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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Die Deutsch-Russischen Handelsverträge

des Grenzkartells auf zwölf Jahre lam am 20. Mai 1844 doch zustande, über
die Handelsfrage wurde nicht weiter verhandelt. Mit Bayern traf Rußland
am 30. Juni 1353 auf fünf Jahre das Übereinkommen über die Donau-
schiffahrt, daß die bayerischen Kauffahrteischiffe auf der unteren Donau in
jeder Hinficht wie die österreichischen, umgekehrt die russischen Schiffe avf der
bayerischen Donaustrecke wie die österreichischen Schiffe auf Grund des bayerisch¬
österreichischen Schiffahrtsvertrages vom 2. Dezember 1851 behandelt werden
sollten. An dem Vertrag einer Reihe von Staaten mit Hannover über Ab¬
lösung des Elbzolls in Slave-Brunshausen vom 22. Juni 1861 war auch
Rußland beteiligt und bezahlte 7983 Thaler Ablösung.

Der nächste deutsch-russische Handelsvertrag stammt erst aus dem Jahre
1894. Als er im russischen Reichsrat besprochen wurde, hieß es in feiner Er¬
läuterung durch den Finanzminister: Die Handelsbeziehungen zu Deutschland
hätten im Laufe des ganzen Jahrhunderts unter dem Einfluß der gegenseitigen
politischen Beziehungen gestanden. Da diese sehr freundschaftlich waren, sei
auch auf wirtschaftlichem Gebiet kein Anlaß zu Konflikten gewesen. Rußland
habe daher, obgleich es mit anderen Staaten Handelsverträge abschloß, es
nicht für notwendig erachtet, sich gegen Deutschland durch einen Vertrag zu
sichern; es habe Deutschland ohne formellen Vertrag das Meistbegünstigungs¬
recht eingeräumt. So friedlich waren indessen die Handelsbeziehungen doch
nicht verlaufen; der Handel nach Rußland litt unter den hohen Zollsätzen, am
besten gedieh der Schleichhandel. Preußen legte Rußland eine Annäherung an
den Deutschen Zollverein nahe und zeigte ihm die Schäden seiner Prohibitiv-
politik. Der neue russische Zolltarif von 1850, an sich maßvoll gehalten, brachte
doch gerade für wichtige preußische Ausfuhrartikel eine Zollerhöhung, er brachte
auch die Einbeziehung Polens in die russische Zollgrenze. Preußen, das statt
dessen als einer Schädigung um Aufrechterhaltung des Wiener Vertrages von
1815 bemüht war, wurde von Rußland energisch "une loi8 pour toutes"
abgewiesen. Der maßvolle Protektionismus des russischen Zolltarifs hielt bis
1877 vor, als die neu angeordnete Zollzahlung in Gold eine Erhöhung der
Zölle um 33 Prozent brachte.

Ein Ukas des russischen Dirigierenden Senats vom 15. Mai 1860 wendete
im allgemeinen den Handel- und Schiffahrtsvertrag Rußlands mit Frankreich
vom 14. Juni 1857 auch auf den Deutschen Zollverein an. Im Jahre 1864
führten die Klagen über die Schwierigkeiten des deutsch-russischen Handelsverkehrs
zu einer Denkschrift des Deutschen Handelstags über den Abschluß eines Havdels-
und Zollvertrags zwischen den Staaten des Deutschen Zollvereins und Rußland,
die keine weiteren Erfolge als große Erörterungen, auch in der russischen Presse,
hatte. Die Absperrungsmaßregeln Rußlands schädigten schließlich, wie auch
Bismarck bei parlamentarischen Interpellationen 1867 und 1868 sagte, Rußland
selbst mehr als Preußen; konnte man doch die Verluste der russischen Zollkasse
durch den besonders von russischen Untertanen betriebenen Schmuggel auf jährlich


Die Deutsch-Russischen Handelsverträge

des Grenzkartells auf zwölf Jahre lam am 20. Mai 1844 doch zustande, über
die Handelsfrage wurde nicht weiter verhandelt. Mit Bayern traf Rußland
am 30. Juni 1353 auf fünf Jahre das Übereinkommen über die Donau-
schiffahrt, daß die bayerischen Kauffahrteischiffe auf der unteren Donau in
jeder Hinficht wie die österreichischen, umgekehrt die russischen Schiffe avf der
bayerischen Donaustrecke wie die österreichischen Schiffe auf Grund des bayerisch¬
österreichischen Schiffahrtsvertrages vom 2. Dezember 1851 behandelt werden
sollten. An dem Vertrag einer Reihe von Staaten mit Hannover über Ab¬
lösung des Elbzolls in Slave-Brunshausen vom 22. Juni 1861 war auch
Rußland beteiligt und bezahlte 7983 Thaler Ablösung.

Der nächste deutsch-russische Handelsvertrag stammt erst aus dem Jahre
1894. Als er im russischen Reichsrat besprochen wurde, hieß es in feiner Er¬
läuterung durch den Finanzminister: Die Handelsbeziehungen zu Deutschland
hätten im Laufe des ganzen Jahrhunderts unter dem Einfluß der gegenseitigen
politischen Beziehungen gestanden. Da diese sehr freundschaftlich waren, sei
auch auf wirtschaftlichem Gebiet kein Anlaß zu Konflikten gewesen. Rußland
habe daher, obgleich es mit anderen Staaten Handelsverträge abschloß, es
nicht für notwendig erachtet, sich gegen Deutschland durch einen Vertrag zu
sichern; es habe Deutschland ohne formellen Vertrag das Meistbegünstigungs¬
recht eingeräumt. So friedlich waren indessen die Handelsbeziehungen doch
nicht verlaufen; der Handel nach Rußland litt unter den hohen Zollsätzen, am
besten gedieh der Schleichhandel. Preußen legte Rußland eine Annäherung an
den Deutschen Zollverein nahe und zeigte ihm die Schäden seiner Prohibitiv-
politik. Der neue russische Zolltarif von 1850, an sich maßvoll gehalten, brachte
doch gerade für wichtige preußische Ausfuhrartikel eine Zollerhöhung, er brachte
auch die Einbeziehung Polens in die russische Zollgrenze. Preußen, das statt
dessen als einer Schädigung um Aufrechterhaltung des Wiener Vertrages von
1815 bemüht war, wurde von Rußland energisch „une loi8 pour toutes"
abgewiesen. Der maßvolle Protektionismus des russischen Zolltarifs hielt bis
1877 vor, als die neu angeordnete Zollzahlung in Gold eine Erhöhung der
Zölle um 33 Prozent brachte.

