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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Finnlands Problem

und Hangö sogar eine Zunahme stattgefunden hat. Vergleicht man dagegen
das Prozentverhältnis zwischen Schweden und Finnen, so haben sich diese mehr
vermehrt als jene. In den zwanziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts
wohnten in Helsingfors viermal soviel Schweden wie Finnen, und noch 1845
machten die letzteren nur 30 Prozent der Einwohnerschaft aus. Seitdem hat
die finnische Einwanderung immer größeren Umfang angenommen, so daß im
Jahre 1880 die Bevölkerung der Hauptstadt nur noch wenig über die Hälfte
schwedisch ist, um im Jahre 1910 auf nur 37 Prozent hinunter zu gehen,
obwohl, absolut genommen, die Zahl der Schwedischsprechenden in den letzten
dreißig Jahren sich mehr als verdoppelt und in den neunziger Jahren sogar
außerordentlich zugenommen hat.

Offizielle Ziffern, die ich der "Offiziellen Statistik Finnlands" bis 181:;
(dem letzten mir zugänglichen Jahrgange) entnommen habe, zeigen, daß das
schwedische Volkselement in Finnlands Städten immer mehr durch finnische
Einwanderung verdünnt wird. Die schwedischen Staatsschulen müssen den
finnischen weichen, was natürlicherweise großen Einfluß auf die Sprachrivalität
zugunsten der Finnen hat. Auch auf dem Lande unterliegt die schwedische
Kultur im Kampfe gegen das Finnentum, wenn auch keine Vernichtung zu
befürchten ist. Eingehendes Studium der Schulstatistik läßt diese Verschiebung
zum Nachteile des Schwedischen deutlich erkennen.

Die gesamte Schülerzahl der Volksschulen auf dem Lande (die Kleinkinder¬
schulen nicht mitgerechnet) betrug im Schuljahre 1912 bis 1913 143597 Kinder,
unter denen 126617 auf Finnisch und 16980 auf schwedisch unterrichtet
wurden. Die entsprechenden Ziffern aus den Städten waren in demselben
Schuljahre 8179 und 30 648.

Beim Vergleichen der Tabellen sieht man. daß die finnischen Schulen auf
dem Lande, deren es im Schuljahre 1908 bis 1909 nur 2394 gab, sich seitdem
um 253 vermehrt hatten, was eine Zunahme um 9,5 Prozent bedeutet,
nährend die schwedischen, die von 383 auf 421 gestiegen waren, um 38, also
10 Prozent zugenommen hatten. Die Zunahme der Schülerzahl beträgt in
den finnischen Schulen auf dem Lande 20826 Kinder oder 19,6 Prozent und
in den schwedischen 1418 oder 9.1 Prozent. Für die Volksschulen der Städte
sind die jenen entsprechenden Ziffern 2179, beziehungsweise 7,6 Prozent und
144, also 1,6 Prozent. Hinsichtlich der zweisprachigen Schulen, deren Anzahl
ja nicht gering ist, gibt die Statistik keine Auskunft über die Schülerzahl.

Wir fehen folglich, daß die prozentualische Zunahme finnisch sprechender
Landesschulkinder während der angegebenen Zeit mehr als doppelt so groß
gewesen ist wie die der schwedisch sprechenden, und in den Städten fällt der
Vergleich noch günstiger für die finnische Sprache aus.

Erweitern wir den Rahmen der Vergleichung noch um das letzte Jahrzehnt,
so betrug die Schülerzahl an den Volksschulen (ausschließlich der Kleinkinder¬
schulen) während des Schuljahres 1903 bis 1904 in Finnland auf dem Lande


Finnlands Problem

und Hangö sogar eine Zunahme stattgefunden hat. Vergleicht man dagegen
das Prozentverhältnis zwischen Schweden und Finnen, so haben sich diese mehr
vermehrt als jene. In den zwanziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts
wohnten in Helsingfors viermal soviel Schweden wie Finnen, und noch 1845
machten die letzteren nur 30 Prozent der Einwohnerschaft aus. Seitdem hat
die finnische Einwanderung immer größeren Umfang angenommen, so daß im
Jahre 1880 die Bevölkerung der Hauptstadt nur noch wenig über die Hälfte
schwedisch ist, um im Jahre 1910 auf nur 37 Prozent hinunter zu gehen,
obwohl, absolut genommen, die Zahl der Schwedischsprechenden in den letzten
dreißig Jahren sich mehr als verdoppelt und in den neunziger Jahren sogar
außerordentlich zugenommen hat.

Offizielle Ziffern, die ich der „Offiziellen Statistik Finnlands" bis 181:;
(dem letzten mir zugänglichen Jahrgange) entnommen habe, zeigen, daß das
schwedische Volkselement in Finnlands Städten immer mehr durch finnische
Einwanderung verdünnt wird. Die schwedischen Staatsschulen müssen den
finnischen weichen, was natürlicherweise großen Einfluß auf die Sprachrivalität
zugunsten der Finnen hat. Auch auf dem Lande unterliegt die schwedische
Kultur im Kampfe gegen das Finnentum, wenn auch keine Vernichtung zu
befürchten ist. Eingehendes Studium der Schulstatistik läßt diese Verschiebung
zum Nachteile des Schwedischen deutlich erkennen.

