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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Rasputm

Wagen, den er zu Beginn des Krieges in Petersburg hatte, bekannt ist ferner
das Attentat, das am 28. Juni 1914 in seinem Heimatdorf die Bäuerin
Gußewa mit einem Dolch auf ihn ausübte. Das Gerichtsverfahren wurde
damals niedergeschlagen und die Gußewa ins Irrenhaus geschickt. Diesmal
ist Grigori Rasputm unvorsichtig gewesen, er, vor dessen Treppe sonst Tag
und Nacht Geheimpolizisten auf- und abpatrouillierten, um die Besucher zu
mustern, hat diesmal alle Vorsichtsmaßregeln außer Acht gelassen.

Interessant ist, daß sich unter feinen Gegnern auch der Großfürst Nikolai
Michcilowitsch befunden hat. In seinem Werke über Alexander den Ersten hat
er auf Seite 193 die Persönlichkeit der bekannten Baronin Krüdener geschildert.
"Wir schätzen", so sagt der Großfürst, "den Wert dieser Person nicht hoch ein
und ihre eigene Überzeugtheit ist mehr als zweifelhaft. Die Interessen der
scheinbar exaltierten Baronesse standen auf mehr realem Boden. Sie war durch
Mangel an Geldmittel geniert und hatte immer an allem Mangel. Außer den
Gefühlen der Eitelkeit, die eine große Rolle bei ihr spielten, beseelte sie die
Gier. Es gibt ja auch in unserer Zeit Personen, die von dem Gefühl besonderer
Heiligkeit (!a Kante äevotion) durchdrungen sind und die häufig hinter diesem
Vorhang ganz andere Motive verbergen". Für jeden russischen Leser ist es
klar, daß mit diesem letzten Satze kein anderer als Rasputin gemeint sein kann.

Zum Schlüsse noch ein paar Angaben über den äußeren Lebensgang
Rasputins nach der Petersburger Börsenzeitung. Über sein eigentliches Wirken
am Hofe und in den höchsten Regierungskreisen der Hauptstadt wird wohl erst
eine spätere Zeit volle Aufklärung erhalten: "Grigori Rasputin ist im Jahre
1872 geboren, er war also 44 Jahre alt, als er ermordet ward. Er stammt
aus dem Dorfe Pokrowskoje, Kreis Tjumen, Gouvernement Tobolsk. In seiner
Jugend verband ihn enge Freundschaft mit einem Gemüsegärtner, dem jetzigen
Tobolsker Bischof Warnawa. Nasputin, der das Kutscherhandwerk ausübte,
fuhr einmal einen namhaften kirchlichen Würdenträger nach Wjerchoturje. Nach
einer Unterhaltung mit ihm ging Nasputin ins Kloster nach Wjerchoturje und
blieb dort wochenlang. Sodann siedelte er nach Tjumen über, ließ sich lange
Haare wachsen, ging als Barfüßler in die Kälte hinaus, in den Klöstern herum usw.
Er wurde mit einem Bischof bekannt. Der Bischof nahm ihn unter seine
Protektion,

Aus Tjumen kommt Rasputin nach Moskau und wird dort schnell bekannt.
Ihm öffnen sich die Türen der Moskaner Salons. Rasputin erzählte, daß es
ihm damals gelang, P. A. Stolypin zu heilen, der nach dem Attentat auf der
Apothekerinfel gelähmt war. Seitdem fangen an zu Rasputin nach Tjumen
nicht nur seine Anhänger, sondern auch solche Leute zu pilgern, die Protektion
und Förderung von ihm wünschen.

Bei einer seiner Fahrien nach Petersburg lernte Rasputin Jliodor kennen,
befreundete sich eng mit ihm. Jliodor hat seinen Freund dann oft in Tjumen
besucht.


Rasputm

Wagen, den er zu Beginn des Krieges in Petersburg hatte, bekannt ist ferner
das Attentat, das am 28. Juni 1914 in seinem Heimatdorf die Bäuerin
Gußewa mit einem Dolch auf ihn ausübte. Das Gerichtsverfahren wurde
damals niedergeschlagen und die Gußewa ins Irrenhaus geschickt. Diesmal
ist Grigori Rasputm unvorsichtig gewesen, er, vor dessen Treppe sonst Tag
und Nacht Geheimpolizisten auf- und abpatrouillierten, um die Besucher zu
mustern, hat diesmal alle Vorsichtsmaßregeln außer Acht gelassen.

Interessant ist, daß sich unter feinen Gegnern auch der Großfürst Nikolai
Michcilowitsch befunden hat. In seinem Werke über Alexander den Ersten hat
er auf Seite 193 die Persönlichkeit der bekannten Baronin Krüdener geschildert.
„Wir schätzen", so sagt der Großfürst, „den Wert dieser Person nicht hoch ein
und ihre eigene Überzeugtheit ist mehr als zweifelhaft. Die Interessen der
scheinbar exaltierten Baronesse standen auf mehr realem Boden. Sie war durch
Mangel an Geldmittel geniert und hatte immer an allem Mangel. Außer den
Gefühlen der Eitelkeit, die eine große Rolle bei ihr spielten, beseelte sie die
Gier. Es gibt ja auch in unserer Zeit Personen, die von dem Gefühl besonderer
Heiligkeit (!a Kante äevotion) durchdrungen sind und die häufig hinter diesem
Vorhang ganz andere Motive verbergen". Für jeden russischen Leser ist es
klar, daß mit diesem letzten Satze kein anderer als Rasputin gemeint sein kann.

