Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

zu einer großen Familie vereint, täglich mehr Fortschritte machen, die Politik
immer humaner und die Gegenstände des Ehrgeizes und die Ursachen der
Feindseligkeiten stets sich verringern würden. Der Vertrag erscheint ihm als der
freisinnigste, der je von unabhängigen Mächten abgeschlossen wurde, durchaus
originell in verschiedenen seiner Artikeln, und als Grundlage des Völkerverkehrs
einst geeignet, eine allgemeine Pazifikation herbeizuführen.

Aber auch von preußischer Seite, wo man den realen Dingen des Lebens
nüchterner ins Auge sah, wo eine lange Leidenszeit Volk und Regierung
belehrt hatte, daß mit schönen Worten und philosophischen Systemen einer Welt
von neidischen, haßerfüllten Gegnern nicht Widerstand geleistet werden könne,
wurde der Vertrag über alle Maßen gepriesen und als einen der humanster Akte
der Negierung des großen Königs angesehen.

Preußen hatte keinen Grund, über den Vertrag allzusehr zu frohlocken.
Die Humanitätsideen, die den jungen amerikanischen Staat groß und stark
gemacht hatten, verschwanden bald unter dem erstickenden Druck des allmächtigen
Dollars. Der rasch aufblühende Handel und der damit leicht gewonnene Reich¬
tum trugen nicht dazu bei, den großen Prinzipien eine dauernde Heimstätte
in der neuen Welt zu bereiten. Immer mehr zeigte es sich, wie unheilvoll das
rein kaufmännische Interesse die ganze auswärtige Politik der Nation bestimmte
und ihr jede Großartigkeit und jeden Schwung nahm.

Während Preußen sich ehrlich mühte, in Europa die Vorkämpferin für ein
humanes Seerecht zu werden, enthält doch das preußische Landrecht vor allen
andern Gesetzbüchern, lange schon vor der Pariser Deklaration, einige Artikel
über die Sicherstellung des Handels der Neutralen in Kriegszeit und über die
Blockade, so trat in Amerika schon einige Jahre nach dem Abschluß des Ver¬
trages ein großer Umschwung ein. Bei Erneuerung des preußisch-amerikanischen
Handelsvertrages von 1799 wurden die so hoch gefeierten Bestimmungen des
Artikel 23 über die Ausstellung von Kaperbriefen fallen gelassen, da die
amerikanische Regierung sich inzwischen infolge ihres gewaltig aufblühenden See¬
handels von der Wichtigkeit und dem Vorteil der Kaperei für Amerika überzeugt
hatte. Ebenso bestimmte der Paragraph 13 dieses Vertrages, der dann auch
in den dritten, heute noch geltenden Vertrag von 1828 aufgenommen wurde,
daß im Falle eine der beiden Mächte in einen Krieg verwickelt werde, während
die andere sich neutral verhalte, "daß in einem solchen Kriegsfalle zur Ver¬
meidung aller gewöhnlich über Konterbande entstehenden Schwierigkeiten und
Mißverständnisse alle Artikel wie Waffen, Munition und Kriegsbedürfnisse jeder
Art. welche in den Schiffen der von den Untertanen oder Bürgern der einen
Macht dem Feinde der andern zugeführt werden, nicht als Konterbande gelten
sollen, so daß sie weder konfisziert noch kondemniert werden, noch dem betreffen¬
den Individuum Verlust verursachen solle. Der Kriegführende kann die also
beladenen Schiffe aber auf ihrer Fahrt anhalten und die ihm brauchbar er¬
scheinenden Waren gegen Zahlung des Preises für sich behalten, muß aber das


Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

zu einer großen Familie vereint, täglich mehr Fortschritte machen, die Politik
immer humaner und die Gegenstände des Ehrgeizes und die Ursachen der
Feindseligkeiten stets sich verringern würden. Der Vertrag erscheint ihm als der
freisinnigste, der je von unabhängigen Mächten abgeschlossen wurde, durchaus
originell in verschiedenen seiner Artikeln, und als Grundlage des Völkerverkehrs
einst geeignet, eine allgemeine Pazifikation herbeizuführen.

Aber auch von preußischer Seite, wo man den realen Dingen des Lebens
nüchterner ins Auge sah, wo eine lange Leidenszeit Volk und Regierung
belehrt hatte, daß mit schönen Worten und philosophischen Systemen einer Welt
von neidischen, haßerfüllten Gegnern nicht Widerstand geleistet werden könne,
wurde der Vertrag über alle Maßen gepriesen und als einen der humanster Akte
der Negierung des großen Königs angesehen.

Preußen hatte keinen Grund, über den Vertrag allzusehr zu frohlocken.
Die Humanitätsideen, die den jungen amerikanischen Staat groß und stark
gemacht hatten, verschwanden bald unter dem erstickenden Druck des allmächtigen
Dollars. Der rasch aufblühende Handel und der damit leicht gewonnene Reich¬
tum trugen nicht dazu bei, den großen Prinzipien eine dauernde Heimstätte
in der neuen Welt zu bereiten. Immer mehr zeigte es sich, wie unheilvoll das
rein kaufmännische Interesse die ganze auswärtige Politik der Nation bestimmte
und ihr jede Großartigkeit und jeden Schwung nahm.

