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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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werden und damit als "Bundesgenosse" gegen Japan künstig nicht mehr in
Betracht kommen könne; ferner die. daß ein siegreiches Deutschland in seiner
Jugendkraft und bei seiner wirtschaftlichen Tüchtigkeit, seinem Fleiß und seiner
wissenschaftlich-technischen Bildung einen viel gefährlicheren Wettbewerber auf
dem Weltmarkte in Zukunft darstellen werde, als dies dem alternden England
jemals, selbst im Falle eines vollkommenen Sieges, möglich gewesen wäre. So
brauchen wir uns nicht zu wundern, daß die Union die diplomatischen Be¬
ziehungen zu uns abbrach; wir brauchen aber auch nichts zu fürchten, wenn
es selbst zum Kriege zwischen uns und den Vereinigten Staaten käme, wenn
wir andererseits England durch den verschärften U-Bootskrieg mürbe machen
können. Die Vereinigten Staaten werden uns in Zukunft dann nötiger haben
als wir sie, gerade mit Rücksicht auf den japanischen Konflikt; sie werden sich
deshalb auch zu weitgehenden Zugeständnissen in wirtschaftlicher Beziehung
gegenüber Deutschland bereit finden lassen. Jedenfalls wäre es jetzt ein ver¬
hängnisvoller Fehler, wenn unsere führenden Männer den U-Bootskrieg ein¬
schränkten, um einen weiteren und schärferen Konflikt mit der Union zu ver¬
meiden.

Wilson hat geglaubt, die Neutralen würden ihm leicht folgen und nicht
nur die diplomatischen Beziehungen zu uns abbrechen, sondern uns teilweise
sogar den Krieg erklären. In dieser Rechnung hat er sich geirrt. Es zeigt
sich eben, wie vorteilhaft es für uns ist, daß der Ankündigung des verschärften
U°Boots!rieges die Erklärung unseres Friedensangebots und dessen Ablehnung
durch unsere Gegner vorausgegangen waren. Im Frühjahr 1916, als wir
uns von Wilson die größte Demütigung gefallen lassen mußten, die uns jemals
seit 1870 zugemutet worden ist, mußten wir mit einer anderen Welt- und
Sachlage rechnen. Wäre damals der Bruch mit der Union erfolgt, so wäre
wohl nicht nur sofort Rumänien, sondern vielleicht noch manch anderer damals
neutraler Staat kriegerisch, zusammen mit unseren anderen Feinden, gegen
uns vorgegangen. Einem solchen gemeinsamen und gleichzeitigen Ansturm
hätten wir aber wohl kaum Stand halten können..

So günstige Wirkungen aber auch das Friedensangebot in dieser und
sonstiger Hinsicht, im neutralen Ausland und im eigenen Lande, gezeitigt hat.
so müssen wir andererseits doch einem gnädigen Geschicke oder der Verblendung
unserer Feinde danken, daß diese es nicht angenommen haben. Abgesehen
davon, daß bei diplomatischen Verhandlungen und auf Konferenzen zum Zwecke
einer "Verständigung" leicht die Feder wieder das verdorben hätte, was das
Schwert uns errungen hat, so hätte auch die Gefahr nahe gelegen, daß Wilson
schließlich doch als Vermittler aufgetreten wäre, wenn wir uns auch zunächst
seine vermittelnde Tätigkeit höflich, aber entschieden verbeten hatten. Heute,
da Wilson die Maske abgenommen hat. zeigt es sich deutlicher denn je, daß
er niemals eine neutrale, sondern immer eine englandfreundliche und deutsch¬
feindliche Politik betrieben hat, daß er also niemals, ein "ehrlicher Makler"


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tvilson, Japan und wir

werden und damit als „Bundesgenosse" gegen Japan künstig nicht mehr in
Betracht kommen könne; ferner die. daß ein siegreiches Deutschland in seiner
Jugendkraft und bei seiner wirtschaftlichen Tüchtigkeit, seinem Fleiß und seiner
wissenschaftlich-technischen Bildung einen viel gefährlicheren Wettbewerber auf
dem Weltmarkte in Zukunft darstellen werde, als dies dem alternden England
jemals, selbst im Falle eines vollkommenen Sieges, möglich gewesen wäre. So
brauchen wir uns nicht zu wundern, daß die Union die diplomatischen Be¬
ziehungen zu uns abbrach; wir brauchen aber auch nichts zu fürchten, wenn
es selbst zum Kriege zwischen uns und den Vereinigten Staaten käme, wenn
wir andererseits England durch den verschärften U-Bootskrieg mürbe machen
können. Die Vereinigten Staaten werden uns in Zukunft dann nötiger haben
als wir sie, gerade mit Rücksicht auf den japanischen Konflikt; sie werden sich
deshalb auch zu weitgehenden Zugeständnissen in wirtschaftlicher Beziehung
gegenüber Deutschland bereit finden lassen. Jedenfalls wäre es jetzt ein ver¬
hängnisvoller Fehler, wenn unsere führenden Männer den U-Bootskrieg ein¬
schränkten, um einen weiteren und schärferen Konflikt mit der Union zu ver¬
meiden.

