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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Der preußisch-amerikanische Frcundschaftsvertrag

Diese Doktrinen sind zum erstenmal klar formuliert worden in den
Instruktionen, die der Kongreß den drei Bevollmächtigten Adams. Jefferson und
Franklin nach Europa mitgab, damit sie auf dieser Grundlage Handelsverträge
zu schließen suchten. Sie enthalten schöne Worte und schöne Träume von
Menschheitsbeglückung und Idealen, von Weltbürgertum und ewigem Frieden,
Utopien, wie sie der Stimmung eines Jahrhunderts entsprachen, das alle Erfahrung
und Geschichte leugnete, das auf Grund abstrakter Theorien und philosophischer
Systeme die Völker lenken, die Politik verbessern, aus der ganzen Welt aber
ein vollkommenes Elnsium machen wollte. Doch enthalten diese Instruktionen
auch "gesunde staatsrechtliche Grundsätze und eine nüchterne Auffassung der
realen Lebensbedingungen," vor allem aber ein paar Bestimmungen, "welche wie
die Leuchttürme einer besseren Zukunft dastehen und den Bereinigten Staaten
gleich in den ersten Anfängen ihrer Geschichte eine stolze Stellung unter den
Seemächten anweisen". Es sind die tapferen Worte von der Freiheit der
Meere, von den Rechten der Neutralen, von dem Wesen der Kriegskonterbande
und von Bedingungen der Gültigkeit der Blokade, die der eben erst entstandene
Staat den alten Mächten vorzulegen wagte, um das Recht zur See zu mildern
und die Kriege menschlicher zu gestalten. Bis weit in das neunzehnte Jahr¬
hundert hinein haben die Amerikaner diese Sätze immer wieder verfochten. Sie
find seit dem Pariser Frieden von 1856 von fast allen Nationen anerkannt
worden und teilweise in das moderne Völkerrecht übergegangen. Und erst in
unseren Tagen ist das freie Amerika, das sich rühmen konnte, "dem mittel¬
alterlichen Faustrecht auf der See, dem Unfug des Piratenwesens den ersten
empfindlichen Stoß gegeben zu haben", seiner großen Vergangenheit untreu,
selber der Schleppträger der ersten Piratenmacht geworden.

Die Verhandlungen, die dem Vertrag vorangingen, wurden von Thulemeier,
einem aus alter, westfälischer Beamtenfamilie stammenden, preußische" Gesandten
und von Adams, dem späteren Nachfolger Washingtons, einem ruhigen, gewiegten,
vorsichtigen Diplomaten im Haag eingeleitet und später neben Adams von
Jefferson und Franklin zu Ende geführt. Wir erfahren aus diesen Verhandlungen,
daß es Friedrich besonders darauf ankam, den englischen Zwischenhandel durch
einen direkten Verkehr mit Amerika zu umgehen, wäre doch, wie er sich
äußerte, ein direkter Handel immer mehr wert als einer durch zweite Hand.

Schon am 9. April 1784 waren die Verhandlungen so weit gediehen,
daß Thulemeier einen von dem preußischen Minister Schulenburg aufgesetzten
Vertragsentwurf dem amerikanischen Gesandten zustellen konnte, der aus sieben-
undzwanzig Artikeln bestand. Seine Grundlage bildete der schwedisch-amerika¬
nische Handelsvertrag vom 3. April 1783. "Da es", so heißt es in dem
dritten Artikel dieses Entwurfes, "die Hauptabsicht dieses Vertrages ist, einen
gegenseitigen Handelsverkehr zwischen den Angehörigen beider Staaten zu be¬
gründen und ihnen auf diese Weise einen sicheren und leichten Weg für den
Austausch ihrer Produkte zu eröffnen, so kommen die beiden kontrahierenden


Der preußisch-amerikanische Frcundschaftsvertrag

Diese Doktrinen sind zum erstenmal klar formuliert worden in den
Instruktionen, die der Kongreß den drei Bevollmächtigten Adams. Jefferson und
Franklin nach Europa mitgab, damit sie auf dieser Grundlage Handelsverträge
zu schließen suchten. Sie enthalten schöne Worte und schöne Träume von
Menschheitsbeglückung und Idealen, von Weltbürgertum und ewigem Frieden,
Utopien, wie sie der Stimmung eines Jahrhunderts entsprachen, das alle Erfahrung
und Geschichte leugnete, das auf Grund abstrakter Theorien und philosophischer
Systeme die Völker lenken, die Politik verbessern, aus der ganzen Welt aber
ein vollkommenes Elnsium machen wollte. Doch enthalten diese Instruktionen
auch „gesunde staatsrechtliche Grundsätze und eine nüchterne Auffassung der
realen Lebensbedingungen," vor allem aber ein paar Bestimmungen, „welche wie
die Leuchttürme einer besseren Zukunft dastehen und den Bereinigten Staaten
gleich in den ersten Anfängen ihrer Geschichte eine stolze Stellung unter den
Seemächten anweisen". Es sind die tapferen Worte von der Freiheit der
Meere, von den Rechten der Neutralen, von dem Wesen der Kriegskonterbande
und von Bedingungen der Gültigkeit der Blokade, die der eben erst entstandene
Staat den alten Mächten vorzulegen wagte, um das Recht zur See zu mildern
und die Kriege menschlicher zu gestalten. Bis weit in das neunzehnte Jahr¬
hundert hinein haben die Amerikaner diese Sätze immer wieder verfochten. Sie
find seit dem Pariser Frieden von 1856 von fast allen Nationen anerkannt
worden und teilweise in das moderne Völkerrecht übergegangen. Und erst in
unseren Tagen ist das freie Amerika, das sich rühmen konnte, „dem mittel¬
alterlichen Faustrecht auf der See, dem Unfug des Piratenwesens den ersten
empfindlichen Stoß gegeben zu haben", seiner großen Vergangenheit untreu,
selber der Schleppträger der ersten Piratenmacht geworden.

