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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr.

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In die Meinungsäußerungen der holländischen Kapazitäten hat sich aber für
unser Thema doch manches verirrt.

Wieviel eigene Werte sich Holland von der französischen Propaganda
willig und geschmeichelt rauben läßt, geht aus dem Brief des holländischen
Literaturhistorikers Dr. Prinsen hervor, der zu Du Bellans Versen:


"France, mere av8 art3, 6e8 arme8 et ach lois
l'u in'a8 nourne IonZtemp8 an wie ac w mamelw",

über französische Inspiration auf holländische Dichter schreibt:

"Holland kann diese Verse Du Bellans nur in einer Regung tiefster
Dankbarkeit nachempfinden. Aber dieses Kind (Holland), dessen Ernährerin
Frankreich war. hat seinen eigenen Charakter besessen, hat seine urwüchsige
Lebenskraft aus seiner Heimaterde, aus seiner klaren oder nebeligen Lust
empfangen und in seiner Blütezeit eine sehr spezielle und bedeutende Kunst
hervorgebracht. ... In unserem ganzen Dasein besteht gewissermaßen eine geheime
Anziehungskraft zwischen dem Holländer und dem Franzosen: Dieselbe Liebe
für persönliche Freiheit, derselbe Sinn für freie und gesunde Ordnung, die sich
niemals unter eine bleierne, militärische Zucht bückt, dasselbe Verlangen nach
Klarheit und Einfachheit auf geistigem Gebiet."

Der gleiche holländische Gelehrte nennt die Sprache der "clouLs
I^lANLe" eine zweite Muttersprache für die holländischen Künstler, Staatsbe¬
amten und Aristokraten und achtet so das Armutszeugnis seiner wahren Mutter¬
sprache für nichts.

Wie kritiklos sich die holländische Empfänglichkeit für alles, was französisch
ist. gebärdet, sagt uns van Rossems Antwort an die "Kevue":

"Die geheime Zauberkraft, die allein von dem Namen Frankreich aus¬
geht, hat in uns in letzter Zeit eine tiefe, sich auf alle Gesellschaftsklassen er-
streckende Sympathie geweckt. ... Wir leben unter französischem Gesetz.
Unsere Fröhlichkeit ist französisch und lebt von französischen Erinnerungen,
unsere Streitigkeit mit Frankreich bildet den Hintergrund zu unserer Geschichte.
Es ist kein Boden mehr bei uns, auf den nicht Frankreich feinen Stempel ge-
drückt hat. Unsere Klassiker sind in französischen Schulen gebildet. ... Die
Zukunft gehört der französischen Musik, und wenn die französischen Verleger
ihre Nachlässigkeit und liebenswürdige Indolenz abschütteln würden, um ihre
Kraft der Organisation einer verständigen Propaganda zu widmen, dann bin
ich überzeugt, daß man bei uns bald die lärmenden Neuerscheinungen unseres
östlichen Nachbarn, die jedes guten Geschmacks bar sind, nicht mehr verkaufen
würde."

Auf alle Höhepunkte der Leistungen holländischer Kunst und Wissenschaft
bemühen sich so die Einsender der "Kevue als ttollancle" den schwächenden
und zweifelhaften Glanz französischer Beeinflußung und Unterstützung zu werfen,
und nicht mehr die Kultur ihres Vaterlandes, sondern der Abglanz fran¬
zösischer Kultur auf der eigenen hat für diese Holländer Wert.


In die Meinungsäußerungen der holländischen Kapazitäten hat sich aber für
unser Thema doch manches verirrt.

Wieviel eigene Werte sich Holland von der französischen Propaganda
willig und geschmeichelt rauben läßt, geht aus dem Brief des holländischen
Literaturhistorikers Dr. Prinsen hervor, der zu Du Bellans Versen:


„France, mere av8 art3, 6e8 arme8 et ach lois
l'u in'a8 nourne IonZtemp8 an wie ac w mamelw",

über französische Inspiration auf holländische Dichter schreibt:

„Holland kann diese Verse Du Bellans nur in einer Regung tiefster
Dankbarkeit nachempfinden. Aber dieses Kind (Holland), dessen Ernährerin
Frankreich war. hat seinen eigenen Charakter besessen, hat seine urwüchsige
Lebenskraft aus seiner Heimaterde, aus seiner klaren oder nebeligen Lust
empfangen und in seiner Blütezeit eine sehr spezielle und bedeutende Kunst
hervorgebracht. ... In unserem ganzen Dasein besteht gewissermaßen eine geheime
Anziehungskraft zwischen dem Holländer und dem Franzosen: Dieselbe Liebe
für persönliche Freiheit, derselbe Sinn für freie und gesunde Ordnung, die sich
niemals unter eine bleierne, militärische Zucht bückt, dasselbe Verlangen nach
Klarheit und Einfachheit auf geistigem Gebiet."

Der gleiche holländische Gelehrte nennt die Sprache der „clouLs
I^lANLe« eine zweite Muttersprache für die holländischen Künstler, Staatsbe¬
amten und Aristokraten und achtet so das Armutszeugnis seiner wahren Mutter¬
sprache für nichts.

Wie kritiklos sich die holländische Empfänglichkeit für alles, was französisch
ist. gebärdet, sagt uns van Rossems Antwort an die „Kevue":

„Die geheime Zauberkraft, die allein von dem Namen Frankreich aus¬
geht, hat in uns in letzter Zeit eine tiefe, sich auf alle Gesellschaftsklassen er-
streckende Sympathie geweckt. ... Wir leben unter französischem Gesetz.
Unsere Fröhlichkeit ist französisch und lebt von französischen Erinnerungen,
unsere Streitigkeit mit Frankreich bildet den Hintergrund zu unserer Geschichte.
Es ist kein Boden mehr bei uns, auf den nicht Frankreich feinen Stempel ge-
drückt hat. Unsere Klassiker sind in französischen Schulen gebildet. ... Die
Zukunft gehört der französischen Musik, und wenn die französischen Verleger
ihre Nachlässigkeit und liebenswürdige Indolenz abschütteln würden, um ihre
Kraft der Organisation einer verständigen Propaganda zu widmen, dann bin
ich überzeugt, daß man bei uns bald die lärmenden Neuerscheinungen unseres
östlichen Nachbarn, die jedes guten Geschmacks bar sind, nicht mehr verkaufen
würde."

Auf alle Höhepunkte der Leistungen holländischer Kunst und Wissenschaft
bemühen sich so die Einsender der „Kevue als ttollancle" den schwächenden
und zweifelhaften Glanz französischer Beeinflußung und Unterstützung zu werfen,
und nicht mehr die Kultur ihres Vaterlandes, sondern der Abglanz fran¬
zösischer Kultur auf der eigenen hat für diese Holländer Wert.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331841/138>, abgerufen am 11.01.2025.