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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Die Deutsch-Russischen Handelsverträge

Nowgorod führte, ferner einen vom Jahre 1588 mit Feodor Jwanowitsch und
einen vom Jahre 1603, der infolge einer großen hansischen Gesandtschaft nach
Moskau mit Boris Feodorowitsch Godunow abgeschlossen wurde. Diesem letzten
der eigentlichen russischen Hanseverträge folgen noch eine Anzahl von Handels¬
privilegien, die die Zaren für große Kaufleute aus Hamburg und Lübeck aufstellten,
so in den Jahren 1615,1633.1636,1638.1644.1651. 1652, 1653. Es waren,
wie gesagt, besonders die Engländer, die seit ihrer Eröffnung der Schiffahrt nach
der Gegend von Archangelsk im Jahre 1553 den Deutschen Konkurrenz machten.
Auch für das heutige Verhältnis der Engländer zu den Deutschen im Welt¬
handel ist es noch von Interesse, wie die Engländer sich damals in Rußland
zu dem deutschen Wettbewerb stellten. Ein englischer Gesandter, der mit Iwan
Wasfiliewitsch dem Vierten, dem Grausamen, einen politischen und Handelsvertrag
abschließen sollte, verlangte 1583 Handelsvorrechte ausschließlich für die Eng¬
länder. Die verhandelnden Bojaren des Zaren wendeten ein, daß der Zar
an niemanden ausschließliche Rechte verleihe, daß die russischen Häfen allen
Fremden offen ständen. Der englische Gesandte Bowes erklärte dagegen
immer: "Wir wollen keine Nebenbuhler." Indes, die Russen erwiderten, sie
würden sich nicht zu Knechten der Engländer machen, die man in Rußland
wohl als Kaufleute zulasse, aber nicht als Herrscher.

Mit der stärkeren Anteilnahme der Moskaner Zaren an der europäischen
Politik seit der Wende des fünfzehnten zum sechszehnten Jahrhundert beginnt
dann, noch in der Zeit, da die sterbende Hanse um Wiederherstellung der alten
Handelsbeziehungen zu Moskau bemüht war, die Reihe der politischen Ver¬
handlungen und der Abschlüsse von Waffenruhm und Freundschaftsbündnissen
zwischen Rußland und dem deutschen Orden sowie den deutschen Kaisern,
in die mehrfach auch allgemeine Bestimmungen über Handel und Meist¬
begünstigung aufgenommen, oder Handelssatzungen eingeschaltet wurden, wie
wir das in der Gruppe der neueren Handelsverträge bei einer Reihe von
Allianzverträgen zwischen Preußen und Rußland vom Jahre 1726 an wieder
finden werden.

Die neuere Gruppe der deutsch-russischen Handelsverträge besteht wesentlich
aus Verträgen zwischen Rußland und Preußen bezw. dem Deutschen Reich.
Ihre genauere Geschichte müßte zugleich die Darlegung der allgemeinen
politischen Beziehungen dieser beiden Staaten zueinander sein. Aber nicht
nur die Wechselwirkung zwischen äußerer Politik und Handel kommt dabei zur
Geltung. Wohl ist z. B. die Zollpolitik eines Landes gegenüber einem anderen
abhängig von politischen Erwägungen, sie richtet sich danach, ob das eine Land
dem anderen mehr oder weniger freundschaftlich gegenübersteht. Aber gerade
bei Rußland war die Gestaltung der äußeren Handelsbeziehungen, wie sie
auch in der russischen Zolltarispolitik ihren Ausdruck findet, im Laufe der Zeit
vielfach abhängig von der inneren Politik, z. B. von nationalistischen Stro-


Die Deutsch-Russischen Handelsverträge

Nowgorod führte, ferner einen vom Jahre 1588 mit Feodor Jwanowitsch und
einen vom Jahre 1603, der infolge einer großen hansischen Gesandtschaft nach
Moskau mit Boris Feodorowitsch Godunow abgeschlossen wurde. Diesem letzten
der eigentlichen russischen Hanseverträge folgen noch eine Anzahl von Handels¬
privilegien, die die Zaren für große Kaufleute aus Hamburg und Lübeck aufstellten,
so in den Jahren 1615,1633.1636,1638.1644.1651. 1652, 1653. Es waren,
wie gesagt, besonders die Engländer, die seit ihrer Eröffnung der Schiffahrt nach
der Gegend von Archangelsk im Jahre 1553 den Deutschen Konkurrenz machten.
Auch für das heutige Verhältnis der Engländer zu den Deutschen im Welt¬
handel ist es noch von Interesse, wie die Engländer sich damals in Rußland
zu dem deutschen Wettbewerb stellten. Ein englischer Gesandter, der mit Iwan
Wasfiliewitsch dem Vierten, dem Grausamen, einen politischen und Handelsvertrag
abschließen sollte, verlangte 1583 Handelsvorrechte ausschließlich für die Eng¬
länder. Die verhandelnden Bojaren des Zaren wendeten ein, daß der Zar
an niemanden ausschließliche Rechte verleihe, daß die russischen Häfen allen
Fremden offen ständen. Der englische Gesandte Bowes erklärte dagegen
immer: „Wir wollen keine Nebenbuhler." Indes, die Russen erwiderten, sie
würden sich nicht zu Knechten der Engländer machen, die man in Rußland
wohl als Kaufleute zulasse, aber nicht als Herrscher.

