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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Namenschöxfung im Kriege

Häuserstraße. Der Hamburger hat eine Villa Hummel und einen Unterstand
mit dem Weckruf der Plattdeutschen "Jungens, holt fast!" und der netten
Inschrift:

Nach seinem Wappen nennt der Bremer eine Kantine in Ostende Zum
Bremer Schlüssel. Es gibt einen Holsteener, Sleswiger Gang. Bayern haben
im Westen einen Verbindungsweg mit doppeltem Namen. König-Ludwig-Straße
bei trockenem Wetter, König-Ludwig-Kanal bei Grmidwasser. Sie nennen einen
besonders lehmigen und nassen Grabenabschnitt Pfui-Teufel-Gasserl. einen Unter¬
stand mit einer steilen, rutschigen Treppe "Gasteiger Anlagen, Automobile
15 Kilometer", einen nahen Wald das Bayerische Hölzl. Zum gemütlichen
Sachsen ist eine Bezeichnung an der Rawka. Wenn es bei den deutschen
Truppen auf Gallipoli eine Edmundsklamm gab, so ist das wohl eine Erinnerung
an eine Schlucht bei Herrenskretschen im Elbsandsteingebirge an der sächsisch¬
böhmischen Grenze.

Unterstände werden oft nach heimatlichen Hotel' und Villennamen benannt.
Zum Burgkeller, Zum Waldkater, Zum Einsiedler. Zur ewigen Lampe. Zum
Verbrccherkeller, Villa Luginsland sind beliebte Namen. Scherzhafte Weiter¬
bildungen sind: Zum Wilddieb, Zum ruinierten Nerven, Hotel zum schmierigen
Löffel, Hotel zu den fünf hungrigen Jungens. neuzeitliche Schlagwörter finden
Verwendung: Zum deutschen Barbaren (Champagne), Im Feldgrauen (Ver¬
sammlungslokal in Lilie). Der Name der fernen Geliebten stellt sich oft im
Gedächtnis ein. So gab es in dem genannten Pionierpark bei Bolimow eine
Villa Grete, Villa Emilie, Villa Rosa, ein Haus Emma, ein Haus Auguste.
Im Schützengraben vor Arras ist sogar ein Töchterpensionat Trudchen eröffnet.
Gelegentlich sind musikalisch-literarische Anspielungen anzutreffen. Die Liebeslaube
findet sich im Westen wie im Osten. Ein Wilhelm Busch-Verehrer hängt ein
Schild Zur frommen Helena aus; ein Offizier, der den Tonio Kröger im
Unterstand las, gründet sich ein Mann-Heim. An die Lektüre seiner Knabenzeit
erinnert sich der Inhaber von Onkel Toms Hütte bei Bolimow.

Rein humoristischen Charakters sind die köstlichen Namen von Horchlöchern,
über die die "Deutsche Kriegszeitung" von Baranowitschi berichtet. Da ist ein
Horchloch Bellevue. das deshalb so heißt, weil es dort immer bellt, aber wie!,
ein anderes Abrahams Schoß, weil man sicher drin sitzt, ein drittes Zum fideler
Siedewürstchen, weil es der reine Wurstkessel ist. ferner ein Minnezwinger, weil
einem dort mitunter das Herz bubbert wie beim Stelldichein, eine Jungfern¬
mühle, weil dort die ältesten Weiber wieder munter werden, eine Porzellankiste,
weil sie von den Nußkis mit vieler Vorsicht behandelt wird, und endlich ein
Märchenbronnen, weil man dort die schönsten Kindermärchen erdichten kann.


Namenschöxfung im Kriege

Häuserstraße. Der Hamburger hat eine Villa Hummel und einen Unterstand
mit dem Weckruf der Plattdeutschen „Jungens, holt fast!" und der netten
Inschrift:

Nach seinem Wappen nennt der Bremer eine Kantine in Ostende Zum
Bremer Schlüssel. Es gibt einen Holsteener, Sleswiger Gang. Bayern haben
im Westen einen Verbindungsweg mit doppeltem Namen. König-Ludwig-Straße
bei trockenem Wetter, König-Ludwig-Kanal bei Grmidwasser. Sie nennen einen
besonders lehmigen und nassen Grabenabschnitt Pfui-Teufel-Gasserl. einen Unter¬
stand mit einer steilen, rutschigen Treppe „Gasteiger Anlagen, Automobile
15 Kilometer", einen nahen Wald das Bayerische Hölzl. Zum gemütlichen
Sachsen ist eine Bezeichnung an der Rawka. Wenn es bei den deutschen
Truppen auf Gallipoli eine Edmundsklamm gab, so ist das wohl eine Erinnerung
an eine Schlucht bei Herrenskretschen im Elbsandsteingebirge an der sächsisch¬
böhmischen Grenze.