Ein Ukas des russischen Dirigierenden Senats vom 15. Mai 1860 wendete
im allgemeinen den Handel- und Schiffahrtsvertrag Rußlands mit Frankreich
vom 14. Juni 1857 auch auf den Deutschen Zollverein an. Im Jahre 1864
führten die Klagen über die Schwierigkeiten des deutsch-russischen Handelsverkehrs
zu einer Denkschrift des Deutschen Handelstags über den Abschluß eines Havdels-
und Zollvertrags zwischen den Staaten des Deutschen Zollvereins und Rußland,
die keine weiteren Erfolge als große Erörterungen, auch in der russischen Presse,
hatte. Die Absperrungsmaßregeln Rußlands schädigten schließlich, wie auch
Bismarck bei parlamentarischen Interpellationen 1867 und 1868 sagte, Rußland
selbst mehr als Preußen; konnte man doch die Verluste der russischen Zollkasse
durch den besonders von russischen Untertanen betriebenen Schmuggel auf jährlich


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[0065] Die Deutsch-Russischen Handelsverträge des Grenzkartells auf zwölf Jahre lam am 20. Mai 1844 doch zustande, über die Handelsfrage wurde nicht weiter verhandelt. Mit Bayern traf Rußland am 30. Juni 1353 auf fünf Jahre das Übereinkommen über die Donau- schiffahrt, daß die bayerischen Kauffahrteischiffe auf der unteren Donau in jeder Hinficht wie die österreichischen, umgekehrt die russischen Schiffe avf der bayerischen Donaustrecke wie die österreichischen Schiffe auf Grund des bayerisch¬ österreichischen Schiffahrtsvertrages vom 2. Dezember 1851 behandelt werden sollten. An dem Vertrag einer Reihe von Staaten mit Hannover über Ab¬ lösung des Elbzolls in Slave-Brunshausen vom 22. Juni 1861 war auch Rußland beteiligt und bezahlte 7983 Thaler Ablösung. Der nächste deutsch-russische Handelsvertrag stammt erst aus dem Jahre 1894. Als er im russischen Reichsrat besprochen wurde, hieß es in feiner Er¬ läuterung durch den Finanzminister: Die Handelsbeziehungen zu Deutschland hätten im Laufe des ganzen Jahrhunderts unter dem Einfluß der gegenseitigen politischen Beziehungen gestanden. Da diese sehr freundschaftlich waren, sei auch auf wirtschaftlichem Gebiet kein Anlaß zu Konflikten gewesen. Rußland habe daher, obgleich es mit anderen Staaten Handelsverträge abschloß, es nicht für notwendig erachtet, sich gegen Deutschland durch einen Vertrag zu sichern; es habe Deutschland ohne formellen Vertrag das Meistbegünstigungs¬ recht eingeräumt. So friedlich waren indessen die Handelsbeziehungen doch nicht verlaufen; der Handel nach Rußland litt unter den hohen Zollsätzen, am besten gedieh der Schleichhandel. Preußen legte Rußland eine Annäherung an den Deutschen Zollverein nahe und zeigte ihm die Schäden seiner Prohibitiv- politik. Der neue russische Zolltarif von 1850, an sich maßvoll gehalten, brachte doch gerade für wichtige preußische Ausfuhrartikel eine Zollerhöhung, er brachte auch die Einbeziehung Polens in die russische Zollgrenze. Preußen, das statt dessen als einer Schädigung um Aufrechterhaltung des Wiener Vertrages von 1815 bemüht war, wurde von Rußland energisch „une loi8 pour toutes" abgewiesen. Der maßvolle Protektionismus des russischen Zolltarifs hielt bis 1877 vor, als die neu angeordnete Zollzahlung in Gold eine Erhöhung der Zölle um 33 Prozent brachte. Ein Ukas des russischen Dirigierenden Senats vom 15. Mai 1860 wendete im allgemeinen den Handel- und Schiffahrtsvertrag Rußlands mit Frankreich vom 14. Juni 1857 auch auf den Deutschen Zollverein an. Im Jahre 1864 führten die Klagen über die Schwierigkeiten des deutsch-russischen Handelsverkehrs zu einer Denkschrift des Deutschen Handelstags über den Abschluß eines Havdels- und Zollvertrags zwischen den Staaten des Deutschen Zollvereins und Rußland, die keine weiteren Erfolge als große Erörterungen, auch in der russischen Presse, hatte. Die Absperrungsmaßregeln Rußlands schädigten schließlich, wie auch Bismarck bei parlamentarischen Interpellationen 1867 und 1868 sagte, Rußland selbst mehr als Preußen; konnte man doch die Verluste der russischen Zollkasse durch den besonders von russischen Untertanen betriebenen Schmuggel auf jährlich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/65>, abgerufen am 23.07.2024.