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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Finnlands Problem

der rein finnischen Entwicklungsbestrebungen zu bilden. Man will "das Ur¬
finnische betonen und es in allen Formen der Kultur auskristallisieren", und
Eklund ist überzeugt, daß diese Richtung immer mehr vorherrschen werde. Unter
ihren Vertretern sieht man den bedeutendsten Romanschriftsteller des Finnen-
tums: Johani Abo.

Dieses nationale Sichsammeln um einen finnischen Urtypus hat schon zu
einer ähnlichen Konzentration um den schwedischen Urtypus geführt. Es gab
eine Zeit, da viele unter den Schweden, die früher beinahe allein Träger der
Bildung in Finnland waren, sich aus demokratischer Pflicht. Kenntnisse unter
dem Volke zu verbreiten, der fennomanischen Bewegung anschlössen und ihre
Kinder in finnische Schulen schickten. Jetzt ist eine Gegenbewegung eingetreten.
Die Schweden erkennen immer deutlicher, daß die Finnen sie schon durch bloßen
mechanischen Druck als die große Mehrzahl des Volkes bekämpfen, und daß
es nun gilt. Widerstand zu leisten, die schwedische Muttersprache hochzuhalten
und als Wächter der schwedischen Kultur aufzutreten.

Die Lage in Finnland zeigt also das Bild zweier, der Rasse und der
Sprache nach wesentlich verschiedener Volkselemente innerhalb ein und des¬
selben Landes und ein und desselben Staates. "Wir jetzt lebenden Schweden
Finnlands", sagte Artur Eklund, "haben unseren Standpunkt völlig klar erkannt.
Das unklare Umhertasten und der Kampf, wobei die Schweden ihren Stand¬
punkt gefunden haben, liegt für uns jetzt in der Vergangenheit. Das damals
wiedererwachte Gefühl des Schwedentums hat seitdem tiefere Wurzeln geschlagen
und ist durch die Berührung mit schwedischen Leuten des Volkes und die Be¬
strebungen, die Schätze der alten Bauernkultur wieder ans Tageslicht zu bringen,
reicher an Inhalt geworden, hauptsächlich durch jene Bemühungen, deren bester
Vertreter der Verein Brage ist und denen wir vor allem eine schöne Ernte
alter Volksmelodien, des feinsten, zartesten Ausdruckes der Stimmungen der
Volksseele, verdanken. Wir haben auch das Fiasko erlebt, das die während
der Bobrikoffschen Zeit gehegten Hoffnungen auf ein engeres Miteinandergehen
der Sprachgruppen gemacht hat. Und wir sehen, wie man auf finnischer Seite
durch Versuche, das Rassenbewußtsein zu stärken und dessen Ideal zu verwirklichen,
dazu beiträgt, die Linien und Grenzen klar und deutlich hervortreten zu lassen.
Wir fühlen, wo die Bande fester gezogen werden, und wir sehen, wo sich die
Kluft verbreitert. Wir kennen unsere Vergangenheit und unseren Ursprung, die
uns und dem Volke Schwedens gemeinsame Vergangenheit, sowie unseren und
ihren gemeinsamen Ursprung. Wir schauen noch weiter in die Zeiten zurück,
noch weiter um uns herum, und wir erblicken dann unsere germanische, unsere
arische Herrschaft und gewahren unsere Verwandtschaft mit allen jenen Völkern,
die hauptsächlich die uns bekannte Geschichte gemacht und die Kultur erschaffen
haben, auf welche hin wir die Welt erobern werden. Gobineaus und
Chamberlains stolze, glänzende Visionen steigen vor unserem inneren Auge auf:
wir gehören zu den Helden der Epopöe. Auf der Nordostgrenze des Ger-


Finnlands Problem

der rein finnischen Entwicklungsbestrebungen zu bilden. Man will „das Ur¬
finnische betonen und es in allen Formen der Kultur auskristallisieren", und
Eklund ist überzeugt, daß diese Richtung immer mehr vorherrschen werde. Unter
ihren Vertretern sieht man den bedeutendsten Romanschriftsteller des Finnen-
tums: Johani Abo.

Dieses nationale Sichsammeln um einen finnischen Urtypus hat schon zu
einer ähnlichen Konzentration um den schwedischen Urtypus geführt. Es gab
eine Zeit, da viele unter den Schweden, die früher beinahe allein Träger der
Bildung in Finnland waren, sich aus demokratischer Pflicht. Kenntnisse unter
dem Volke zu verbreiten, der fennomanischen Bewegung anschlössen und ihre
Kinder in finnische Schulen schickten. Jetzt ist eine Gegenbewegung eingetreten.
Die Schweden erkennen immer deutlicher, daß die Finnen sie schon durch bloßen
mechanischen Druck als die große Mehrzahl des Volkes bekämpfen, und daß
es nun gilt. Widerstand zu leisten, die schwedische Muttersprache hochzuhalten
und als Wächter der schwedischen Kultur aufzutreten.

