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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Deutschland und England in Afrika

seiner Hauptstadt (1873). Vollends geriet sie in englische Abhängigkeit, nach¬
dem ein Jahr später Sansibars Angebot, unter deutschen Schutz zu treten, von
Bismarck abgelehnt wurde. Die Insel ist seitdem englisch, wenn auch dem
Namen nach unabhängig.

Nun aber begannen mit dem Erblühen des einigen Drüschen Reiches auch
deutsche Kaufleute die ostafrikanische Küste zu betreten und Gerhard Rolfs, der
derzeitige deutsche Generalkonsul, unterstützte sie nach besten Kräften. Bereits
im Februar 1885 wehte die schwarz-weiß-rote Flagge über einem ostafrikanischen
Schutzgebiet von über 120000 Quadratkilometer, Sansibar gsgeuüber. England
machte gute Miene zum bösen Spiel. Alle Quertreibereien Gladstones durch
sofortige Gründung einer britisch-ostafrilonischen Gesellschaft, alle Vorhaltungen
beim Sultan, selbst die Erregung eines Aufstandes der Wiens und Wassagaras
verfehlten ihre Wirkung. Konnte es England so nicht verhindern, daß die
Deutschen die Küste besetzten und Vertrüge mit den eingeborenen Machthaber"
abschloß, so versuchte es wenigstens, sich das Hinterland zu sichern, um so nach
Fehlschlagen des Kongodurchgangs eine Verbindung zwischen dem englischen Süd¬
afrika und dem Sudan herzustellen.

Immerhin muß man sagen, daß die in jenen Tagen bewußt einsetzende
imperialistische Politik Englands mit dem Vertrag vom 29. Oktober 1886 ihre
ersten Erfolge erzielte, nicht nur insofern, als Frankreich dadurch fast völlig in
Ostafrika ausgeschaltet wurde, sondern auch durch die erste feste Grenzregelung



zwischen England und Deutschland: die deutsch-
englische Grenze zwischen der Küste und den; Viktoria-
see. wie sie heute noch besteht, verdankt ihm ihr Dasein.
Im übrigen sind die Verhältnisse an der ostafrika¬
nischen Küste ziemlich verwickelt. Doch dürfte es
immerhin am Platze sein, im gegenwärtigen Zu¬
sammenhang auf diese Dinge nochmals kurz einzu¬
gehen*), wobei ich die territorialen Machtverschie-
bungen vom Kap Gardafui bis zum Kapland unter
besonderer Berücksichtigung Englands und Deutsch¬
lands betrachte:

1. Zeit von 1870 bis 1884: Die Küste bleibt
im wesentlichen den Arabern überlasten; nur Portugal
hat seinen bereits im Anfang des sechzehnten Jahr¬
hunderts erworbenen Besitz etwa vom Kap Delgado
bis zur Delagoabai noch in Händen; Natal ist feit
1824 britisch; ebenso (wenn auch nicht völkerrechtlich,
s. o.) seit 1873 Sansibar. -- Deutschland versucht
1834 die Erwerbung der Se. Lr. ciabucht südlich der



*) Nach Supan, die territoriale Entwicklung der europäischen Kolonien. Gotha,
Perthes 1399.
Deutschland und England in Afrika

seiner Hauptstadt (1873). Vollends geriet sie in englische Abhängigkeit, nach¬
dem ein Jahr später Sansibars Angebot, unter deutschen Schutz zu treten, von
Bismarck abgelehnt wurde. Die Insel ist seitdem englisch, wenn auch dem
Namen nach unabhängig.

Nun aber begannen mit dem Erblühen des einigen Drüschen Reiches auch
deutsche Kaufleute die ostafrikanische Küste zu betreten und Gerhard Rolfs, der
derzeitige deutsche Generalkonsul, unterstützte sie nach besten Kräften. Bereits
im Februar 1885 wehte die schwarz-weiß-rote Flagge über einem ostafrikanischen
Schutzgebiet von über 120000 Quadratkilometer, Sansibar gsgeuüber. England
machte gute Miene zum bösen Spiel. Alle Quertreibereien Gladstones durch
sofortige Gründung einer britisch-ostafrilonischen Gesellschaft, alle Vorhaltungen
beim Sultan, selbst die Erregung eines Aufstandes der Wiens und Wassagaras
verfehlten ihre Wirkung. Konnte es England so nicht verhindern, daß die
Deutschen die Küste besetzten und Vertrüge mit den eingeborenen Machthaber»
abschloß, so versuchte es wenigstens, sich das Hinterland zu sichern, um so nach
Fehlschlagen des Kongodurchgangs eine Verbindung zwischen dem englischen Süd¬
afrika und dem Sudan herzustellen.

