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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Neue Ziele, neue Wege

wir in diesem Kriege mit dem uns durch die Verhältnisse aufgezwungenen
Kriegssozialismus und der zentralisierten Verwaltung aller der vielen Aufgaben
gemacht haben, die sonst dem freien Wirtschaftsleben obgelegen haben, zeigen am
besten, daß eine Ausschaltung der Seelen Kräfte und ihrer Ersetzung durch eine staat¬
liche Zentrale ein Unding ist. Man sollte aber die Reform, die unabwendbar
geworden ist und zu der sich auch der preußische Ministerpräsident in so feier¬
licher und bestimmter Weise bekannt hat, nicht über das Knie brechen, und
zwar schon deshalb nicht, weil diejenigen doch auch ein Wort dabei mitzureden
haben, die jetzt im Felde stehen und durch ihre Leistungen einen erhöhten An¬
spruch auf staatliche Beachtung sich erworben haben. Es würde eine Bevor¬
mundung der Besten des Volkes und der deutschen Zukunft bedeuten, wollte
man über ihren Kopf hinweg zu neuen Maßnahmen schreiten. Wir in der Heimat,
unsere Parlamentarier, wenn auch natürlich die große Zeit nicht eindruckslos an
ihnen vorübergegangen ist, können doch zu wenig beurteilen, welch ein neues
Geschlecht in den Stürmen des Krieges herangewachsen ist. Wer wollte sich
vermessen, heute zu sagen, wie die nächsten Wahlen ausfallen werden? Ob sie,
wie manche behaupten, die sozialdemokratische Hochflut bringen werden oder
nicht und welcher Art im ersteren Falle die sozialdemokratische Hochflut wäre?
Aber selbst wenn diese Hochflut kommen sollte, brauchte man nicht zu ver¬
zweifeln. Das Geschlecht, das mit seinem Leben das Vaterland verteidigt hat,
wird das so schwer Errungene nicht irgendwelcher Theorien willen wieder
über den Haufen werfen, sondern im staatlichen Leben dasselbe Verantwort¬
lichkeitsgefühl bekunden, wie auf dem Schlachtfelde. Bei ihnen wird die Stimme
der Verführer keine Geltung haben, sondern nur der Führer, die sich ihrer
Verantwortung bewußt sind und an diesen wird es nicht fehlen, nachdem
draußen Angehörige aller Berufsstände in Tod und Gefahr zusammengestanden
und sich gegenseitig kennen und schätzen gelernt haben.

Der Geist der Unterordnung des einzelnen unter das große Ganze, dem
wir den Sieg gegen die Übermacht unserer Feinde verdanken, wird auch das
deutsche Volk in der Zeit des schwer errungenen Friedens beherrschen.




Neue Ziele, neue Wege

wir in diesem Kriege mit dem uns durch die Verhältnisse aufgezwungenen
Kriegssozialismus und der zentralisierten Verwaltung aller der vielen Aufgaben
gemacht haben, die sonst dem freien Wirtschaftsleben obgelegen haben, zeigen am
besten, daß eine Ausschaltung der Seelen Kräfte und ihrer Ersetzung durch eine staat¬
liche Zentrale ein Unding ist. Man sollte aber die Reform, die unabwendbar
geworden ist und zu der sich auch der preußische Ministerpräsident in so feier¬
licher und bestimmter Weise bekannt hat, nicht über das Knie brechen, und
zwar schon deshalb nicht, weil diejenigen doch auch ein Wort dabei mitzureden
haben, die jetzt im Felde stehen und durch ihre Leistungen einen erhöhten An¬
spruch auf staatliche Beachtung sich erworben haben. Es würde eine Bevor¬
mundung der Besten des Volkes und der deutschen Zukunft bedeuten, wollte
man über ihren Kopf hinweg zu neuen Maßnahmen schreiten. Wir in der Heimat,
unsere Parlamentarier, wenn auch natürlich die große Zeit nicht eindruckslos an
ihnen vorübergegangen ist, können doch zu wenig beurteilen, welch ein neues
Geschlecht in den Stürmen des Krieges herangewachsen ist. Wer wollte sich
vermessen, heute zu sagen, wie die nächsten Wahlen ausfallen werden? Ob sie,
wie manche behaupten, die sozialdemokratische Hochflut bringen werden oder
nicht und welcher Art im ersteren Falle die sozialdemokratische Hochflut wäre?
Aber selbst wenn diese Hochflut kommen sollte, brauchte man nicht zu ver¬
zweifeln. Das Geschlecht, das mit seinem Leben das Vaterland verteidigt hat,
wird das so schwer Errungene nicht irgendwelcher Theorien willen wieder
über den Haufen werfen, sondern im staatlichen Leben dasselbe Verantwort¬
lichkeitsgefühl bekunden, wie auf dem Schlachtfelde. Bei ihnen wird die Stimme
der Verführer keine Geltung haben, sondern nur der Führer, die sich ihrer
Verantwortung bewußt sind und an diesen wird es nicht fehlen, nachdem
draußen Angehörige aller Berufsstände in Tod und Gefahr zusammengestanden
und sich gegenseitig kennen und schätzen gelernt haben.