Unterstände werden oft nach heimatlichen Hotel' und Villennamen benannt.
Zum Burgkeller, Zum Waldkater, Zum Einsiedler. Zur ewigen Lampe. Zum
Verbrccherkeller, Villa Luginsland sind beliebte Namen. Scherzhafte Weiter¬
bildungen sind: Zum Wilddieb, Zum ruinierten Nerven, Hotel zum schmierigen
Löffel, Hotel zu den fünf hungrigen Jungens. neuzeitliche Schlagwörter finden
Verwendung: Zum deutschen Barbaren (Champagne), Im Feldgrauen (Ver¬
sammlungslokal in Lilie). Der Name der fernen Geliebten stellt sich oft im
Gedächtnis ein. So gab es in dem genannten Pionierpark bei Bolimow eine
Villa Grete, Villa Emilie, Villa Rosa, ein Haus Emma, ein Haus Auguste.
Im Schützengraben vor Arras ist sogar ein Töchterpensionat Trudchen eröffnet.
Gelegentlich sind musikalisch-literarische Anspielungen anzutreffen. Die Liebeslaube
findet sich im Westen wie im Osten. Ein Wilhelm Busch-Verehrer hängt ein
Schild Zur frommen Helena aus; ein Offizier, der den Tonio Kröger im
Unterstand las, gründet sich ein Mann-Heim. An die Lektüre seiner Knabenzeit
erinnert sich der Inhaber von Onkel Toms Hütte bei Bolimow.

Rein humoristischen Charakters sind die köstlichen Namen von Horchlöchern,
über die die „Deutsche Kriegszeitung" von Baranowitschi berichtet. Da ist ein
Horchloch Bellevue. das deshalb so heißt, weil es dort immer bellt, aber wie!,
ein anderes Abrahams Schoß, weil man sicher drin sitzt, ein drittes Zum fideler
Siedewürstchen, weil es der reine Wurstkessel ist. ferner ein Minnezwinger, weil
einem dort mitunter das Herz bubbert wie beim Stelldichein, eine Jungfern¬
mühle, weil dort die ältesten Weiber wieder munter werden, eine Porzellankiste,
weil sie von den Nußkis mit vieler Vorsicht behandelt wird, und endlich ein
Märchenbronnen, weil man dort die schönsten Kindermärchen erdichten kann.


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[0138] Namenschöxfung im Kriege Häuserstraße. Der Hamburger hat eine Villa Hummel und einen Unterstand mit dem Weckruf der Plattdeutschen „Jungens, holt fast!" und der netten Inschrift: Nach seinem Wappen nennt der Bremer eine Kantine in Ostende Zum Bremer Schlüssel. Es gibt einen Holsteener, Sleswiger Gang. Bayern haben im Westen einen Verbindungsweg mit doppeltem Namen. König-Ludwig-Straße bei trockenem Wetter, König-Ludwig-Kanal bei Grmidwasser. Sie nennen einen besonders lehmigen und nassen Grabenabschnitt Pfui-Teufel-Gasserl. einen Unter¬ stand mit einer steilen, rutschigen Treppe „Gasteiger Anlagen, Automobile 15 Kilometer", einen nahen Wald das Bayerische Hölzl. Zum gemütlichen Sachsen ist eine Bezeichnung an der Rawka. Wenn es bei den deutschen Truppen auf Gallipoli eine Edmundsklamm gab, so ist das wohl eine Erinnerung an eine Schlucht bei Herrenskretschen im Elbsandsteingebirge an der sächsisch¬ böhmischen Grenze. Unterstände werden oft nach heimatlichen Hotel' und Villennamen benannt. Zum Burgkeller, Zum Waldkater, Zum Einsiedler. Zur ewigen Lampe. Zum Verbrccherkeller, Villa Luginsland sind beliebte Namen. Scherzhafte Weiter¬ bildungen sind: Zum Wilddieb, Zum ruinierten Nerven, Hotel zum schmierigen Löffel, Hotel zu den fünf hungrigen Jungens. neuzeitliche Schlagwörter finden Verwendung: Zum deutschen Barbaren (Champagne), Im Feldgrauen (Ver¬ sammlungslokal in Lilie). Der Name der fernen Geliebten stellt sich oft im Gedächtnis ein. So gab es in dem genannten Pionierpark bei Bolimow eine Villa Grete, Villa Emilie, Villa Rosa, ein Haus Emma, ein Haus Auguste. Im Schützengraben vor Arras ist sogar ein Töchterpensionat Trudchen eröffnet. Gelegentlich sind musikalisch-literarische Anspielungen anzutreffen. Die Liebeslaube findet sich im Westen wie im Osten. Ein Wilhelm Busch-Verehrer hängt ein Schild Zur frommen Helena aus; ein Offizier, der den Tonio Kröger im Unterstand las, gründet sich ein Mann-Heim. An die Lektüre seiner Knabenzeit erinnert sich der Inhaber von Onkel Toms Hütte bei Bolimow. Rein humoristischen Charakters sind die köstlichen Namen von Horchlöchern, über die die „Deutsche Kriegszeitung" von Baranowitschi berichtet. Da ist ein Horchloch Bellevue. das deshalb so heißt, weil es dort immer bellt, aber wie!, ein anderes Abrahams Schoß, weil man sicher drin sitzt, ein drittes Zum fideler Siedewürstchen, weil es der reine Wurstkessel ist. ferner ein Minnezwinger, weil einem dort mitunter das Herz bubbert wie beim Stelldichein, eine Jungfern¬ mühle, weil dort die ältesten Weiber wieder munter werden, eine Porzellankiste, weil sie von den Nußkis mit vieler Vorsicht behandelt wird, und endlich ein Märchenbronnen, weil man dort die schönsten Kindermärchen erdichten kann.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/138>, abgerufen am 23.07.2024.