Die gesamte Schülerzahl der Volksschulen auf dem Lande (die Kleinkinder¬
schulen nicht mitgerechnet) betrug im Schuljahre 1912 bis 1913 143597 Kinder,
unter denen 126617 auf Finnisch und 16980 auf schwedisch unterrichtet
wurden. Die entsprechenden Ziffern aus den Städten waren in demselben
Schuljahre 8179 und 30 648.

Beim Vergleichen der Tabellen sieht man. daß die finnischen Schulen auf
dem Lande, deren es im Schuljahre 1908 bis 1909 nur 2394 gab, sich seitdem
um 253 vermehrt hatten, was eine Zunahme um 9,5 Prozent bedeutet,
nährend die schwedischen, die von 383 auf 421 gestiegen waren, um 38, also
10 Prozent zugenommen hatten. Die Zunahme der Schülerzahl beträgt in
den finnischen Schulen auf dem Lande 20826 Kinder oder 19,6 Prozent und
in den schwedischen 1418 oder 9.1 Prozent. Für die Volksschulen der Städte
sind die jenen entsprechenden Ziffern 2179, beziehungsweise 7,6 Prozent und
144, also 1,6 Prozent. Hinsichtlich der zweisprachigen Schulen, deren Anzahl
ja nicht gering ist, gibt die Statistik keine Auskunft über die Schülerzahl.

Wir fehen folglich, daß die prozentualische Zunahme finnisch sprechender
Landesschulkinder während der angegebenen Zeit mehr als doppelt so groß
gewesen ist wie die der schwedisch sprechenden, und in den Städten fällt der
Vergleich noch günstiger für die finnische Sprache aus.

Erweitern wir den Rahmen der Vergleichung noch um das letzte Jahrzehnt,
so betrug die Schülerzahl an den Volksschulen (ausschließlich der Kleinkinder¬
schulen) während des Schuljahres 1903 bis 1904 in Finnland auf dem Lande


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[0155] Finnlands Problem und Hangö sogar eine Zunahme stattgefunden hat. Vergleicht man dagegen das Prozentverhältnis zwischen Schweden und Finnen, so haben sich diese mehr vermehrt als jene. In den zwanziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts wohnten in Helsingfors viermal soviel Schweden wie Finnen, und noch 1845 machten die letzteren nur 30 Prozent der Einwohnerschaft aus. Seitdem hat die finnische Einwanderung immer größeren Umfang angenommen, so daß im Jahre 1880 die Bevölkerung der Hauptstadt nur noch wenig über die Hälfte schwedisch ist, um im Jahre 1910 auf nur 37 Prozent hinunter zu gehen, obwohl, absolut genommen, die Zahl der Schwedischsprechenden in den letzten dreißig Jahren sich mehr als verdoppelt und in den neunziger Jahren sogar außerordentlich zugenommen hat. Offizielle Ziffern, die ich der „Offiziellen Statistik Finnlands" bis 181:; (dem letzten mir zugänglichen Jahrgange) entnommen habe, zeigen, daß das schwedische Volkselement in Finnlands Städten immer mehr durch finnische Einwanderung verdünnt wird. Die schwedischen Staatsschulen müssen den finnischen weichen, was natürlicherweise großen Einfluß auf die Sprachrivalität zugunsten der Finnen hat. Auch auf dem Lande unterliegt die schwedische Kultur im Kampfe gegen das Finnentum, wenn auch keine Vernichtung zu befürchten ist. Eingehendes Studium der Schulstatistik läßt diese Verschiebung zum Nachteile des Schwedischen deutlich erkennen. Die gesamte Schülerzahl der Volksschulen auf dem Lande (die Kleinkinder¬ schulen nicht mitgerechnet) betrug im Schuljahre 1912 bis 1913 143597 Kinder, unter denen 126617 auf Finnisch und 16980 auf schwedisch unterrichtet wurden. Die entsprechenden Ziffern aus den Städten waren in demselben Schuljahre 8179 und 30 648. Beim Vergleichen der Tabellen sieht man. daß die finnischen Schulen auf dem Lande, deren es im Schuljahre 1908 bis 1909 nur 2394 gab, sich seitdem um 253 vermehrt hatten, was eine Zunahme um 9,5 Prozent bedeutet, nährend die schwedischen, die von 383 auf 421 gestiegen waren, um 38, also 10 Prozent zugenommen hatten. Die Zunahme der Schülerzahl beträgt in den finnischen Schulen auf dem Lande 20826 Kinder oder 19,6 Prozent und in den schwedischen 1418 oder 9.1 Prozent. Für die Volksschulen der Städte sind die jenen entsprechenden Ziffern 2179, beziehungsweise 7,6 Prozent und 144, also 1,6 Prozent. Hinsichtlich der zweisprachigen Schulen, deren Anzahl ja nicht gering ist, gibt die Statistik keine Auskunft über die Schülerzahl. Wir fehen folglich, daß die prozentualische Zunahme finnisch sprechender Landesschulkinder während der angegebenen Zeit mehr als doppelt so groß gewesen ist wie die der schwedisch sprechenden, und in den Städten fällt der Vergleich noch günstiger für die finnische Sprache aus. Erweitern wir den Rahmen der Vergleichung noch um das letzte Jahrzehnt, so betrug die Schülerzahl an den Volksschulen (ausschließlich der Kleinkinder¬ schulen) während des Schuljahres 1903 bis 1904 in Finnland auf dem Lande

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/155>, abgerufen am 23.07.2024.