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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Goethes häusliches Leben

nicht erspart, aber ihre Liebe hilft ihr auch darüber hinweg. "Was willst
Du denn mit allen Äuglichen anfangen?" schreibt sie einmal nach Karlsbad,
"das wird zu viel. Vergiß nur nicht ganz Dein ältestes, mich, ich bitte Dich,
denke doch auch zuweilen an mich. Ich will indes fest auf Dich ver¬
trauen, man mag sagen was man will. Denn Du bist es doch allein, der
meiner gedenkt."

Damit hat sie recht. Goethe, der Vielbeschäftigte, gedenkt seiner kleinen
Hausgenossin an allen Orten und in allen Lagen, und zwar mit dem liebe¬
vollen Eingehen auf ihre Beschäftigungen, Neigungen, Sorgen und Wünsche,
das ihn ja überhaupt als Briefschreiber kennzeichnet. Er paßt sich vollkommen
ihrer Gedankenwelt an, und diesem Umstände haben wir es zu verdanken, daß
wir ihn durch diesen Briefwechsel zum erstenmal als treulich sorgenden Haus¬
und Familienvater kennen lernen. Wir gewinnen Einblicke in einen gut
bürgerlichen Haushalt, teilen die Freude des Paares über einlaufende Honorar¬
zahlungen -- "Herr Cotta hat sich mit lauter schönen Doppellouisdoren gezeigt,
an denen ich nur erst eine Freude haben kann, wenn ich Dir sie aufzähle oder
sie zu Deinem und des Kindes Nutzen anlege" -- und lesen nicht ohne Heiter¬
keit die immer neuen Wendungen, mit denen Christiane dem Eheherrn bei¬
bringt, daß sie trotz aller Sparsamkeit wieder einmal nicht mit ihrem Wirt¬
schaftsgelde ausgekommen ist. "Wenn ich nicht gewiß geglaubt' hätte, Du
würdest heute kommen", heißt es da z. B., "so hätt ich Dir am Mittwoche
geschrieben, daß ich kein Geld mehr habe, und so gehet es mir nun sehr
schlecht, ich bin in größter Not, denn ich gebe der Köchin alleweile meinen
letzten kleinen Thaler. Ich habe auf das Buch Einen Carolin aufgelehnt, ich
wär also noch künftige Woche ausgekommen, und alsdann ist das Vierteljahr
um. Und man hat doch immer auch was im Vorrat, ohne das man doch
nicht sein kann. Wenn ich das alles rechne, komme ich doch gewiß ordentlich
aus. Denn bei itziger Zeit ist es würklich Kunst; denn, wenn Du nicht da
bist, es sind unser doch immer 6 zu Tische, und ich habe es die Zeit, daß
Du nicht da warst, sehr eingeteilt, so daß die Köchin immer nicht mit mir
zufrieden ist. Freilich, weil der Bube krank war, habe ich wieder manche
paar Groschen mehr ausgeben und ihm auch wieder etwas Apartes kochen
müssen . . . Von dem Carolin, den Du mir schicktest, habe ich das Komödie-
Abonnement bezahlen müssen und Starke den Thaler. 2 Paar Strümpfe
vor Dich, habe Holz machen lassen, dem Kutscher Trinkgeld, und wenn ich nur
nicht den Dukaten von Dir schon angewandt hätte, so Hütte ich doch noch
was. Die Weiber, die sich etwas schau machen, tun dock nicht ganz übel,
um im Notfall was zu haben. Sei so gut und schicke mir durch einen Ex¬
pressen oder durch die Post was." Kein Wunder, daß in solchen Notzeiten
die "Papierchen zu 100 Thalern", die Anweisungen an das Bankhaus Frege,
öfters Erwähnung finden!

Auch an Dienstbotennöten fehlt es im Goethehause nicht, und es ist lustig


Goethes häusliches Leben

nicht erspart, aber ihre Liebe hilft ihr auch darüber hinweg. „Was willst
Du denn mit allen Äuglichen anfangen?" schreibt sie einmal nach Karlsbad,
„das wird zu viel. Vergiß nur nicht ganz Dein ältestes, mich, ich bitte Dich,
denke doch auch zuweilen an mich. Ich will indes fest auf Dich ver¬
trauen, man mag sagen was man will. Denn Du bist es doch allein, der
meiner gedenkt."

Damit hat sie recht. Goethe, der Vielbeschäftigte, gedenkt seiner kleinen
Hausgenossin an allen Orten und in allen Lagen, und zwar mit dem liebe¬
vollen Eingehen auf ihre Beschäftigungen, Neigungen, Sorgen und Wünsche,
das ihn ja überhaupt als Briefschreiber kennzeichnet. Er paßt sich vollkommen
ihrer Gedankenwelt an, und diesem Umstände haben wir es zu verdanken, daß
wir ihn durch diesen Briefwechsel zum erstenmal als treulich sorgenden Haus¬
und Familienvater kennen lernen. Wir gewinnen Einblicke in einen gut
bürgerlichen Haushalt, teilen die Freude des Paares über einlaufende Honorar¬
zahlungen — „Herr Cotta hat sich mit lauter schönen Doppellouisdoren gezeigt,
an denen ich nur erst eine Freude haben kann, wenn ich Dir sie aufzähle oder
sie zu Deinem und des Kindes Nutzen anlege" — und lesen nicht ohne Heiter¬
keit die immer neuen Wendungen, mit denen Christiane dem Eheherrn bei¬
bringt, daß sie trotz aller Sparsamkeit wieder einmal nicht mit ihrem Wirt¬
schaftsgelde ausgekommen ist. „Wenn ich nicht gewiß geglaubt' hätte, Du
würdest heute kommen", heißt es da z. B., „so hätt ich Dir am Mittwoche
geschrieben, daß ich kein Geld mehr habe, und so gehet es mir nun sehr
schlecht, ich bin in größter Not, denn ich gebe der Köchin alleweile meinen
letzten kleinen Thaler. Ich habe auf das Buch Einen Carolin aufgelehnt, ich
wär also noch künftige Woche ausgekommen, und alsdann ist das Vierteljahr
um. Und man hat doch immer auch was im Vorrat, ohne das man doch
nicht sein kann. Wenn ich das alles rechne, komme ich doch gewiß ordentlich
aus. Denn bei itziger Zeit ist es würklich Kunst; denn, wenn Du nicht da
bist, es sind unser doch immer 6 zu Tische, und ich habe es die Zeit, daß
Du nicht da warst, sehr eingeteilt, so daß die Köchin immer nicht mit mir
zufrieden ist. Freilich, weil der Bube krank war, habe ich wieder manche
paar Groschen mehr ausgeben und ihm auch wieder etwas Apartes kochen
müssen . . . Von dem Carolin, den Du mir schicktest, habe ich das Komödie-
Abonnement bezahlen müssen und Starke den Thaler. 2 Paar Strümpfe
vor Dich, habe Holz machen lassen, dem Kutscher Trinkgeld, und wenn ich nur
nicht den Dukaten von Dir schon angewandt hätte, so Hütte ich doch noch
was. Die Weiber, die sich etwas schau machen, tun dock nicht ganz übel,
um im Notfall was zu haben. Sei so gut und schicke mir durch einen Ex¬
pressen oder durch die Post was." Kein Wunder, daß in solchen Notzeiten
die „Papierchen zu 100 Thalern", die Anweisungen an das Bankhaus Frege,
öfters Erwähnung finden!

Auch an Dienstbotennöten fehlt es im Goethehause nicht, und es ist lustig


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/68>, abgerufen am 23.07.2024.