Zum Schlüsse noch ein paar Angaben über den äußeren Lebensgang
Rasputins nach der Petersburger Börsenzeitung. Über sein eigentliches Wirken
am Hofe und in den höchsten Regierungskreisen der Hauptstadt wird wohl erst
eine spätere Zeit volle Aufklärung erhalten: „Grigori Rasputin ist im Jahre
1872 geboren, er war also 44 Jahre alt, als er ermordet ward. Er stammt
aus dem Dorfe Pokrowskoje, Kreis Tjumen, Gouvernement Tobolsk. In seiner
Jugend verband ihn enge Freundschaft mit einem Gemüsegärtner, dem jetzigen
Tobolsker Bischof Warnawa. Nasputin, der das Kutscherhandwerk ausübte,
fuhr einmal einen namhaften kirchlichen Würdenträger nach Wjerchoturje. Nach
einer Unterhaltung mit ihm ging Nasputin ins Kloster nach Wjerchoturje und
blieb dort wochenlang. Sodann siedelte er nach Tjumen über, ließ sich lange
Haare wachsen, ging als Barfüßler in die Kälte hinaus, in den Klöstern herum usw.
Er wurde mit einem Bischof bekannt. Der Bischof nahm ihn unter seine
Protektion,

Aus Tjumen kommt Rasputin nach Moskau und wird dort schnell bekannt.
Ihm öffnen sich die Türen der Moskaner Salons. Rasputin erzählte, daß es
ihm damals gelang, P. A. Stolypin zu heilen, der nach dem Attentat auf der
Apothekerinfel gelähmt war. Seitdem fangen an zu Rasputin nach Tjumen
nicht nur seine Anhänger, sondern auch solche Leute zu pilgern, die Protektion
und Förderung von ihm wünschen.

Bei einer seiner Fahrien nach Petersburg lernte Rasputin Jliodor kennen,
befreundete sich eng mit ihm. Jliodor hat seinen Freund dann oft in Tjumen
besucht.


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[0114] Rasputm Wagen, den er zu Beginn des Krieges in Petersburg hatte, bekannt ist ferner das Attentat, das am 28. Juni 1914 in seinem Heimatdorf die Bäuerin Gußewa mit einem Dolch auf ihn ausübte. Das Gerichtsverfahren wurde damals niedergeschlagen und die Gußewa ins Irrenhaus geschickt. Diesmal ist Grigori Rasputm unvorsichtig gewesen, er, vor dessen Treppe sonst Tag und Nacht Geheimpolizisten auf- und abpatrouillierten, um die Besucher zu mustern, hat diesmal alle Vorsichtsmaßregeln außer Acht gelassen. Interessant ist, daß sich unter feinen Gegnern auch der Großfürst Nikolai Michcilowitsch befunden hat. In seinem Werke über Alexander den Ersten hat er auf Seite 193 die Persönlichkeit der bekannten Baronin Krüdener geschildert. „Wir schätzen", so sagt der Großfürst, „den Wert dieser Person nicht hoch ein und ihre eigene Überzeugtheit ist mehr als zweifelhaft. Die Interessen der scheinbar exaltierten Baronesse standen auf mehr realem Boden. Sie war durch Mangel an Geldmittel geniert und hatte immer an allem Mangel. Außer den Gefühlen der Eitelkeit, die eine große Rolle bei ihr spielten, beseelte sie die Gier. Es gibt ja auch in unserer Zeit Personen, die von dem Gefühl besonderer Heiligkeit (!a Kante äevotion) durchdrungen sind und die häufig hinter diesem Vorhang ganz andere Motive verbergen". Für jeden russischen Leser ist es klar, daß mit diesem letzten Satze kein anderer als Rasputin gemeint sein kann. Zum Schlüsse noch ein paar Angaben über den äußeren Lebensgang Rasputins nach der Petersburger Börsenzeitung. Über sein eigentliches Wirken am Hofe und in den höchsten Regierungskreisen der Hauptstadt wird wohl erst eine spätere Zeit volle Aufklärung erhalten: „Grigori Rasputin ist im Jahre 1872 geboren, er war also 44 Jahre alt, als er ermordet ward. Er stammt aus dem Dorfe Pokrowskoje, Kreis Tjumen, Gouvernement Tobolsk. In seiner Jugend verband ihn enge Freundschaft mit einem Gemüsegärtner, dem jetzigen Tobolsker Bischof Warnawa. Nasputin, der das Kutscherhandwerk ausübte, fuhr einmal einen namhaften kirchlichen Würdenträger nach Wjerchoturje. Nach einer Unterhaltung mit ihm ging Nasputin ins Kloster nach Wjerchoturje und blieb dort wochenlang. Sodann siedelte er nach Tjumen über, ließ sich lange Haare wachsen, ging als Barfüßler in die Kälte hinaus, in den Klöstern herum usw. Er wurde mit einem Bischof bekannt. Der Bischof nahm ihn unter seine Protektion, Aus Tjumen kommt Rasputin nach Moskau und wird dort schnell bekannt. Ihm öffnen sich die Türen der Moskaner Salons. Rasputin erzählte, daß es ihm damals gelang, P. A. Stolypin zu heilen, der nach dem Attentat auf der Apothekerinfel gelähmt war. Seitdem fangen an zu Rasputin nach Tjumen nicht nur seine Anhänger, sondern auch solche Leute zu pilgern, die Protektion und Förderung von ihm wünschen. Bei einer seiner Fahrien nach Petersburg lernte Rasputin Jliodor kennen, befreundete sich eng mit ihm. Jliodor hat seinen Freund dann oft in Tjumen besucht.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/114>, abgerufen am 25.08.2024.