Immerhin muß man sagen, daß die in jenen Tagen bewußt einsetzende
imperialistische Politik Englands mit dem Vertrag vom 29. Oktober 1886 ihre
ersten Erfolge erzielte, nicht nur insofern, als Frankreich dadurch fast völlig in
Ostafrika ausgeschaltet wurde, sondern auch durch die erste feste Grenzregelung



zwischen England und Deutschland: die deutsch-
englische Grenze zwischen der Küste und den; Viktoria-
see. wie sie heute noch besteht, verdankt ihm ihr Dasein.
Im übrigen sind die Verhältnisse an der ostafrika¬
nischen Küste ziemlich verwickelt. Doch dürfte es
immerhin am Platze sein, im gegenwärtigen Zu¬
sammenhang auf diese Dinge nochmals kurz einzu¬
gehen*), wobei ich die territorialen Machtverschie-
bungen vom Kap Gardafui bis zum Kapland unter
besonderer Berücksichtigung Englands und Deutsch¬
lands betrachte:

1. Zeit von 1870 bis 1884: Die Küste bleibt
im wesentlichen den Arabern überlasten; nur Portugal
hat seinen bereits im Anfang des sechzehnten Jahr¬
hunderts erworbenen Besitz etwa vom Kap Delgado
bis zur Delagoabai noch in Händen; Natal ist feit
1824 britisch; ebenso (wenn auch nicht völkerrechtlich,
s. o.) seit 1873 Sansibar. — Deutschland versucht
1834 die Erwerbung der Se. Lr. ciabucht südlich der



*) Nach Supan, die territoriale Entwicklung der europäischen Kolonien. Gotha,
Perthes 1399.
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[0346] Deutschland und England in Afrika seiner Hauptstadt (1873). Vollends geriet sie in englische Abhängigkeit, nach¬ dem ein Jahr später Sansibars Angebot, unter deutschen Schutz zu treten, von Bismarck abgelehnt wurde. Die Insel ist seitdem englisch, wenn auch dem Namen nach unabhängig. Nun aber begannen mit dem Erblühen des einigen Drüschen Reiches auch deutsche Kaufleute die ostafrikanische Küste zu betreten und Gerhard Rolfs, der derzeitige deutsche Generalkonsul, unterstützte sie nach besten Kräften. Bereits im Februar 1885 wehte die schwarz-weiß-rote Flagge über einem ostafrikanischen Schutzgebiet von über 120000 Quadratkilometer, Sansibar gsgeuüber. England machte gute Miene zum bösen Spiel. Alle Quertreibereien Gladstones durch sofortige Gründung einer britisch-ostafrilonischen Gesellschaft, alle Vorhaltungen beim Sultan, selbst die Erregung eines Aufstandes der Wiens und Wassagaras verfehlten ihre Wirkung. Konnte es England so nicht verhindern, daß die Deutschen die Küste besetzten und Vertrüge mit den eingeborenen Machthaber» abschloß, so versuchte es wenigstens, sich das Hinterland zu sichern, um so nach Fehlschlagen des Kongodurchgangs eine Verbindung zwischen dem englischen Süd¬ afrika und dem Sudan herzustellen. Immerhin muß man sagen, daß die in jenen Tagen bewußt einsetzende imperialistische Politik Englands mit dem Vertrag vom 29. Oktober 1886 ihre ersten Erfolge erzielte, nicht nur insofern, als Frankreich dadurch fast völlig in Ostafrika ausgeschaltet wurde, sondern auch durch die erste feste Grenzregelung [Abbildung] zwischen England und Deutschland: die deutsch- englische Grenze zwischen der Küste und den; Viktoria- see. wie sie heute noch besteht, verdankt ihm ihr Dasein. Im übrigen sind die Verhältnisse an der ostafrika¬ nischen Küste ziemlich verwickelt. Doch dürfte es immerhin am Platze sein, im gegenwärtigen Zu¬ sammenhang auf diese Dinge nochmals kurz einzu¬ gehen*), wobei ich die territorialen Machtverschie- bungen vom Kap Gardafui bis zum Kapland unter besonderer Berücksichtigung Englands und Deutsch¬ lands betrachte: 1. Zeit von 1870 bis 1884: Die Küste bleibt im wesentlichen den Arabern überlasten; nur Portugal hat seinen bereits im Anfang des sechzehnten Jahr¬ hunderts erworbenen Besitz etwa vom Kap Delgado bis zur Delagoabai noch in Händen; Natal ist feit 1824 britisch; ebenso (wenn auch nicht völkerrechtlich, s. o.) seit 1873 Sansibar. — Deutschland versucht 1834 die Erwerbung der Se. Lr. ciabucht südlich der *) Nach Supan, die territoriale Entwicklung der europäischen Kolonien. Gotha, Perthes 1399.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/346>, abgerufen am 23.07.2024.