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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Die Monopolisierung des Getreidehandels

Einkauf der Behörden noch nicht geregelt war, so daß sich am Berliner Marke
die einzelnen Proviantämter und die Stadtverwaltungen untereinander beim
Einkauf Wettbewerb machten. Dabei wurden von feiten der Behörden einzelnen
Firmen oft Riesenaufträge mit einer sehr kurzen Lieferfrist erteilt, wodurch die
Situation erheblich erschwert wurde. Ob alle die Firmen, die im ersten Kriegs¬
jahre Einkäufe für Behörden ausgeführt haben, dabei immer nur das Interesse
des Vaterlandes im Auge gehabt haben, wird ja noch amtlich festgestellt werden,
sobald die angekündigte Nachprüfung der Kriegslieferungen erfolgt. Vielleicht
wird sich dann zeigen, daß die Riesengewinne, die einige Firmen während des
Krieges erzielt haben, zu einem großen Teil auf den Heeresaufträgen während
der Mobilmachung basieren. Leider besaß Deutschland damals noch nicht das
Gesetz gegen die übermäßige Preissteigerung, das erst nach zwei Kriegsjahren
bei uns zur Einführung gelangte. Vor Erlaß dieses Gesetzes war der Getreide¬
handel nicht daran gehindert, zu Tagespreisen zu verkaufen ohne Rücksicht auf
den niedrigen Einkaufspreis. War der Tagespreis für Weizen z. B. 260 Mark,
so verlangte jeder Warenbesitzer diesen Preis für seinen Weizen ohne Rücksicht
darauf, ob ihn die Ware beim Einkauf 190 Mark oder 240 Mark gekostet
hatte. Dieses Aufgeld auf den Anschaffungspreis hat in erheblichem Umfange
zu den übermäßigen Bereicherungen einzelner Händler beigetragen, wodurch das
Ansehen des gesamten Getreidehandels empfindlich geschädigt wurde. Ja nicht
nur das: Händler, die Ware zu sehr niedrigen Preisen aus Lager hatten,
lieferten diese ohne Rücksicht auf Gewinn zu den Tagespreisen an Behörden
ab und erhielten womöglich noch für die Beschaffung der Ware eine Provision
gezahlt, da die Behörden damals nicht in der Lage waren, in eine Prüfung
der Preise einzutreten.

Verhältnismäßig lange hat die Reichsregierung den Treibereien am Getreide¬
markt zugesehen, ohne einzuschreiten. Sie glaubte zunächst, da sie sich über die
Dauer des Krieges und seine wirtschaftlichen Folgen noch im Unklaren war,
sich auf die Aufhebung des Zeithandels beschränken zu sollen. Damit sollte die
Spekulationstätigkeit am Getreidemarkt ausgeschaltet und allzu große Preis¬
treibereien vermieden werden. Die Aufhebung des Zeithandels bei Kriegs¬
ausbruch war ein Gebot der Notwendigkeit; aber das reichte bei weitem nicht
aus. Die Notierungen wurden immer höher und nichts charakterisiert die Auf¬
fassung, die damals in gewissen -- nicht in allen -- Kreisen des Berliner
Getreidehandels herrschte, als die Bemerkung eines Vorstandsmitgliedes der
Berliner Börse: "In diesen Zeiten muß man verdienen." Zwar hat später
gelegentlich einer Veröffentlichung dieser Bemerkung der Vorstand des "Vereins
'der Getreidehändler" erklärt, daß er diesen Ausdruck mißbillige. Es läßt sich
aber nicht bestreiten. daß er einer amtlichen Stelle gegenüber getan wurde und
deutlich die Anschauung einiger leitender Männer charakterisierte.