Während Preußen sich ehrlich mühte, in Europa die Vorkämpferin für ein
humanes Seerecht zu werden, enthält doch das preußische Landrecht vor allen
andern Gesetzbüchern, lange schon vor der Pariser Deklaration, einige Artikel
über die Sicherstellung des Handels der Neutralen in Kriegszeit und über die
Blockade, so trat in Amerika schon einige Jahre nach dem Abschluß des Ver¬
trages ein großer Umschwung ein. Bei Erneuerung des preußisch-amerikanischen
Handelsvertrages von 1799 wurden die so hoch gefeierten Bestimmungen des
Artikel 23 über die Ausstellung von Kaperbriefen fallen gelassen, da die
amerikanische Regierung sich inzwischen infolge ihres gewaltig aufblühenden See¬
handels von der Wichtigkeit und dem Vorteil der Kaperei für Amerika überzeugt
hatte. Ebenso bestimmte der Paragraph 13 dieses Vertrages, der dann auch
in den dritten, heute noch geltenden Vertrag von 1828 aufgenommen wurde,
daß im Falle eine der beiden Mächte in einen Krieg verwickelt werde, während
die andere sich neutral verhalte, „daß in einem solchen Kriegsfalle zur Ver¬
meidung aller gewöhnlich über Konterbande entstehenden Schwierigkeiten und
Mißverständnisse alle Artikel wie Waffen, Munition und Kriegsbedürfnisse jeder
Art. welche in den Schiffen der von den Untertanen oder Bürgern der einen
Macht dem Feinde der andern zugeführt werden, nicht als Konterbande gelten
sollen, so daß sie weder konfisziert noch kondemniert werden, noch dem betreffen¬
den Individuum Verlust verursachen solle. Der Kriegführende kann die also
beladenen Schiffe aber auf ihrer Fahrt anhalten und die ihm brauchbar er¬
scheinenden Waren gegen Zahlung des Preises für sich behalten, muß aber das


