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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Dakorumänische Großmachtspläne

eine großdakische Politik nicht annehmen, ohne den Plan eines Großdakiens
überhaupt aufzugeben. Deshalb bedeutete die Beilegung der römischen Thron¬
wirren nach Sicherung der Kaisermacht Trojans Krieg gegen Decebalus' Donau-
reich. Auf den neu ausgebauten Anmarschstraßen rückten die Römer an, um
mit den militärisch wohlvorbereiteten Dakern um Sein oder Nichtsein eines
Großdakerreiches zu kämpfen. Auch König Karol konnte durch den Bukarester
Frieden nicht die endgültige Baikanvormachtstellung Rumäniens sichern. Im
Innern des Landes ließ die Großmachtshoffnung Volk und Parlament nicht
ruhen. Es gab für den König keinen Halt auf der Bahn der einmal ein¬
geschlagenen Politik, und trauernden Herzens sah er alle Friedenselhaltung
scheitern. Nur der Tod ersparte ihm die weitere Entwicklung der grotzrumä-
nischen Politik zu schauen. Diese trieb dann auf dem einmal betretenen Pfade
Karols unseligen Erben Ferdinand dazu, den Anspruch auf jene dakischen Ge-
birgslünder, die des Decebalus Besitz einst gewesen waren, und auch die daki¬
schen Aspirationen am südlichen Donauufer wiederaufzunehmen. Das bedeu¬
tete aber wie zu Decebalus und Trajans Zeiten Krieg mit der ersten Militär¬
macht unserer Zeit, mit Mitteleuropa. Mit Händen zu greifen sind die Pa¬
rallelen beider Donaukriege. Zwei Armeen Trajans gehen im ersten Dakerkrieg
an der unteren Donau vor. Bei Turm Severin überschreitet die eine die
Donaugrenze. Es gelingt in den Rücken der dakischen Position zu kommen
und dadurch die Räumung zu erzwingen. Beide Armeen werden vereinigt und
in den Gebirgspässen wird in erfolgreicher Schlacht gekämpft. Eine dakische
Unternehmung über die Donau nach dem südlichen Ufer wird zum völligen
Scheitern gebracht. Im zweiten Kriegsjahr marschiert Trajans Heer stegreich
durch die Walachei und nimmt eine Dakeistadt nach der andern. Auf dem
heißumstrittenen Noten Turmpaß dringen Römer vor; hier wird der Sieg
errungen, und die nach römischem Vorbild von römischen Instrukteuren mili¬
tärisch ausgebildeten Daler müssen trotz zähesten Widerstand das ganze Ge-
birgsland Siebenbürgens aufgeben. Schließlich muß Decebalus Frieden schlie¬
ßen, römischer Vasallenfürst werden, alle Waffen, das gesamte Kriegsmaterial,
die Jnstrukuonsoffiziere und Kriegsarchitekten ausliefern, die Festungen schleifen
und das bisher besetzte Gebiet Rom überlassen. Damit war der Traum eines
Großdakiens ausgeträumt. Ohne jede Sentimentalität mußte aber Rom die
Möglichkeit einer zukünftigen Wiederholung einer großdakischen Gefahr verhin¬
dern. Mit sicherem staatsmännischem Blick erkannte der römische Kaiser, daß
dies nur durch eine völlige Vernichtung Dakiens zu erreichen sei. Deshalb
unternahm er nach dem zur Sicherung der Etappen notwendigen Bau einer
festen Donaubrücke einen neuen Dakerkrieg, der erst mit dem Untergang Da¬
kiens sein Ende fand. Notwendig führte so die Entwicklung des großdakischen
Gedankens schließlich zu Dakiens Untergang. Auch ein Heidenkönig wie
Decebalus konnte sich trotz Feldherrn kunst und zähester Tapferkeit seiner
Truppen im Kampfe mit der ersten Militärmacht Europas nicht behaupten.


