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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr.

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Karl August von Sachsen-Weimar in Belgien

Belgier sind stets unbeständig, immer ungeduldig unter welcher Herrschaft auch
immer, aufrührerisch im Innern unter der äußeren Kälte und Schwerfälligkeit,
unfähig sich selbst zu regieren." Von seinem Hauptquartier aus (so in Als,
Tournai, Mons, Edinger) blieb Karl August in steter Verbindung mit der
Hauptstadt und griff, wenn nötig, ein. Seine Briefe aus Belgien, deren Ver¬
öffentlichung in Aussicht steht, werden noch manch interessante Angaben bieten.
In Übereinstimmung mit dem Freiherrn vom Stein wollte er keine unbedingte
Erneuerung des Alten, da er von dem guten Recht des Fortschritts überzeugt
war. Ein großer Teil der Bevölkerung wußte ihm dafür Dank. Die zahl¬
reichen Bittschriften, die ihm überreicht wurden, zeigen am besten, was man sich
von ihm versprach, wie volkstümlich er war. Schon bei seinem Einzug in
Brüssel hatte ihm eine Dame in einer uns nicht mehr geläufigen Blumensprache
ein Immortelle und eine Pensse überreicht. Auch an komischen Zügen fehlte
es nicht. Ein erfindungsreicher Brüsseler bot dem Befreier seines Vaterlandes
ein Verfahren an, mit Eis, ohne jegliches Feuer und Eisen, die sämtlichen
Pferde eines Regiments in einer halben Stunde zu beschlagen. Aufrichtig war
das Bedauern vieler, als der Herzog Ende April Belgien verließ, um in Paris
für die Zukunft seines Landes zu sorgen. Kurz vorher hatten ihn die
Brüsseler noch einmal sehen können, als das Hauptquartier wiederum für einige
Tage in die Hauptstadt verlegt war. Am 4. April, am gleichen Tage, da die
Verbündeten in Paris einzogen, fand auf dem Koningsplaats eine Siegesfeier
statt. Karl August nahm mit dem Prinzen von Hessen-Darmstadt an dem
Dankgottesdienst teil. In zündenden Worten feierte der Garnisonpfarrer
Dr. Mann den Kampf der germanischen Völker wider die Fremdherrschaft:
"Freiheit, Friede, Vaterland." In der Se. Gudula ward ein Tedeum gesungen,
um die Einnahme des "modernen Babylon" zu verherrlichen. Ein goldenes
Zeitalter schien den Hoffnungsfreudigen mit dem Sturze Napoleons anzubrechen.






Alle" Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher Aufsitze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Berlngs gestattet.
Sermitwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichlerselde West, -- Manuslnpts-ndunzen und
Bricke werden erbeten unter der Adresse:
v" de" Herausgeier der Grenzbote" tu Berlin-Lichterfelde West, "ternstrafje ii".
Fernsprecher "es Herausgeber": Amt Licht-rselde "93, de" Verlag" und der Schristleitung: Amt Lützo" S510,
Berlag: Berlag der Grenzboten B. in. b, H. in Berlin 5V II, Tempelhofer Ufer SS"
"ruck: .Der ReichSbot"" ". in. i. H. in "erim 8V11. Dessau" Strafe SS/S7,
Karl August von Sachsen-Weimar in Belgien

Belgier sind stets unbeständig, immer ungeduldig unter welcher Herrschaft auch
immer, aufrührerisch im Innern unter der äußeren Kälte und Schwerfälligkeit,
unfähig sich selbst zu regieren." Von seinem Hauptquartier aus (so in Als,
Tournai, Mons, Edinger) blieb Karl August in steter Verbindung mit der
Hauptstadt und griff, wenn nötig, ein. Seine Briefe aus Belgien, deren Ver¬
öffentlichung in Aussicht steht, werden noch manch interessante Angaben bieten.
In Übereinstimmung mit dem Freiherrn vom Stein wollte er keine unbedingte
Erneuerung des Alten, da er von dem guten Recht des Fortschritts überzeugt
war. Ein großer Teil der Bevölkerung wußte ihm dafür Dank. Die zahl¬
reichen Bittschriften, die ihm überreicht wurden, zeigen am besten, was man sich
von ihm versprach, wie volkstümlich er war. Schon bei seinem Einzug in
Brüssel hatte ihm eine Dame in einer uns nicht mehr geläufigen Blumensprache
ein Immortelle und eine Pensse überreicht. Auch an komischen Zügen fehlte
es nicht. Ein erfindungsreicher Brüsseler bot dem Befreier seines Vaterlandes
ein Verfahren an, mit Eis, ohne jegliches Feuer und Eisen, die sämtlichen
Pferde eines Regiments in einer halben Stunde zu beschlagen. Aufrichtig war
das Bedauern vieler, als der Herzog Ende April Belgien verließ, um in Paris
für die Zukunft seines Landes zu sorgen. Kurz vorher hatten ihn die
Brüsseler noch einmal sehen können, als das Hauptquartier wiederum für einige
Tage in die Hauptstadt verlegt war. Am 4. April, am gleichen Tage, da die
Verbündeten in Paris einzogen, fand auf dem Koningsplaats eine Siegesfeier
statt. Karl August nahm mit dem Prinzen von Hessen-Darmstadt an dem
Dankgottesdienst teil. In zündenden Worten feierte der Garnisonpfarrer
Dr. Mann den Kampf der germanischen Völker wider die Fremdherrschaft:
„Freiheit, Friede, Vaterland." In der Se. Gudula ward ein Tedeum gesungen,
um die Einnahme des „modernen Babylon" zu verherrlichen. Ein goldenes
Zeitalter schien den Hoffnungsfreudigen mit dem Sturze Napoleons anzubrechen.






