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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

Ebenso hatte schon während des Krieges der Kongreß versucht, Friedrich
für einen Handels- und Freundschaftsvertrag zu gewinnen. Für Preußen
wäre ein solches Bündnis von großem Nutzen gewesen. Denn es war eine
Lieblingsidee des Königs, den ostfriesischen Handel durch Erschließung der
amerikanischen Märkte zu heben, für sich selber aber aus den Kolonien billigen
Tabak für die Königliche Tabaksadministration zu gewinnen.

Doch alle Verhandlungen während des englisch-amerikanischen Krieges
hatten zu keinem Ergebnis geführt, so rücksichtslos der selbstbewußte ameri¬
kanische Agent auch alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um zu seinem Ziele
zu gelangen. Dem vorsichtigen König war es damals noch zu gewagt er¬
schienen, "unter den gegenwärtigen Konjunkturen" sofort einen Handel mit
Amerika zu eröffnen, habe er doch, wie er immer wieder erklärte, keine Flotte,
keine Marine, keine bewaffneten Schiffe, während 80 bis 90 englische Schiffe
auf den verschiedenen Meeren umherschwärmten und ihm alles nehmen
würden. "So wahr ist es", schreibt er bitter an Schulenburg, "daß eine
Macht, welche keine Kriegsflotte hat. nicht darauf rechnen darf, ihre Kauf-
fahrteiflagge in Kriegszeiten respektiert zu sehen." Deshalb wollteer auch
damals die Engländer nicht reizen, indem er den amerikanischen Kapern den
Aufenthalt und den amerikanischen Kauffahrteischiffen den freien Handel in
preußischen Häfen erlaubte. Doch vermied er es auch auf der anderen Seite
ängstlich, die Amerikaner zu verstimmen, damit er sich schließlich "auf
die Seite dessen schlagen könne, für welchen das Glück sich erklären
würde".

Wirklich wurden denn auch gleich nach dem Pariser Frieden die Ver¬
handlungen zwischen Amerika und Preußen wieder aufgenommen. Diesmal,
da von dem geschwächten England nichts zu fürchten, von der siegreichen
Republik aber viel zu gewinnen war, wurden sie auch von preußischer Seite
mit dem größten Nachdruck betrieben. Schon im Juli 1783 konnte Franklin
an den Kongreß berichten, "daß auch Preußen sich am Handel mit Amerika zu
beteiligen wünsche, und daß sein Gesandter, wenn er auch direkt noch keinen
Vertrag vorgeschlagen, ihm doch eine Liste von Artikeln mit der Bitte übergeben
habe, sie amerikanischen Kaufleuten zur Kenntnisnahme einzusenden."

Auf die einzelnen Verhandlungen, die dem preußisch-amerikanischen Handels¬
vertrag vorausgingen, näher einzugehen, würde zu weit führen. Auf Grund
archivalischer Quellen find sie von Friedrich Kapp in seinem kleinen Buch:
"Friedrich der Große und die Vereinigten Staaten von Amerika" gründlich
dargelegt worden. Was sie für uns heute noch interessant und wichtig machen,
ist die Höflichkeit, Vornehmheit und Ruhe, mit der man auf beiden Seiten
arbeitete, die zuvorkommende und großzügige Art, mit der man die gegenseitigen
Wünsche zu berücksichtigen strebte, vor allem aber die Tatsache, daß Preußen als
der erste europäische Staat sich rückhaltlos zu den neuen völkerrechtlichen
Doktrinen der amerikanischen Republik bekannte.


Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag

Ebenso hatte schon während des Krieges der Kongreß versucht, Friedrich
für einen Handels- und Freundschaftsvertrag zu gewinnen. Für Preußen
wäre ein solches Bündnis von großem Nutzen gewesen. Denn es war eine
Lieblingsidee des Königs, den ostfriesischen Handel durch Erschließung der
amerikanischen Märkte zu heben, für sich selber aber aus den Kolonien billigen
Tabak für die Königliche Tabaksadministration zu gewinnen.

Doch alle Verhandlungen während des englisch-amerikanischen Krieges
hatten zu keinem Ergebnis geführt, so rücksichtslos der selbstbewußte ameri¬
kanische Agent auch alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um zu seinem Ziele
zu gelangen. Dem vorsichtigen König war es damals noch zu gewagt er¬
schienen, „unter den gegenwärtigen Konjunkturen" sofort einen Handel mit
Amerika zu eröffnen, habe er doch, wie er immer wieder erklärte, keine Flotte,
keine Marine, keine bewaffneten Schiffe, während 80 bis 90 englische Schiffe
auf den verschiedenen Meeren umherschwärmten und ihm alles nehmen
würden. „So wahr ist es", schreibt er bitter an Schulenburg, „daß eine
Macht, welche keine Kriegsflotte hat. nicht darauf rechnen darf, ihre Kauf-
fahrteiflagge in Kriegszeiten respektiert zu sehen." Deshalb wollteer auch
damals die Engländer nicht reizen, indem er den amerikanischen Kapern den
Aufenthalt und den amerikanischen Kauffahrteischiffen den freien Handel in
preußischen Häfen erlaubte. Doch vermied er es auch auf der anderen Seite
ängstlich, die Amerikaner zu verstimmen, damit er sich schließlich „auf
die Seite dessen schlagen könne, für welchen das Glück sich erklären
würde".

