Er entzückte, mehr durch persönliche Liebenswürdigkeit und
die bezaubernde Art seines Umgangs als durch hervorragende Gaben wirkend,
zunächst alle Welt; ja er war -- in der ersten Zeit wenigstens -- bei den
Wienern genau so populär wie einst sein großer Ahnherr Peter, für den man
sich gelegentlich seines Besuches stark begeistert hatte, solange er nüchtern war.
Trotzdem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren: Alexander hatte etwas
von einem "Blender". Begleitet war der Zar von seiner sanften, liebens¬
würdigen Gemahlin Elisabeth, einer geborenen Prinzessin von Baden, die für
den Glanz der Krone des größten europäischen Reiches, mit dem sie ihr Haupt
schmücken durfte, nur spärliche Stunden wahren ehelichen Glückes erkauft hatte.
Von Alexander, der so vielen Damen huldigen mußte, kühl behandelt, hegte
sie eine zärtliche, ihrem Gatten nicht unbekannie Neigung zu dessen Jugend¬
freunde, dem Fürsten Adam Czartoryski, eine Liebe,' die in Wien neu auf¬
flammte. Die Gefühle der Herrschaften aus dem hohen Norden entsprachen
überhaupt nicht völlig der Temperatur ihres Landes: in der Umgebung der
Zarin befand sich beispielsweise eine -Gräfin Tolstoi, die in sehr unglücklicher
Ehe lebte infolge ihres Verhältnisses zu Lord Witworth, dem englischen Ge¬
sandten in Petersburg.

Alexander selbst hatte ein reiches Liebesleben hinter sich; in den letzten
Jahren war die schöne Maria Narischkin, die Gattin des russischen Hofmarschalls,
seine Herzenskönigin gewesen, von der er auch eine Tochter besaß, die aber
jung starb. Diese Beziehungen erscheinen allerdings zur Zeit des Kongresses
bereits als der Vergangenheit angehörig; ja des Zaren Gefühle zeigten sich so
völlig abgekühlt, daß er ruhigen Blutes zusah, als bald darauf fein General¬
adjutant, der Graf Ojarowski, der Verlassenen näher trat. In Wien ent¬
schädigte Alexander sich anderweitig, aber in den Salons des Hochadels merk¬
würdigerweise meist auf ziemlich harmlose Art, obgleich ihm viele Repräsen¬
tantinnen dieser Kreise recht wohl gefielen. Galant, wie er war, bezeichnete
er sechs Damen als die Kongreßschönheiten; so nannte er die Gräfin Karoline
Tzechenyi la beauto coquetts. die Gräfin Sophie Zichy la beaute triviale,


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gepeinigt wurde, die Menschen möchten ihn nicht als solchen anerkennen. Zeit¬
weise noch der reve-ekevalier von früher, glaubte er sich, einerseits schon
unter dem geistigen Einflüsse seiner späteren Egeria, der sagenumwobenen
Frau Juliane v. Krüdener stehend, der ihre Vergangenheit Grund genug zu
der weltentrückten Rolle einer büßenden Magdalene gab, andrerseits infolge
des siegreich gegen Napoleon geführten Krieges unternehmend geworden, zum
Beglücker der Menschheit durch die „Heilige Allianz" berufen, ein Nebelgebilde,
bei dessen Kondensation zu einem greifbaren politischen Ergebnis es ohne den
herbsten Widerspruch mit der rauhen Wirklichkeit nicht abgehen konnte. Diesen
quälenden Zwiespalt auszugleichen, versuchte er — was jedenfalls das Klügste
war — einstweilen wenigstens seinen engeren Kreis, sich selbst eingeschlossen,
möglichst glücklich zu machen, ein Streben, das im ganzen auch von Erfolg
gekrönt wurde. Er entzückte, mehr durch persönliche Liebenswürdigkeit und
die bezaubernde Art seines Umgangs als durch hervorragende Gaben wirkend,
zunächst alle Welt; ja er war — in der ersten Zeit wenigstens — bei den
Wienern genau so populär wie einst sein großer Ahnherr Peter, für den man
sich gelegentlich seines Besuches stark begeistert hatte, solange er nüchtern war.
Trotzdem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren: Alexander hatte etwas
von einem „Blender". Begleitet war der Zar von seiner sanften, liebens¬
würdigen Gemahlin Elisabeth, einer geborenen Prinzessin von Baden, die für
den Glanz der Krone des größten europäischen Reiches, mit dem sie ihr Haupt
schmücken durfte, nur spärliche Stunden wahren ehelichen Glückes erkauft hatte.
Von Alexander, der so vielen Damen huldigen mußte, kühl behandelt, hegte
sie eine zärtliche, ihrem Gatten nicht unbekannie Neigung zu dessen Jugend¬
freunde, dem Fürsten Adam Czartoryski, eine Liebe,' die in Wien neu auf¬
flammte. Die Gefühle der Herrschaften aus dem hohen Norden entsprachen
überhaupt nicht völlig der Temperatur ihres Landes: in der Umgebung der
Zarin befand sich beispielsweise eine -Gräfin Tolstoi, die in sehr unglücklicher
Ehe lebte infolge ihres Verhältnisses zu Lord Witworth, dem englischen Ge¬
sandten in Petersburg.

Alexander selbst hatte ein reiches Liebesleben hinter sich; in den letzten
Jahren war die schöne Maria Narischkin, die Gattin des russischen Hofmarschalls,
seine Herzenskönigin gewesen, von der er auch eine Tochter besaß, die aber
jung starb. Diese Beziehungen erscheinen allerdings zur Zeit des Kongresses
bereits als der Vergangenheit angehörig; ja des Zaren Gefühle zeigten sich so
völlig abgekühlt, daß er ruhigen Blutes zusah, als bald darauf fein General¬
adjutant, der Graf Ojarowski, der Verlassenen näher trat. In Wien ent¬
schädigte Alexander sich anderweitig, aber in den Salons des Hochadels merk¬
würdigerweise meist auf ziemlich harmlose Art, obgleich ihm viele Repräsen¬
tantinnen dieser Kreise recht wohl gefielen. Galant, wie er war, bezeichnete
er sechs Damen als die Kongreßschönheiten; so nannte er die Gräfin Karoline
Tzechenyi la beauto coquetts. die Gräfin Sophie Zichy la beaute triviale,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/162>, abgerufen am 15.01.2025.