Die Lage in Finnland zeigt also das Bild zweier, der Rasse und der
Sprache nach wesentlich verschiedener Volkselemente innerhalb ein und des¬
selben Landes und ein und desselben Staates. „Wir jetzt lebenden Schweden
Finnlands", sagte Artur Eklund, „haben unseren Standpunkt völlig klar erkannt.
Das unklare Umhertasten und der Kampf, wobei die Schweden ihren Stand¬
punkt gefunden haben, liegt für uns jetzt in der Vergangenheit. Das damals
wiedererwachte Gefühl des Schwedentums hat seitdem tiefere Wurzeln geschlagen
und ist durch die Berührung mit schwedischen Leuten des Volkes und die Be¬
strebungen, die Schätze der alten Bauernkultur wieder ans Tageslicht zu bringen,
reicher an Inhalt geworden, hauptsächlich durch jene Bemühungen, deren bester
Vertreter der Verein Brage ist und denen wir vor allem eine schöne Ernte
alter Volksmelodien, des feinsten, zartesten Ausdruckes der Stimmungen der
Volksseele, verdanken. Wir haben auch das Fiasko erlebt, das die während
der Bobrikoffschen Zeit gehegten Hoffnungen auf ein engeres Miteinandergehen
der Sprachgruppen gemacht hat. Und wir sehen, wie man auf finnischer Seite
durch Versuche, das Rassenbewußtsein zu stärken und dessen Ideal zu verwirklichen,
dazu beiträgt, die Linien und Grenzen klar und deutlich hervortreten zu lassen.
Wir fühlen, wo die Bande fester gezogen werden, und wir sehen, wo sich die
Kluft verbreitert. Wir kennen unsere Vergangenheit und unseren Ursprung, die
uns und dem Volke Schwedens gemeinsame Vergangenheit, sowie unseren und
ihren gemeinsamen Ursprung. Wir schauen noch weiter in die Zeiten zurück,
noch weiter um uns herum, und wir erblicken dann unsere germanische, unsere
arische Herrschaft und gewahren unsere Verwandtschaft mit allen jenen Völkern,
die hauptsächlich die uns bekannte Geschichte gemacht und die Kultur erschaffen
haben, auf welche hin wir die Welt erobern werden. Gobineaus und
Chamberlains stolze, glänzende Visionen steigen vor unserem inneren Auge auf:
wir gehören zu den Helden der Epopöe. Auf der Nordostgrenze des Ger-


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[0153] Finnlands Problem der rein finnischen Entwicklungsbestrebungen zu bilden. Man will „das Ur¬ finnische betonen und es in allen Formen der Kultur auskristallisieren", und Eklund ist überzeugt, daß diese Richtung immer mehr vorherrschen werde. Unter ihren Vertretern sieht man den bedeutendsten Romanschriftsteller des Finnen- tums: Johani Abo. Dieses nationale Sichsammeln um einen finnischen Urtypus hat schon zu einer ähnlichen Konzentration um den schwedischen Urtypus geführt. Es gab eine Zeit, da viele unter den Schweden, die früher beinahe allein Träger der Bildung in Finnland waren, sich aus demokratischer Pflicht. Kenntnisse unter dem Volke zu verbreiten, der fennomanischen Bewegung anschlössen und ihre Kinder in finnische Schulen schickten. Jetzt ist eine Gegenbewegung eingetreten. Die Schweden erkennen immer deutlicher, daß die Finnen sie schon durch bloßen mechanischen Druck als die große Mehrzahl des Volkes bekämpfen, und daß es nun gilt. Widerstand zu leisten, die schwedische Muttersprache hochzuhalten und als Wächter der schwedischen Kultur aufzutreten. Die Lage in Finnland zeigt also das Bild zweier, der Rasse und der Sprache nach wesentlich verschiedener Volkselemente innerhalb ein und des¬ selben Landes und ein und desselben Staates. „Wir jetzt lebenden Schweden Finnlands", sagte Artur Eklund, „haben unseren Standpunkt völlig klar erkannt. Das unklare Umhertasten und der Kampf, wobei die Schweden ihren Stand¬ punkt gefunden haben, liegt für uns jetzt in der Vergangenheit. Das damals wiedererwachte Gefühl des Schwedentums hat seitdem tiefere Wurzeln geschlagen und ist durch die Berührung mit schwedischen Leuten des Volkes und die Be¬ strebungen, die Schätze der alten Bauernkultur wieder ans Tageslicht zu bringen, reicher an Inhalt geworden, hauptsächlich durch jene Bemühungen, deren bester Vertreter der Verein Brage ist und denen wir vor allem eine schöne Ernte alter Volksmelodien, des feinsten, zartesten Ausdruckes der Stimmungen der Volksseele, verdanken. Wir haben auch das Fiasko erlebt, das die während der Bobrikoffschen Zeit gehegten Hoffnungen auf ein engeres Miteinandergehen der Sprachgruppen gemacht hat. Und wir sehen, wie man auf finnischer Seite durch Versuche, das Rassenbewußtsein zu stärken und dessen Ideal zu verwirklichen, dazu beiträgt, die Linien und Grenzen klar und deutlich hervortreten zu lassen. Wir fühlen, wo die Bande fester gezogen werden, und wir sehen, wo sich die Kluft verbreitert. Wir kennen unsere Vergangenheit und unseren Ursprung, die uns und dem Volke Schwedens gemeinsame Vergangenheit, sowie unseren und ihren gemeinsamen Ursprung. Wir schauen noch weiter in die Zeiten zurück, noch weiter um uns herum, und wir erblicken dann unsere germanische, unsere arische Herrschaft und gewahren unsere Verwandtschaft mit allen jenen Völkern, die hauptsächlich die uns bekannte Geschichte gemacht und die Kultur erschaffen haben, auf welche hin wir die Welt erobern werden. Gobineaus und Chamberlains stolze, glänzende Visionen steigen vor unserem inneren Auge auf: wir gehören zu den Helden der Epopöe. Auf der Nordostgrenze des Ger-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/153>, abgerufen am 23.07.2024.