Es hat naturgemäß auch an der Berliner Produktenbörse nicht an ein¬
sichtigen Männern gefehlt, denen das Wohl des Vaterlandes bei Kriegsausbruch


Die Monopolisierung des Getreidehandels

Einkauf der Behörden noch nicht geregelt war, so daß sich am Berliner Marke
die einzelnen Proviantämter und die Stadtverwaltungen untereinander beim
Einkauf Wettbewerb machten. Dabei wurden von feiten der Behörden einzelnen
Firmen oft Riesenaufträge mit einer sehr kurzen Lieferfrist erteilt, wodurch die
Situation erheblich erschwert wurde. Ob alle die Firmen, die im ersten Kriegs¬
jahre Einkäufe für Behörden ausgeführt haben, dabei immer nur das Interesse
des Vaterlandes im Auge gehabt haben, wird ja noch amtlich festgestellt werden,
sobald die angekündigte Nachprüfung der Kriegslieferungen erfolgt. Vielleicht
wird sich dann zeigen, daß die Riesengewinne, die einige Firmen während des
Krieges erzielt haben, zu einem großen Teil auf den Heeresaufträgen während
der Mobilmachung basieren. Leider besaß Deutschland damals noch nicht das
Gesetz gegen die übermäßige Preissteigerung, das erst nach zwei Kriegsjahren
bei uns zur Einführung gelangte. Vor Erlaß dieses Gesetzes war der Getreide¬
handel nicht daran gehindert, zu Tagespreisen zu verkaufen ohne Rücksicht auf
den niedrigen Einkaufspreis. War der Tagespreis für Weizen z. B. 260 Mark,
so verlangte jeder Warenbesitzer diesen Preis für seinen Weizen ohne Rücksicht
darauf, ob ihn die Ware beim Einkauf 190 Mark oder 240 Mark gekostet
hatte. Dieses Aufgeld auf den Anschaffungspreis hat in erheblichem Umfange
zu den übermäßigen Bereicherungen einzelner Händler beigetragen, wodurch das
Ansehen des gesamten Getreidehandels empfindlich geschädigt wurde. Ja nicht
nur das: Händler, die Ware zu sehr niedrigen Preisen aus Lager hatten,
lieferten diese ohne Rücksicht auf Gewinn zu den Tagespreisen an Behörden
ab und erhielten womöglich noch für die Beschaffung der Ware eine Provision
gezahlt, da die Behörden damals nicht in der Lage waren, in eine Prüfung
der Preise einzutreten.

Verhältnismäßig lange hat die Reichsregierung den Treibereien am Getreide¬
markt zugesehen, ohne einzuschreiten. Sie glaubte zunächst, da sie sich über die
Dauer des Krieges und seine wirtschaftlichen Folgen noch im Unklaren war,
sich auf die Aufhebung des Zeithandels beschränken zu sollen. Damit sollte die
Spekulationstätigkeit am Getreidemarkt ausgeschaltet und allzu große Preis¬
treibereien vermieden werden. Die Aufhebung des Zeithandels bei Kriegs¬
ausbruch war ein Gebot der Notwendigkeit; aber das reichte bei weitem nicht
aus. Die Notierungen wurden immer höher und nichts charakterisiert die Auf¬
fassung, die damals in gewissen — nicht in allen — Kreisen des Berliner
Getreidehandels herrschte, als die Bemerkung eines Vorstandsmitgliedes der
Berliner Börse: „In diesen Zeiten muß man verdienen." Zwar hat später
gelegentlich einer Veröffentlichung dieser Bemerkung der Vorstand des „Vereins
'der Getreidehändler" erklärt, daß er diesen Ausdruck mißbillige. Es läßt sich
aber nicht bestreiten. daß er einer amtlichen Stelle gegenüber getan wurde und
deutlich die Anschauung einiger leitender Männer charakterisierte.

Es hat naturgemäß auch an der Berliner Produktenbörse nicht an ein¬
sichtigen Männern gefehlt, denen das Wohl des Vaterlandes bei Kriegsausbruch


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/90>, abgerufen am 23.07.2024.