Alle« Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung
nicht verbürgt werden kann.




Nachdruck sämtlicher Aufsitze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Berlngs gestattet.
Sermitwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichlerselde West, — Manuslnpts-ndunzen und
Bricke werden erbeten unter der Adresse:
v» de« Herausgeier der Grenzbote« tu Berlin-Lichterfelde West, «ternstrafje ii«.
Fernsprecher »es Herausgeber«: Amt Licht-rselde «93, de» Verlag« und der Schristleitung: Amt Lützo« S510,
Berlag: Berlag der Grenzboten B. in. b, H. in Berlin 5V II, Tempelhofer Ufer SS»
»ruck: .Der ReichSbot»" «. in. i. H. in »erim 8V11. Dessau« Strafe SS/S7,
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[0108] Karl August von Sachsen-Weimar in Belgien Belgier sind stets unbeständig, immer ungeduldig unter welcher Herrschaft auch immer, aufrührerisch im Innern unter der äußeren Kälte und Schwerfälligkeit, unfähig sich selbst zu regieren." Von seinem Hauptquartier aus (so in Als, Tournai, Mons, Edinger) blieb Karl August in steter Verbindung mit der Hauptstadt und griff, wenn nötig, ein. Seine Briefe aus Belgien, deren Ver¬ öffentlichung in Aussicht steht, werden noch manch interessante Angaben bieten. In Übereinstimmung mit dem Freiherrn vom Stein wollte er keine unbedingte Erneuerung des Alten, da er von dem guten Recht des Fortschritts überzeugt war. Ein großer Teil der Bevölkerung wußte ihm dafür Dank. Die zahl¬ reichen Bittschriften, die ihm überreicht wurden, zeigen am besten, was man sich von ihm versprach, wie volkstümlich er war. Schon bei seinem Einzug in Brüssel hatte ihm eine Dame in einer uns nicht mehr geläufigen Blumensprache ein Immortelle und eine Pensse überreicht. Auch an komischen Zügen fehlte es nicht. Ein erfindungsreicher Brüsseler bot dem Befreier seines Vaterlandes ein Verfahren an, mit Eis, ohne jegliches Feuer und Eisen, die sämtlichen Pferde eines Regiments in einer halben Stunde zu beschlagen. Aufrichtig war das Bedauern vieler, als der Herzog Ende April Belgien verließ, um in Paris für die Zukunft seines Landes zu sorgen. Kurz vorher hatten ihn die Brüsseler noch einmal sehen können, als das Hauptquartier wiederum für einige Tage in die Hauptstadt verlegt war. Am 4. April, am gleichen Tage, da die Verbündeten in Paris einzogen, fand auf dem Koningsplaats eine Siegesfeier statt. Karl August nahm mit dem Prinzen von Hessen-Darmstadt an dem Dankgottesdienst teil. In zündenden Worten feierte der Garnisonpfarrer Dr. Mann den Kampf der germanischen Völker wider die Fremdherrschaft: „Freiheit, Friede, Vaterland." In der Se. Gudula ward ein Tedeum gesungen, um die Einnahme des „modernen Babylon" zu verherrlichen. Ein goldenes Zeitalter schien den Hoffnungsfreudigen mit dem Sturze Napoleons anzubrechen. Alle« Manuskripten ist Porto hinzuzufügen, da andernfalls bei Ablehnung eine Rücksendung nicht verbürgt werden kann. Nachdruck sämtlicher Aufsitze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Berlngs gestattet. Sermitwortlich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichlerselde West, — Manuslnpts-ndunzen und Bricke werden erbeten unter der Adresse: v» de« Herausgeier der Grenzbote« tu Berlin-Lichterfelde West, «ternstrafje ii«. Fernsprecher »es Herausgeber«: Amt Licht-rselde «93, de» Verlag« und der Schristleitung: Amt Lützo« S510, Berlag: Berlag der Grenzboten B. in. b, H. in Berlin 5V II, Tempelhofer Ufer SS» »ruck: .Der ReichSbot»" «. in. i. H. in »erim 8V11. Dessau« Strafe SS/S7,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_331409/108>, abgerufen am 23.07.2024.