Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.Vorarbeiten und Bestrebungen zur landwirtschaftlichen Neugestaltung Englands Albert Beneke von user Unterseebootkrieg hat England vor neue Tatsachen gestellt, Mau ist bei uns, wo Landwirtschaft und Industrie Hand in Hand 14"
Vorarbeiten und Bestrebungen zur landwirtschaftlichen Neugestaltung Englands Albert Beneke von user Unterseebootkrieg hat England vor neue Tatsachen gestellt, Mau ist bei uns, wo Landwirtschaft und Industrie Hand in Hand 14«
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0223" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/331631"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341905_331409/figures/grenzboten_341905_331409_331631_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Vorarbeiten und Bestrebungen zur landwirtschaftlichen<lb/> Neugestaltung Englands<lb/><note type="byline"> Albert Beneke</note> von</head><lb/> <p xml:id="ID_710"> user Unterseebootkrieg hat England vor neue Tatsachen gestellt,<lb/> die heute das ganze Land in Erregung bringen und in den all¬<lb/> gemeinen Ruf nach bis aufs Maximum gesteigerter Weizen¬<lb/> produktion ausklingen. Da es sich hier nicht nur um Augen¬<lb/> blicksstimmungen handelt, denn die Gefahr ist groß und ihre<lb/> Erkenntnis reicht in alle Schichten des Volkes hinab, was trotz der Zensur<lb/> aus den englischen Zeitungsberichten klar hervorgeht, so müssen wir damit<lb/> rechnen, daß wir in nicht allzu langer Zeit einem, in landwirtschaftlicher Be¬<lb/> ziehung reformierten England gegenüberstehen, und es ist sicherlich für uns von<lb/> großem Interesse, schon heute darüber ins klare zu kommen, auf welche Weise<lb/> man diese Reform durchzuführen gedenkt und was, nach der traditionellen Ge¬<lb/> staltung der Dinge in England von dieser Durchführung zu erwarten ist.<lb/> Sicherlich würde es sich hier um einen gewaltigen Umschwung, um einen<lb/> verwickelten Systemwechsel handeln, der auch ohne das ganz besondere Interesse,<lb/> das wir an der inneren Gestaltung Englands notgedrungen nehmen müssen,<lb/> kulturpolitisch von höchster Bedeutung wäre.</p><lb/> <p xml:id="ID_711" next="#ID_712"> Mau ist bei uns, wo Landwirtschaft und Industrie Hand in Hand<lb/> arbeiten, wo beide gleichstarke und gleichberechtigte Stützen des ganzen Staatsbaues<lb/> sind, nicht leicht in der Lage, sich ein zutreffendes Bild von der Stellung der<lb/> englischen Landwirtschaft, die sie vor dem Kriege einnahm, zu machen. Im<lb/> Parlament wurde über landwirtschaftliche Fragen nur dann gesprochen, wenn<lb/> eine der beiden Parteien das Farmer-Votum zu irgendeinem politischen Zwecke<lb/> brauchte, und in den Besprechungen der Finanz- und Handelswelt konnte man<lb/> zwar oft von den Ernten Kanadas und Argentiniens, nie oder selten aber von<lb/> dem Saatenstand und dem Ernteerträgnis in England hören. Der englische Acker¬<lb/> bau war ebensowohl für die gesetzgebende Versammlung als auch für die führenden<lb/> Handelskreise des Landes eine zu vernachlässigende Größe, die nur bei besonderen<lb/> Gelegenheiten, als Hilfsmittel zu Zwecken, die mit dem Ackerbau nichts zu tun<lb/> hatten, aus der Versenkung, in der man sie hielt, emporstieg. Bezeichnend<lb/> hierfür ist die Tatsache, daß der Präsident des „Lvarä ok /^rikulture", der<lb/> unserem Ackerbauminister entspricht, im Ministerium nur die Rolle eines</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 14«</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0223]
[Abbildung]
Vorarbeiten und Bestrebungen zur landwirtschaftlichen
Neugestaltung Englands
Albert Beneke von
user Unterseebootkrieg hat England vor neue Tatsachen gestellt,
die heute das ganze Land in Erregung bringen und in den all¬
gemeinen Ruf nach bis aufs Maximum gesteigerter Weizen¬
produktion ausklingen. Da es sich hier nicht nur um Augen¬
blicksstimmungen handelt, denn die Gefahr ist groß und ihre
Erkenntnis reicht in alle Schichten des Volkes hinab, was trotz der Zensur
aus den englischen Zeitungsberichten klar hervorgeht, so müssen wir damit
rechnen, daß wir in nicht allzu langer Zeit einem, in landwirtschaftlicher Be¬
ziehung reformierten England gegenüberstehen, und es ist sicherlich für uns von
großem Interesse, schon heute darüber ins klare zu kommen, auf welche Weise
man diese Reform durchzuführen gedenkt und was, nach der traditionellen Ge¬
staltung der Dinge in England von dieser Durchführung zu erwarten ist.
Sicherlich würde es sich hier um einen gewaltigen Umschwung, um einen
verwickelten Systemwechsel handeln, der auch ohne das ganz besondere Interesse,
das wir an der inneren Gestaltung Englands notgedrungen nehmen müssen,
kulturpolitisch von höchster Bedeutung wäre.
Mau ist bei uns, wo Landwirtschaft und Industrie Hand in Hand
arbeiten, wo beide gleichstarke und gleichberechtigte Stützen des ganzen Staatsbaues
sind, nicht leicht in der Lage, sich ein zutreffendes Bild von der Stellung der
englischen Landwirtschaft, die sie vor dem Kriege einnahm, zu machen. Im
Parlament wurde über landwirtschaftliche Fragen nur dann gesprochen, wenn
eine der beiden Parteien das Farmer-Votum zu irgendeinem politischen Zwecke
brauchte, und in den Besprechungen der Finanz- und Handelswelt konnte man
zwar oft von den Ernten Kanadas und Argentiniens, nie oder selten aber von
dem Saatenstand und dem Ernteerträgnis in England hören. Der englische Acker¬
bau war ebensowohl für die gesetzgebende Versammlung als auch für die führenden
Handelskreise des Landes eine zu vernachlässigende Größe, die nur bei besonderen
Gelegenheiten, als Hilfsmittel zu Zwecken, die mit dem Ackerbau nichts zu tun
hatten, aus der Versenkung, in der man sie hielt, emporstieg. Bezeichnend
hierfür ist die Tatsache, daß der Präsident des „Lvarä ok /^rikulture", der
unserem Ackerbauminister entspricht, im Ministerium nur die Rolle eines
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