Dakorumänische Großmachtspläne

eine großdakische Politik nicht annehmen, ohne den Plan eines Großdakiens
überhaupt aufzugeben. Deshalb bedeutete die Beilegung der römischen Thron¬
wirren nach Sicherung der Kaisermacht Trojans Krieg gegen Decebalus' Donau-
reich. Auf den neu ausgebauten Anmarschstraßen rückten die Römer an, um
mit den militärisch wohlvorbereiteten Dakern um Sein oder Nichtsein eines
Großdakerreiches zu kämpfen. Auch König Karol konnte durch den Bukarester
Frieden nicht die endgültige Baikanvormachtstellung Rumäniens sichern. Im
Innern des Landes ließ die Großmachtshoffnung Volk und Parlament nicht
ruhen. Es gab für den König keinen Halt auf der Bahn der einmal ein¬
geschlagenen Politik, und trauernden Herzens sah er alle Friedenselhaltung
scheitern. Nur der Tod ersparte ihm die weitere Entwicklung der grotzrumä-
nischen Politik zu schauen. Diese trieb dann auf dem einmal betretenen Pfade
Karols unseligen Erben Ferdinand dazu, den Anspruch auf jene dakischen Ge-
birgslünder, die des Decebalus Besitz einst gewesen waren, und auch die daki¬
schen Aspirationen am südlichen Donauufer wiederaufzunehmen. Das bedeu¬
tete aber wie zu Decebalus und Trajans Zeiten Krieg mit der ersten Militär¬
macht unserer Zeit, mit Mitteleuropa. Mit Händen zu greifen sind die Pa¬
rallelen beider Donaukriege. Zwei Armeen Trajans gehen im ersten Dakerkrieg
an der unteren Donau vor. Bei Turm Severin überschreitet die eine die
Donaugrenze. Es gelingt in den Rücken der dakischen Position zu kommen
und dadurch die Räumung zu erzwingen. Beide Armeen werden vereinigt und
in den Gebirgspässen wird in erfolgreicher Schlacht gekämpft. Eine dakische
Unternehmung über die Donau nach dem südlichen Ufer wird zum völligen
Scheitern gebracht. Im zweiten Kriegsjahr marschiert Trajans Heer stegreich
durch die Walachei und nimmt eine Dakeistadt nach der andern. Auf dem
heißumstrittenen Noten Turmpaß dringen Römer vor; hier wird der Sieg
errungen, und die nach römischem Vorbild von römischen Instrukteuren mili¬
tärisch ausgebildeten Daler müssen trotz zähesten Widerstand das ganze Ge-
birgsland Siebenbürgens aufgeben. Schließlich muß Decebalus Frieden schlie¬
ßen, römischer Vasallenfürst werden, alle Waffen, das gesamte Kriegsmaterial,
die Jnstrukuonsoffiziere und Kriegsarchitekten ausliefern, die Festungen schleifen
und das bisher besetzte Gebiet Rom überlassen. Damit war der Traum eines
Großdakiens ausgeträumt. Ohne jede Sentimentalität mußte aber Rom die
Möglichkeit einer zukünftigen Wiederholung einer großdakischen Gefahr verhin¬
dern. Mit sicherem staatsmännischem Blick erkannte der römische Kaiser, daß
dies nur durch eine völlige Vernichtung Dakiens zu erreichen sei. Deshalb
unternahm er nach dem zur Sicherung der Etappen notwendigen Bau einer
festen Donaubrücke einen neuen Dakerkrieg, der erst mit dem Untergang Da¬
kiens sein Ende fand. Notwendig führte so die Entwicklung des großdakischen
Gedankens schließlich zu Dakiens Untergang. Auch ein Heidenkönig wie
Decebalus konnte sich trotz Feldherrn kunst und zähester Tapferkeit seiner
Truppen im Kampfe mit der ersten Militärmacht Europas nicht behaupten.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/230>, abgerufen am 23.07.2024.