Mit der stärkeren Anteilnahme der Moskaner Zaren an der europäischen
Politik seit der Wende des fünfzehnten zum sechszehnten Jahrhundert beginnt
dann, noch in der Zeit, da die sterbende Hanse um Wiederherstellung der alten
Handelsbeziehungen zu Moskau bemüht war, die Reihe der politischen Ver¬
handlungen und der Abschlüsse von Waffenruhm und Freundschaftsbündnissen
zwischen Rußland und dem deutschen Orden sowie den deutschen Kaisern,
in die mehrfach auch allgemeine Bestimmungen über Handel und Meist¬
begünstigung aufgenommen, oder Handelssatzungen eingeschaltet wurden, wie
wir das in der Gruppe der neueren Handelsverträge bei einer Reihe von
Allianzverträgen zwischen Preußen und Rußland vom Jahre 1726 an wieder
finden werden.

Die neuere Gruppe der deutsch-russischen Handelsverträge besteht wesentlich
aus Verträgen zwischen Rußland und Preußen bezw. dem Deutschen Reich.
Ihre genauere Geschichte müßte zugleich die Darlegung der allgemeinen
politischen Beziehungen dieser beiden Staaten zueinander sein. Aber nicht
nur die Wechselwirkung zwischen äußerer Politik und Handel kommt dabei zur
Geltung. Wohl ist z. B. die Zollpolitik eines Landes gegenüber einem anderen
abhängig von politischen Erwägungen, sie richtet sich danach, ob das eine Land
dem anderen mehr oder weniger freundschaftlich gegenübersteht. Aber gerade
bei Rußland war die Gestaltung der äußeren Handelsbeziehungen, wie sie
auch in der russischen Zolltarispolitik ihren Ausdruck findet, im Laufe der Zeit
vielfach abhängig von der inneren Politik, z. B. von nationalistischen Stro-


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[0057] Die Deutsch-Russischen Handelsverträge Nowgorod führte, ferner einen vom Jahre 1588 mit Feodor Jwanowitsch und einen vom Jahre 1603, der infolge einer großen hansischen Gesandtschaft nach Moskau mit Boris Feodorowitsch Godunow abgeschlossen wurde. Diesem letzten der eigentlichen russischen Hanseverträge folgen noch eine Anzahl von Handels¬ privilegien, die die Zaren für große Kaufleute aus Hamburg und Lübeck aufstellten, so in den Jahren 1615,1633.1636,1638.1644.1651. 1652, 1653. Es waren, wie gesagt, besonders die Engländer, die seit ihrer Eröffnung der Schiffahrt nach der Gegend von Archangelsk im Jahre 1553 den Deutschen Konkurrenz machten. Auch für das heutige Verhältnis der Engländer zu den Deutschen im Welt¬ handel ist es noch von Interesse, wie die Engländer sich damals in Rußland zu dem deutschen Wettbewerb stellten. Ein englischer Gesandter, der mit Iwan Wasfiliewitsch dem Vierten, dem Grausamen, einen politischen und Handelsvertrag abschließen sollte, verlangte 1583 Handelsvorrechte ausschließlich für die Eng¬ länder. Die verhandelnden Bojaren des Zaren wendeten ein, daß der Zar an niemanden ausschließliche Rechte verleihe, daß die russischen Häfen allen Fremden offen ständen. Der englische Gesandte Bowes erklärte dagegen immer: „Wir wollen keine Nebenbuhler." Indes, die Russen erwiderten, sie würden sich nicht zu Knechten der Engländer machen, die man in Rußland wohl als Kaufleute zulasse, aber nicht als Herrscher. Mit der stärkeren Anteilnahme der Moskaner Zaren an der europäischen Politik seit der Wende des fünfzehnten zum sechszehnten Jahrhundert beginnt dann, noch in der Zeit, da die sterbende Hanse um Wiederherstellung der alten Handelsbeziehungen zu Moskau bemüht war, die Reihe der politischen Ver¬ handlungen und der Abschlüsse von Waffenruhm und Freundschaftsbündnissen zwischen Rußland und dem deutschen Orden sowie den deutschen Kaisern, in die mehrfach auch allgemeine Bestimmungen über Handel und Meist¬ begünstigung aufgenommen, oder Handelssatzungen eingeschaltet wurden, wie wir das in der Gruppe der neueren Handelsverträge bei einer Reihe von Allianzverträgen zwischen Preußen und Rußland vom Jahre 1726 an wieder finden werden. Die neuere Gruppe der deutsch-russischen Handelsverträge besteht wesentlich aus Verträgen zwischen Rußland und Preußen bezw. dem Deutschen Reich. Ihre genauere Geschichte müßte zugleich die Darlegung der allgemeinen politischen Beziehungen dieser beiden Staaten zueinander sein. Aber nicht nur die Wechselwirkung zwischen äußerer Politik und Handel kommt dabei zur Geltung. Wohl ist z. B. die Zollpolitik eines Landes gegenüber einem anderen abhängig von politischen Erwägungen, sie richtet sich danach, ob das eine Land dem anderen mehr oder weniger freundschaftlich gegenübersteht. Aber gerade bei Rußland war die Gestaltung der äußeren Handelsbeziehungen, wie sie auch in der russischen Zolltarispolitik ihren Ausdruck findet, im Laufe der Zeit vielfach abhängig von der inneren Politik, z. B. von nationalistischen Stro-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/57>, abgerufen am 23.07.2024.