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0251" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331659"/>
          <fw type="header" place="top"> Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_785" prev="#ID_784"> zu einer großen Familie vereint, täglich mehr Fortschritte machen, die Politik<lb/>
immer humaner und die Gegenstände des Ehrgeizes und die Ursachen der<lb/>
Feindseligkeiten stets sich verringern würden. Der Vertrag erscheint ihm als der<lb/>
freisinnigste, der je von unabhängigen Mächten abgeschlossen wurde, durchaus<lb/>
originell in verschiedenen seiner Artikeln, und als Grundlage des Völkerverkehrs<lb/>
einst geeignet, eine allgemeine Pazifikation herbeizuführen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_786"> Aber auch von preußischer Seite, wo man den realen Dingen des Lebens<lb/>
nüchterner ins Auge sah, wo eine lange Leidenszeit Volk und Regierung<lb/>
belehrt hatte, daß mit schönen Worten und philosophischen Systemen einer Welt<lb/>
von neidischen, haßerfüllten Gegnern nicht Widerstand geleistet werden könne,<lb/>
wurde der Vertrag über alle Maßen gepriesen und als einen der humanster Akte<lb/>
der Negierung des großen Königs angesehen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_787"> Preußen hatte keinen Grund, über den Vertrag allzusehr zu frohlocken.<lb/>
Die Humanitätsideen, die den jungen amerikanischen Staat groß und stark<lb/>
gemacht hatten, verschwanden bald unter dem erstickenden Druck des allmächtigen<lb/>
Dollars. Der rasch aufblühende Handel und der damit leicht gewonnene Reich¬<lb/>
tum trugen nicht dazu bei, den großen Prinzipien eine dauernde Heimstätte<lb/>
in der neuen Welt zu bereiten. Immer mehr zeigte es sich, wie unheilvoll das<lb/>
rein kaufmännische Interesse die ganze auswärtige Politik der Nation bestimmte<lb/>
und ihr jede Großartigkeit und jeden Schwung nahm.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_788" next="#ID_789"> Während Preußen sich ehrlich mühte, in Europa die Vorkämpferin für ein<lb/>
humanes Seerecht zu werden, enthält doch das preußische Landrecht vor allen<lb/>
andern Gesetzbüchern, lange schon vor der Pariser Deklaration, einige Artikel<lb/>
über die Sicherstellung des Handels der Neutralen in Kriegszeit und über die<lb/>
Blockade, so trat in Amerika schon einige Jahre nach dem Abschluß des Ver¬<lb/>
trages ein großer Umschwung ein. Bei Erneuerung des preußisch-amerikanischen<lb/>
Handelsvertrages von 1799 wurden die so hoch gefeierten Bestimmungen des<lb/>
Artikel 23 über die Ausstellung von Kaperbriefen fallen gelassen, da die<lb/>
amerikanische Regierung sich inzwischen infolge ihres gewaltig aufblühenden See¬<lb/>
handels von der Wichtigkeit und dem Vorteil der Kaperei für Amerika überzeugt<lb/>
hatte. Ebenso bestimmte der Paragraph 13 dieses Vertrages, der dann auch<lb/>
in den dritten, heute noch geltenden Vertrag von 1828 aufgenommen wurde,<lb/>
daß im Falle eine der beiden Mächte in einen Krieg verwickelt werde, während<lb/>
die andere sich neutral verhalte, &#x201E;daß in einem solchen Kriegsfalle zur Ver¬<lb/>
meidung aller gewöhnlich über Konterbande entstehenden Schwierigkeiten und<lb/>
Mißverständnisse alle Artikel wie Waffen, Munition und Kriegsbedürfnisse jeder<lb/>
Art. welche in den Schiffen der von den Untertanen oder Bürgern der einen<lb/>
Macht dem Feinde der andern zugeführt werden, nicht als Konterbande gelten<lb/>
sollen, so daß sie weder konfisziert noch kondemniert werden, noch dem betreffen¬<lb/>
den Individuum Verlust verursachen solle. Der Kriegführende kann die also<lb/>
beladenen Schiffe aber auf ihrer Fahrt anhalten und die ihm brauchbar er¬<lb/>
scheinenden Waren gegen Zahlung des Preises für sich behalten, muß aber das</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0251] Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag zu einer großen Familie vereint, täglich mehr Fortschritte machen, die Politik immer humaner und die Gegenstände des Ehrgeizes und die Ursachen der Feindseligkeiten stets sich verringern würden. Der Vertrag erscheint ihm als der freisinnigste, der je von unabhängigen Mächten abgeschlossen wurde, durchaus originell in verschiedenen seiner Artikeln, und als Grundlage des Völkerverkehrs einst geeignet, eine allgemeine Pazifikation herbeizuführen. Aber auch von preußischer Seite, wo man den realen Dingen des Lebens nüchterner ins Auge sah, wo eine lange Leidenszeit Volk und Regierung belehrt hatte, daß mit schönen Worten und philosophischen Systemen einer Welt von neidischen, haßerfüllten Gegnern nicht Widerstand geleistet werden könne, wurde der Vertrag über alle Maßen gepriesen und als einen der humanster Akte der Negierung des großen Königs angesehen. Preußen hatte keinen Grund, über den Vertrag allzusehr zu frohlocken. Die Humanitätsideen, die den jungen amerikanischen Staat groß und stark gemacht hatten, verschwanden bald unter dem erstickenden Druck des allmächtigen Dollars. Der rasch aufblühende Handel und der damit leicht gewonnene Reich¬ tum trugen nicht dazu bei, den großen Prinzipien eine dauernde Heimstätte in der neuen Welt zu bereiten. Immer mehr zeigte es sich, wie unheilvoll das rein kaufmännische Interesse die ganze auswärtige Politik der Nation bestimmte und ihr jede Großartigkeit und jeden Schwung nahm. Während Preußen sich ehrlich mühte, in Europa die Vorkämpferin für ein humanes Seerecht zu werden, enthält doch das preußische Landrecht vor allen andern Gesetzbüchern, lange schon vor der Pariser Deklaration, einige Artikel über die Sicherstellung des Handels der Neutralen in Kriegszeit und über die Blockade, so trat in Amerika schon einige Jahre nach dem Abschluß des Ver¬ trages ein großer Umschwung ein. Bei Erneuerung des preußisch-amerikanischen Handelsvertrages von 1799 wurden die so hoch gefeierten Bestimmungen des Artikel 23 über die Ausstellung von Kaperbriefen fallen gelassen, da die amerikanische Regierung sich inzwischen infolge ihres gewaltig aufblühenden See¬ handels von der Wichtigkeit und dem Vorteil der Kaperei für Amerika überzeugt hatte. Ebenso bestimmte der Paragraph 13 dieses Vertrages, der dann auch in den dritten, heute noch geltenden Vertrag von 1828 aufgenommen wurde, daß im Falle eine der beiden Mächte in einen Krieg verwickelt werde, während die andere sich neutral verhalte, „daß in einem solchen Kriegsfalle zur Ver¬ meidung aller gewöhnlich über Konterbande entstehenden Schwierigkeiten und Mißverständnisse alle Artikel wie Waffen, Munition und Kriegsbedürfnisse jeder Art. welche in den Schiffen der von den Untertanen oder Bürgern der einen Macht dem Feinde der andern zugeführt werden, nicht als Konterbande gelten sollen, so daß sie weder konfisziert noch kondemniert werden, noch dem betreffen¬ den Individuum Verlust verursachen solle. Der Kriegführende kann die also beladenen Schiffe aber auf ihrer Fahrt anhalten und die ihm brauchbar er¬ scheinenden Waren gegen Zahlung des Preises für sich behalten, muß aber das

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/251
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/251>, abgerufen am 25.08.2024.