Die Verhandlungen, die dem Vertrag vorangingen, wurden von Thulemeier,
einem aus alter, westfälischer Beamtenfamilie stammenden, preußische» Gesandten
und von Adams, dem späteren Nachfolger Washingtons, einem ruhigen, gewiegten,
vorsichtigen Diplomaten im Haag eingeleitet und später neben Adams von
Jefferson und Franklin zu Ende geführt. Wir erfahren aus diesen Verhandlungen,
daß es Friedrich besonders darauf ankam, den englischen Zwischenhandel durch
einen direkten Verkehr mit Amerika zu umgehen, wäre doch, wie er sich
äußerte, ein direkter Handel immer mehr wert als einer durch zweite Hand.

Schon am 9. April 1784 waren die Verhandlungen so weit gediehen,
daß Thulemeier einen von dem preußischen Minister Schulenburg aufgesetzten
Vertragsentwurf dem amerikanischen Gesandten zustellen konnte, der aus sieben-
undzwanzig Artikeln bestand. Seine Grundlage bildete der schwedisch-amerika¬
nische Handelsvertrag vom 3. April 1783. „Da es", so heißt es in dem
dritten Artikel dieses Entwurfes, „die Hauptabsicht dieses Vertrages ist, einen
gegenseitigen Handelsverkehr zwischen den Angehörigen beider Staaten zu be¬
gründen und ihnen auf diese Weise einen sicheren und leichten Weg für den
Austausch ihrer Produkte zu eröffnen, so kommen die beiden kontrahierenden


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[0246] Der preußisch-amerikanische Frcundschaftsvertrag Diese Doktrinen sind zum erstenmal klar formuliert worden in den Instruktionen, die der Kongreß den drei Bevollmächtigten Adams. Jefferson und Franklin nach Europa mitgab, damit sie auf dieser Grundlage Handelsverträge zu schließen suchten. Sie enthalten schöne Worte und schöne Träume von Menschheitsbeglückung und Idealen, von Weltbürgertum und ewigem Frieden, Utopien, wie sie der Stimmung eines Jahrhunderts entsprachen, das alle Erfahrung und Geschichte leugnete, das auf Grund abstrakter Theorien und philosophischer Systeme die Völker lenken, die Politik verbessern, aus der ganzen Welt aber ein vollkommenes Elnsium machen wollte. Doch enthalten diese Instruktionen auch „gesunde staatsrechtliche Grundsätze und eine nüchterne Auffassung der realen Lebensbedingungen," vor allem aber ein paar Bestimmungen, „welche wie die Leuchttürme einer besseren Zukunft dastehen und den Bereinigten Staaten gleich in den ersten Anfängen ihrer Geschichte eine stolze Stellung unter den Seemächten anweisen". Es sind die tapferen Worte von der Freiheit der Meere, von den Rechten der Neutralen, von dem Wesen der Kriegskonterbande und von Bedingungen der Gültigkeit der Blokade, die der eben erst entstandene Staat den alten Mächten vorzulegen wagte, um das Recht zur See zu mildern und die Kriege menschlicher zu gestalten. Bis weit in das neunzehnte Jahr¬ hundert hinein haben die Amerikaner diese Sätze immer wieder verfochten. Sie find seit dem Pariser Frieden von 1856 von fast allen Nationen anerkannt worden und teilweise in das moderne Völkerrecht übergegangen. Und erst in unseren Tagen ist das freie Amerika, das sich rühmen konnte, „dem mittel¬ alterlichen Faustrecht auf der See, dem Unfug des Piratenwesens den ersten empfindlichen Stoß gegeben zu haben", seiner großen Vergangenheit untreu, selber der Schleppträger der ersten Piratenmacht geworden. Die Verhandlungen, die dem Vertrag vorangingen, wurden von Thulemeier, einem aus alter, westfälischer Beamtenfamilie stammenden, preußische» Gesandten und von Adams, dem späteren Nachfolger Washingtons, einem ruhigen, gewiegten, vorsichtigen Diplomaten im Haag eingeleitet und später neben Adams von Jefferson und Franklin zu Ende geführt. Wir erfahren aus diesen Verhandlungen, daß es Friedrich besonders darauf ankam, den englischen Zwischenhandel durch einen direkten Verkehr mit Amerika zu umgehen, wäre doch, wie er sich äußerte, ein direkter Handel immer mehr wert als einer durch zweite Hand. Schon am 9. April 1784 waren die Verhandlungen so weit gediehen, daß Thulemeier einen von dem preußischen Minister Schulenburg aufgesetzten Vertragsentwurf dem amerikanischen Gesandten zustellen konnte, der aus sieben- undzwanzig Artikeln bestand. Seine Grundlage bildete der schwedisch-amerika¬ nische Handelsvertrag vom 3. April 1783. „Da es", so heißt es in dem dritten Artikel dieses Entwurfes, „die Hauptabsicht dieses Vertrages ist, einen gegenseitigen Handelsverkehr zwischen den Angehörigen beider Staaten zu be¬ gründen und ihnen auf diese Weise einen sicheren und leichten Weg für den Austausch ihrer Produkte zu eröffnen, so kommen die beiden kontrahierenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/246>, abgerufen am 25.08.2024.