Wirklich wurden denn auch gleich nach dem Pariser Frieden die Ver¬
handlungen zwischen Amerika und Preußen wieder aufgenommen. Diesmal,
da von dem geschwächten England nichts zu fürchten, von der siegreichen
Republik aber viel zu gewinnen war, wurden sie auch von preußischer Seite
mit dem größten Nachdruck betrieben. Schon im Juli 1783 konnte Franklin
an den Kongreß berichten, „daß auch Preußen sich am Handel mit Amerika zu
beteiligen wünsche, und daß sein Gesandter, wenn er auch direkt noch keinen
Vertrag vorgeschlagen, ihm doch eine Liste von Artikeln mit der Bitte übergeben
habe, sie amerikanischen Kaufleuten zur Kenntnisnahme einzusenden."

Auf die einzelnen Verhandlungen, die dem preußisch-amerikanischen Handels¬
vertrag vorausgingen, näher einzugehen, würde zu weit führen. Auf Grund
archivalischer Quellen find sie von Friedrich Kapp in seinem kleinen Buch:
„Friedrich der Große und die Vereinigten Staaten von Amerika" gründlich
dargelegt worden. Was sie für uns heute noch interessant und wichtig machen,
ist die Höflichkeit, Vornehmheit und Ruhe, mit der man auf beiden Seiten
arbeitete, die zuvorkommende und großzügige Art, mit der man die gegenseitigen
Wünsche zu berücksichtigen strebte, vor allem aber die Tatsache, daß Preußen als
der erste europäische Staat sich rückhaltlos zu den neuen völkerrechtlichen
Doktrinen der amerikanischen Republik bekannte.


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[0245] Der preußisch-amerikanische Freundschaftsvertrag Ebenso hatte schon während des Krieges der Kongreß versucht, Friedrich für einen Handels- und Freundschaftsvertrag zu gewinnen. Für Preußen wäre ein solches Bündnis von großem Nutzen gewesen. Denn es war eine Lieblingsidee des Königs, den ostfriesischen Handel durch Erschließung der amerikanischen Märkte zu heben, für sich selber aber aus den Kolonien billigen Tabak für die Königliche Tabaksadministration zu gewinnen. Doch alle Verhandlungen während des englisch-amerikanischen Krieges hatten zu keinem Ergebnis geführt, so rücksichtslos der selbstbewußte ameri¬ kanische Agent auch alle Hebel in Bewegung gesetzt hatte, um zu seinem Ziele zu gelangen. Dem vorsichtigen König war es damals noch zu gewagt er¬ schienen, „unter den gegenwärtigen Konjunkturen" sofort einen Handel mit Amerika zu eröffnen, habe er doch, wie er immer wieder erklärte, keine Flotte, keine Marine, keine bewaffneten Schiffe, während 80 bis 90 englische Schiffe auf den verschiedenen Meeren umherschwärmten und ihm alles nehmen würden. „So wahr ist es", schreibt er bitter an Schulenburg, „daß eine Macht, welche keine Kriegsflotte hat. nicht darauf rechnen darf, ihre Kauf- fahrteiflagge in Kriegszeiten respektiert zu sehen." Deshalb wollteer auch damals die Engländer nicht reizen, indem er den amerikanischen Kapern den Aufenthalt und den amerikanischen Kauffahrteischiffen den freien Handel in preußischen Häfen erlaubte. Doch vermied er es auch auf der anderen Seite ängstlich, die Amerikaner zu verstimmen, damit er sich schließlich „auf die Seite dessen schlagen könne, für welchen das Glück sich erklären würde". Wirklich wurden denn auch gleich nach dem Pariser Frieden die Ver¬ handlungen zwischen Amerika und Preußen wieder aufgenommen. Diesmal, da von dem geschwächten England nichts zu fürchten, von der siegreichen Republik aber viel zu gewinnen war, wurden sie auch von preußischer Seite mit dem größten Nachdruck betrieben. Schon im Juli 1783 konnte Franklin an den Kongreß berichten, „daß auch Preußen sich am Handel mit Amerika zu beteiligen wünsche, und daß sein Gesandter, wenn er auch direkt noch keinen Vertrag vorgeschlagen, ihm doch eine Liste von Artikeln mit der Bitte übergeben habe, sie amerikanischen Kaufleuten zur Kenntnisnahme einzusenden." Auf die einzelnen Verhandlungen, die dem preußisch-amerikanischen Handels¬ vertrag vorausgingen, näher einzugehen, würde zu weit führen. Auf Grund archivalischer Quellen find sie von Friedrich Kapp in seinem kleinen Buch: „Friedrich der Große und die Vereinigten Staaten von Amerika" gründlich dargelegt worden. Was sie für uns heute noch interessant und wichtig machen, ist die Höflichkeit, Vornehmheit und Ruhe, mit der man auf beiden Seiten arbeitete, die zuvorkommende und großzügige Art, mit der man die gegenseitigen Wünsche zu berücksichtigen strebte, vor allem aber die Tatsache, daß Preußen als der erste europäische Staat sich rückhaltlos zu den neuen völkerrechtlichen Doktrinen der amerikanischen Republik bekannte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/245>, abgerufen am 25.08.2024.