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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

zusetzen, in entlegene und rauhe Himmelsgegenden verschickt oder in enge und
ungesunde Wohnungen zusammengedrängt zu werden, machen sich beide
kontrahierende Teile feierlich und vor den Augen der ganzen Welt gegenseitig
verbindlich, daß sie keinen jener Gebräuche befolgen wollen; daß die Kriegs¬
gefangenen, die sie gegenseitig machen könnten, weder nach Ostindien, noch nach
einer anderen Gegend Asiens oder nach Afrika transportiert werden sollen;
sondern daß man ihnen in Europa oder in Amerika in den respektiven Ge¬
bieten der kontrahierenden Teile einen in einer gesunden Gegend gelegenen
Aufenthalt anweisen, sie aber nicht in finstere Löcher, in Kerker oder Gefängnis¬
schiffe einsperren, daß man sie weder in Fesseln schmieden noch knebeln, noch
auf eine andere Art des Gebrauchs ihrer Glieder berauben wolle, daß man
ferner die Offiziere auf ihr Ehrenwort in Bezirken gewisser ihnen zu bestim¬
menden Distrikte frei herumgehen und ihnen bequeme Wohnungen anweisen
lasse, die gemeinen Soldaten aber in offene und geräumige Kantonierungs-
quartiere verteilen wolle, wo sie hinreichend frische Luft schöpfen und körper¬
liche Übungen anstellen können, und daß man sie in ebenso geräumige und
bequeme Kasernen einquartieren wolle, als die Soldaten der Macht selbst haben,
in deren Gewalt sie sich befinden, und daß endlich den Offizieren sowohl als
den gemeinen Soldaten täglich ebensolche Rationen gereicht werden sollen, als
die eigenen Truppen dieser Macht nach Verschiedenheit des Ranges er¬
halten." . . .

Die übrigen Artikel bestimmen die Anstellung von Konsulen, Vizekonsulen
und Agenten in den betreffenden Häfen der kontrahierenden Mächte. Der
letzte Siebenundzwanzigste Artikel verschafft dem Vertrag für die Dauer von zehn
Jahren Gültigkeit. Er wurde am 2. Juli 1785 von Franklin in Paris, am
28. Juli von Jefferson ebenda und am 6. August von Adams in London
unterzeichnet, während ihn Friedrich am 24. September ratifizierte.

Seltener wohl ist ein Vertrag mit größerer Begeisterung aufgenommen, mit
übertriebeneren Erwartungen und Zukunftsplänen verknüpft worden als dieser.
Je zurückhaltender und indolenter die übrigen Staaten waren, um so freudiger
hatte man in Amerika nach der dargebotenen Hand in Preußen gegriffen,
erkannte man doch mit richtigem Instinkt, daß die Verbindung mit einem Fürsten
wie Friedrich die Bedeutung, das Ansehen der Vereinigten Staaten gewaltig
erhöhen müsse. "Ich freue mich der Tatsache", so schrieb Adams an Thulemeier,
"daß der König uns die Ehre arent, mit der platonischen Philosophie einiger
unserer Artikel übereinzustimmen, die wenigstens eine gute Lehre für die Mensch¬
heit enthalten und durch einen vom König von Preußen genehmigten Vertrag
mehr Einfluß gewinnen werden als durch die Schriften Platos oder Sir
Thomas Mores."

Auch Washington hält den neuen Handelsvertrag für den Anfang einer
neuen Ära in der Diplomatie und schwelgt schon in den wundervollsten Zukunfts¬
bildern, da die Menschheit, veredelt durch den Handel, durch brüderliche Bande


Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

zusetzen, in entlegene und rauhe Himmelsgegenden verschickt oder in enge und
ungesunde Wohnungen zusammengedrängt zu werden, machen sich beide
kontrahierende Teile feierlich und vor den Augen der ganzen Welt gegenseitig
verbindlich, daß sie keinen jener Gebräuche befolgen wollen; daß die Kriegs¬
gefangenen, die sie gegenseitig machen könnten, weder nach Ostindien, noch nach
einer anderen Gegend Asiens oder nach Afrika transportiert werden sollen;
sondern daß man ihnen in Europa oder in Amerika in den respektiven Ge¬
bieten der kontrahierenden Teile einen in einer gesunden Gegend gelegenen
Aufenthalt anweisen, sie aber nicht in finstere Löcher, in Kerker oder Gefängnis¬
schiffe einsperren, daß man sie weder in Fesseln schmieden noch knebeln, noch
auf eine andere Art des Gebrauchs ihrer Glieder berauben wolle, daß man
ferner die Offiziere auf ihr Ehrenwort in Bezirken gewisser ihnen zu bestim¬
menden Distrikte frei herumgehen und ihnen bequeme Wohnungen anweisen
lasse, die gemeinen Soldaten aber in offene und geräumige Kantonierungs-
quartiere verteilen wolle, wo sie hinreichend frische Luft schöpfen und körper¬
liche Übungen anstellen können, und daß man sie in ebenso geräumige und
bequeme Kasernen einquartieren wolle, als die Soldaten der Macht selbst haben,
in deren Gewalt sie sich befinden, und daß endlich den Offizieren sowohl als
den gemeinen Soldaten täglich ebensolche Rationen gereicht werden sollen, als
die eigenen Truppen dieser Macht nach Verschiedenheit des Ranges er¬
halten." . . .

Die übrigen Artikel bestimmen die Anstellung von Konsulen, Vizekonsulen
und Agenten in den betreffenden Häfen der kontrahierenden Mächte. Der
letzte Siebenundzwanzigste Artikel verschafft dem Vertrag für die Dauer von zehn
Jahren Gültigkeit. Er wurde am 2. Juli 1785 von Franklin in Paris, am
28. Juli von Jefferson ebenda und am 6. August von Adams in London
unterzeichnet, während ihn Friedrich am 24. September ratifizierte.

Seltener wohl ist ein Vertrag mit größerer Begeisterung aufgenommen, mit
übertriebeneren Erwartungen und Zukunftsplänen verknüpft worden als dieser.
Je zurückhaltender und indolenter die übrigen Staaten waren, um so freudiger
hatte man in Amerika nach der dargebotenen Hand in Preußen gegriffen,
erkannte man doch mit richtigem Instinkt, daß die Verbindung mit einem Fürsten
wie Friedrich die Bedeutung, das Ansehen der Vereinigten Staaten gewaltig
erhöhen müsse. „Ich freue mich der Tatsache", so schrieb Adams an Thulemeier,
„daß der König uns die Ehre arent, mit der platonischen Philosophie einiger
unserer Artikel übereinzustimmen, die wenigstens eine gute Lehre für die Mensch¬
heit enthalten und durch einen vom König von Preußen genehmigten Vertrag
mehr Einfluß gewinnen werden als durch die Schriften Platos oder Sir
Thomas Mores."

Auch Washington hält den neuen Handelsvertrag für den Anfang einer
neuen Ära in der Diplomatie und schwelgt schon in den wundervollsten Zukunfts¬
bildern, da die Menschheit, veredelt durch den Handel, durch brüderliche Bande


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/250>, abgerufen am 25.08.2024.