Wilson hat geglaubt, die Neutralen würden ihm leicht folgen und nicht
nur die diplomatischen Beziehungen zu uns abbrechen, sondern uns teilweise
sogar den Krieg erklären. In dieser Rechnung hat er sich geirrt. Es zeigt
sich eben, wie vorteilhaft es für uns ist, daß der Ankündigung des verschärften
U°Boots!rieges die Erklärung unseres Friedensangebots und dessen Ablehnung
durch unsere Gegner vorausgegangen waren. Im Frühjahr 1916, als wir
uns von Wilson die größte Demütigung gefallen lassen mußten, die uns jemals
seit 1870 zugemutet worden ist, mußten wir mit einer anderen Welt- und
Sachlage rechnen. Wäre damals der Bruch mit der Union erfolgt, so wäre
wohl nicht nur sofort Rumänien, sondern vielleicht noch manch anderer damals
neutraler Staat kriegerisch, zusammen mit unseren anderen Feinden, gegen
uns vorgegangen. Einem solchen gemeinsamen und gleichzeitigen Ansturm
hätten wir aber wohl kaum Stand halten können..

So günstige Wirkungen aber auch das Friedensangebot in dieser und
sonstiger Hinsicht, im neutralen Ausland und im eigenen Lande, gezeitigt hat.
so müssen wir andererseits doch einem gnädigen Geschicke oder der Verblendung
unserer Feinde danken, daß diese es nicht angenommen haben. Abgesehen
davon, daß bei diplomatischen Verhandlungen und auf Konferenzen zum Zwecke
einer „Verständigung" leicht die Feder wieder das verdorben hätte, was das
Schwert uns errungen hat, so hätte auch die Gefahr nahe gelegen, daß Wilson
schließlich doch als Vermittler aufgetreten wäre, wenn wir uns auch zunächst
seine vermittelnde Tätigkeit höflich, aber entschieden verbeten hatten. Heute,
da Wilson die Maske abgenommen hat. zeigt es sich deutlicher denn je, daß
er niemals eine neutrale, sondern immer eine englandfreundliche und deutsch¬
feindliche Politik betrieben hat, daß er also niemals, ein „ehrlicher Makler"


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[0271] tvilson, Japan und wir werden und damit als „Bundesgenosse" gegen Japan künstig nicht mehr in Betracht kommen könne; ferner die. daß ein siegreiches Deutschland in seiner Jugendkraft und bei seiner wirtschaftlichen Tüchtigkeit, seinem Fleiß und seiner wissenschaftlich-technischen Bildung einen viel gefährlicheren Wettbewerber auf dem Weltmarkte in Zukunft darstellen werde, als dies dem alternden England jemals, selbst im Falle eines vollkommenen Sieges, möglich gewesen wäre. So brauchen wir uns nicht zu wundern, daß die Union die diplomatischen Be¬ ziehungen zu uns abbrach; wir brauchen aber auch nichts zu fürchten, wenn es selbst zum Kriege zwischen uns und den Vereinigten Staaten käme, wenn wir andererseits England durch den verschärften U-Bootskrieg mürbe machen können. Die Vereinigten Staaten werden uns in Zukunft dann nötiger haben als wir sie, gerade mit Rücksicht auf den japanischen Konflikt; sie werden sich deshalb auch zu weitgehenden Zugeständnissen in wirtschaftlicher Beziehung gegenüber Deutschland bereit finden lassen. Jedenfalls wäre es jetzt ein ver¬ hängnisvoller Fehler, wenn unsere führenden Männer den U-Bootskrieg ein¬ schränkten, um einen weiteren und schärferen Konflikt mit der Union zu ver¬ meiden. Wilson hat geglaubt, die Neutralen würden ihm leicht folgen und nicht nur die diplomatischen Beziehungen zu uns abbrechen, sondern uns teilweise sogar den Krieg erklären. In dieser Rechnung hat er sich geirrt. Es zeigt sich eben, wie vorteilhaft es für uns ist, daß der Ankündigung des verschärften U°Boots!rieges die Erklärung unseres Friedensangebots und dessen Ablehnung durch unsere Gegner vorausgegangen waren. Im Frühjahr 1916, als wir uns von Wilson die größte Demütigung gefallen lassen mußten, die uns jemals seit 1870 zugemutet worden ist, mußten wir mit einer anderen Welt- und Sachlage rechnen. Wäre damals der Bruch mit der Union erfolgt, so wäre wohl nicht nur sofort Rumänien, sondern vielleicht noch manch anderer damals neutraler Staat kriegerisch, zusammen mit unseren anderen Feinden, gegen uns vorgegangen. Einem solchen gemeinsamen und gleichzeitigen Ansturm hätten wir aber wohl kaum Stand halten können.. So günstige Wirkungen aber auch das Friedensangebot in dieser und sonstiger Hinsicht, im neutralen Ausland und im eigenen Lande, gezeitigt hat. so müssen wir andererseits doch einem gnädigen Geschicke oder der Verblendung unserer Feinde danken, daß diese es nicht angenommen haben. Abgesehen davon, daß bei diplomatischen Verhandlungen und auf Konferenzen zum Zwecke einer „Verständigung" leicht die Feder wieder das verdorben hätte, was das Schwert uns errungen hat, so hätte auch die Gefahr nahe gelegen, daß Wilson schließlich doch als Vermittler aufgetreten wäre, wenn wir uns auch zunächst seine vermittelnde Tätigkeit höflich, aber entschieden verbeten hatten. Heute, da Wilson die Maske abgenommen hat. zeigt es sich deutlicher denn je, daß er niemals eine neutrale, sondern immer eine englandfreundliche und deutsch¬ feindliche Politik betrieben hat, daß er also niemals, ein „ehrlicher Makler" 17»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/271>, abgerufen am 23.07.2024.