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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Auslandsstudium und Kulturpolitik

Es handelt sich bei dem neuen Problem um drei Aufgaben: die wissen¬
schaftliche Auslandskunde, die politische Schulung von Beamten oder Privaten,
die ins Ausland wollen und ferner die Weckung außenpolitischen Interesses
und Verständnisses in der Heimat.

Allen dreiGefichtspunktenwill das Kultusministerium gleichmäßig gerecht werden.
Die Frage, ob hierfür das Reich oder Preußen zuständig ist, wird dahin be¬
antwortet, daß die Förderung der Studien allzeit Aufgabe der Bundesstaaten
war und daß keine Veranlassung vorliegt, hier an diesen Verhältnissen etwas
zu ändern. Wenn auch an den deutschen Hochschulen Reichsbeamte vorgebildet
werden, so ist das noch kein Grund dafür, den Ausbau des Studiums der
Reichsleitung zu übertragen. Denn die Aufgabe des Auslandsstudiums ist ja
nicht nur Beamte zu erziehen, sondern darüber hinaus auch den weiteren
Kreisen zu dienen oder wie es in der Denkschrift in klarer Form ausgesprochen
ist: "Es sollen auch Auslandsbeamte ausgebildet werden; aber was würde
eine noch so verschwenderisch ausgestattete Auslandshochschule, was würden
uns die bestausgebildeten Auslandsbeamten nützen, wenn die deutsche Bildung
nach wie vor binnenländisch orientiert bleiben würde. Die Erziehung zum
Weltvolk erfolgt nicht durch Konsul und Diplomatie, sondern den neuen Tat¬
sachen unserer Weltstellung gerecht werdende Erweiterung unserer Bildungs¬
inhalte." "Zwar werden", so heißt es ferner, "die bisherigen Fachinstitute
wie das Orientalische Seminar in Berlin oder das Hamburgische Kolonial-
Institut nie entbehrt werden können; aber darüber hinaus ist es notwendig,
daß die ganze akademische Jugend und nicht nur ein kleiner Kreis mit welt¬
politischen Denken sich erfüllt, und dies zu erreichen, ist nur im Rahmen der
Universitäten möglich, nicht durch Schaffung einer besonderen Auslands-
Hochschule."

Das Preußische Kultusministerium lehnt eine Zentralanstalt, wie sie eine
Auslandshochschule, Kolonialakademie oder dergleichen darstellen, ab, und nach
der Begründung, die hierfür gegeben wird, muß man sagen, daß diese Ab¬
lehnung durchaus berechtigt ist. Vor allem steckt sich das Kultusministerium
das Ziel für die Förderung der Auslandsstudien wesentlich weiter. Es will,
wie es sagt, unserer Bildung, die bisher allzu "einseitig literarisch, historisch,
ästhetisch gerichtet war, eine neue Note hinzufügen". Dies ist nach Auffassung
der Unterrichtsverwaltung um so notwendiger, als der Krieg uns gezeigt hat,
daß, das staatswissenschaftliche Verstehen der Gegenwart in Zukunft unentbehr¬
lich ist. Die Auslandsstudien sollen nicht nur den vorbereiten, der in das
Ausland will, sie sollen darüber hinaus auch demjenigen den Gesichtskreis
weiten, der in der Heimat bleibt. Dabei ist gedacht an die jungen Juristen,
an die kommenden Oberlehrer, von denen es heißt, daß sie unsere Bildungs¬
ideale in die Jugend der Zukunft pflanzen sollen und daß sie in ihren ein¬
drucksreichsten Jahren erfahren sollen, daß neben den Ideen von Weimar und
der Zucht von Potsdam das neue Deutschland andere Aufgaben zu erfüllen


Auslandsstudium und Kulturpolitik

Es handelt sich bei dem neuen Problem um drei Aufgaben: die wissen¬
schaftliche Auslandskunde, die politische Schulung von Beamten oder Privaten,
die ins Ausland wollen und ferner die Weckung außenpolitischen Interesses
und Verständnisses in der Heimat.

Allen dreiGefichtspunktenwill das Kultusministerium gleichmäßig gerecht werden.
Die Frage, ob hierfür das Reich oder Preußen zuständig ist, wird dahin be¬
antwortet, daß die Förderung der Studien allzeit Aufgabe der Bundesstaaten
war und daß keine Veranlassung vorliegt, hier an diesen Verhältnissen etwas
zu ändern. Wenn auch an den deutschen Hochschulen Reichsbeamte vorgebildet
werden, so ist das noch kein Grund dafür, den Ausbau des Studiums der
Reichsleitung zu übertragen. Denn die Aufgabe des Auslandsstudiums ist ja
nicht nur Beamte zu erziehen, sondern darüber hinaus auch den weiteren
Kreisen zu dienen oder wie es in der Denkschrift in klarer Form ausgesprochen
ist: „Es sollen auch Auslandsbeamte ausgebildet werden; aber was würde
eine noch so verschwenderisch ausgestattete Auslandshochschule, was würden
uns die bestausgebildeten Auslandsbeamten nützen, wenn die deutsche Bildung
nach wie vor binnenländisch orientiert bleiben würde. Die Erziehung zum
Weltvolk erfolgt nicht durch Konsul und Diplomatie, sondern den neuen Tat¬
sachen unserer Weltstellung gerecht werdende Erweiterung unserer Bildungs¬
inhalte." „Zwar werden", so heißt es ferner, „die bisherigen Fachinstitute
wie das Orientalische Seminar in Berlin oder das Hamburgische Kolonial-
Institut nie entbehrt werden können; aber darüber hinaus ist es notwendig,
daß die ganze akademische Jugend und nicht nur ein kleiner Kreis mit welt¬
politischen Denken sich erfüllt, und dies zu erreichen, ist nur im Rahmen der
Universitäten möglich, nicht durch Schaffung einer besonderen Auslands-
Hochschule."