Der Geist der Unterordnung des einzelnen unter das große Ganze, dem
wir den Sieg gegen die Übermacht unserer Feinde verdanken, wird auch das
deutsche Volk in der Zeit des schwer errungenen Friedens beherrschen.




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[0403] Neue Ziele, neue Wege wir in diesem Kriege mit dem uns durch die Verhältnisse aufgezwungenen Kriegssozialismus und der zentralisierten Verwaltung aller der vielen Aufgaben gemacht haben, die sonst dem freien Wirtschaftsleben obgelegen haben, zeigen am besten, daß eine Ausschaltung der Seelen Kräfte und ihrer Ersetzung durch eine staat¬ liche Zentrale ein Unding ist. Man sollte aber die Reform, die unabwendbar geworden ist und zu der sich auch der preußische Ministerpräsident in so feier¬ licher und bestimmter Weise bekannt hat, nicht über das Knie brechen, und zwar schon deshalb nicht, weil diejenigen doch auch ein Wort dabei mitzureden haben, die jetzt im Felde stehen und durch ihre Leistungen einen erhöhten An¬ spruch auf staatliche Beachtung sich erworben haben. Es würde eine Bevor¬ mundung der Besten des Volkes und der deutschen Zukunft bedeuten, wollte man über ihren Kopf hinweg zu neuen Maßnahmen schreiten. Wir in der Heimat, unsere Parlamentarier, wenn auch natürlich die große Zeit nicht eindruckslos an ihnen vorübergegangen ist, können doch zu wenig beurteilen, welch ein neues Geschlecht in den Stürmen des Krieges herangewachsen ist. Wer wollte sich vermessen, heute zu sagen, wie die nächsten Wahlen ausfallen werden? Ob sie, wie manche behaupten, die sozialdemokratische Hochflut bringen werden oder nicht und welcher Art im ersteren Falle die sozialdemokratische Hochflut wäre? Aber selbst wenn diese Hochflut kommen sollte, brauchte man nicht zu ver¬ zweifeln. Das Geschlecht, das mit seinem Leben das Vaterland verteidigt hat, wird das so schwer Errungene nicht irgendwelcher Theorien willen wieder über den Haufen werfen, sondern im staatlichen Leben dasselbe Verantwort¬ lichkeitsgefühl bekunden, wie auf dem Schlachtfelde. Bei ihnen wird die Stimme der Verführer keine Geltung haben, sondern nur der Führer, die sich ihrer Verantwortung bewußt sind und an diesen wird es nicht fehlen, nachdem draußen Angehörige aller Berufsstände in Tod und Gefahr zusammengestanden und sich gegenseitig kennen und schätzen gelernt haben. Der Geist der Unterordnung des einzelnen unter das große Ganze, dem wir den Sieg gegen die Übermacht unserer Feinde verdanken, wird auch das deutsche Volk in der Zeit des schwer errungenen Friedens beherrschen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/403>, abgerufen am 23.07.2024.