Das Preußische Kultusministerium lehnt eine Zentralanstalt, wie sie eine
Auslandshochschule, Kolonialakademie oder dergleichen darstellen, ab, und nach
der Begründung, die hierfür gegeben wird, muß man sagen, daß diese Ab¬
lehnung durchaus berechtigt ist. Vor allem steckt sich das Kultusministerium
das Ziel für die Förderung der Auslandsstudien wesentlich weiter. Es will,
wie es sagt, unserer Bildung, die bisher allzu „einseitig literarisch, historisch,
ästhetisch gerichtet war, eine neue Note hinzufügen". Dies ist nach Auffassung
der Unterrichtsverwaltung um so notwendiger, als der Krieg uns gezeigt hat,
daß, das staatswissenschaftliche Verstehen der Gegenwart in Zukunft unentbehr¬
lich ist. Die Auslandsstudien sollen nicht nur den vorbereiten, der in das
Ausland will, sie sollen darüber hinaus auch demjenigen den Gesichtskreis
weiten, der in der Heimat bleibt. Dabei ist gedacht an die jungen Juristen,
an die kommenden Oberlehrer, von denen es heißt, daß sie unsere Bildungs¬
ideale in die Jugend der Zukunft pflanzen sollen und daß sie in ihren ein¬
drucksreichsten Jahren erfahren sollen, daß neben den Ideen von Weimar und
der Zucht von Potsdam das neue Deutschland andere Aufgaben zu erfüllen


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[0372] Auslandsstudium und Kulturpolitik Es handelt sich bei dem neuen Problem um drei Aufgaben: die wissen¬ schaftliche Auslandskunde, die politische Schulung von Beamten oder Privaten, die ins Ausland wollen und ferner die Weckung außenpolitischen Interesses und Verständnisses in der Heimat. Allen dreiGefichtspunktenwill das Kultusministerium gleichmäßig gerecht werden. Die Frage, ob hierfür das Reich oder Preußen zuständig ist, wird dahin be¬ antwortet, daß die Förderung der Studien allzeit Aufgabe der Bundesstaaten war und daß keine Veranlassung vorliegt, hier an diesen Verhältnissen etwas zu ändern. Wenn auch an den deutschen Hochschulen Reichsbeamte vorgebildet werden, so ist das noch kein Grund dafür, den Ausbau des Studiums der Reichsleitung zu übertragen. Denn die Aufgabe des Auslandsstudiums ist ja nicht nur Beamte zu erziehen, sondern darüber hinaus auch den weiteren Kreisen zu dienen oder wie es in der Denkschrift in klarer Form ausgesprochen ist: „Es sollen auch Auslandsbeamte ausgebildet werden; aber was würde eine noch so verschwenderisch ausgestattete Auslandshochschule, was würden uns die bestausgebildeten Auslandsbeamten nützen, wenn die deutsche Bildung nach wie vor binnenländisch orientiert bleiben würde. Die Erziehung zum Weltvolk erfolgt nicht durch Konsul und Diplomatie, sondern den neuen Tat¬ sachen unserer Weltstellung gerecht werdende Erweiterung unserer Bildungs¬ inhalte." „Zwar werden", so heißt es ferner, „die bisherigen Fachinstitute wie das Orientalische Seminar in Berlin oder das Hamburgische Kolonial- Institut nie entbehrt werden können; aber darüber hinaus ist es notwendig, daß die ganze akademische Jugend und nicht nur ein kleiner Kreis mit welt¬ politischen Denken sich erfüllt, und dies zu erreichen, ist nur im Rahmen der Universitäten möglich, nicht durch Schaffung einer besonderen Auslands- Hochschule." Das Preußische Kultusministerium lehnt eine Zentralanstalt, wie sie eine Auslandshochschule, Kolonialakademie oder dergleichen darstellen, ab, und nach der Begründung, die hierfür gegeben wird, muß man sagen, daß diese Ab¬ lehnung durchaus berechtigt ist. Vor allem steckt sich das Kultusministerium das Ziel für die Förderung der Auslandsstudien wesentlich weiter. Es will, wie es sagt, unserer Bildung, die bisher allzu „einseitig literarisch, historisch, ästhetisch gerichtet war, eine neue Note hinzufügen". Dies ist nach Auffassung der Unterrichtsverwaltung um so notwendiger, als der Krieg uns gezeigt hat, daß, das staatswissenschaftliche Verstehen der Gegenwart in Zukunft unentbehr¬ lich ist. Die Auslandsstudien sollen nicht nur den vorbereiten, der in das Ausland will, sie sollen darüber hinaus auch demjenigen den Gesichtskreis weiten, der in der Heimat bleibt. Dabei ist gedacht an die jungen Juristen, an die kommenden Oberlehrer, von denen es heißt, daß sie unsere Bildungs¬ ideale in die Jugend der Zukunft pflanzen sollen und daß sie in ihren ein¬ drucksreichsten Jahren erfahren sollen, daß neben den Ideen von Weimar und der Zucht von Potsdam das neue Deutschland andere Aufgaben zu erfüllen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/372>, abgerufen am 25.08.2024.