Die vielfach verbreitete Behauptung von einer Umwälzung der bestehenden Wirtschaftsordnung trifft demnach nur sehr bedingt zu. Indem die Staats¬ gewalt die dem privaten Erwerbsstreben ohnehin angelegten Zügel straffer anzieht, hebt sie nicht das kapitalistische System aus den Angeln, schiebt aber den Staatssozialismus ein beträchtliches Stück vorwärts. Der Unternehmer¬ gewinn behält seine Geltung, selbst wenn ihm durch Kriegsgewinnsteuern und Festsetzung der Preise bei Lieferungen an die Heeresverwaltung etliche Daum- schrauben angelegt werden, ja er wird gerade jetzt zum Vorspann für verstärkte Anspannung der Kriegsindustrie benutzt. Anderseits empfängt der Kriegs¬ sozialismus eine ungleich schärfere Ausprägung durch die Erweiterung der staatlichen Aussichtsrechte über die kriegsuotwendigen Betriebe, ihre Arbeits¬ bedingungen und Lohnverhältnisse, kurz über die innere Gestaltung der Betriebstechnik. Den Arbeitgebern werden damit Einschränkungen ihrer Selbstherrlichkeit auferlegt, die sie oft genug recht unliebsam empfinden werden, mit denen sie sich aber im Hinblick auf die Interessen der Allgemeinheit abfinden müssen. Zu anderer Zeit würde das selbstbewußte deutsche Unternehmertum in Heller Entrüstung aufbegehren, wenn eine so weitgehende Einmischung amtlicher Organe in seine Betrtebs- verhä'ltnisse ihm angesonnen würde. Jetzt ist gegen die mit dem vaterländischen Hilfsdienst verknüpften Einengungen kein Widerspruch von jener Seite erhoben worden. Wirtschaftsverbände, Handelskammern und industrielle Organisationen sind vielmehr wetteifernd bemüht, die erforderlichen Anstellungen in der Volks¬ wirtschaft, soweit in ihren Kräften steht, der militärischen Oberleitung zu erleichtern. Das der Nation innewohnende hochentwickelte Gemeinschafts¬ gefühl läßt alle Bedenken und Besorgnisse in den Hintergrund treten. Die Militarisierung eines großen Teiles der deutschen Volkswirtschaft wird als Gebot einer schweren Zeitenwende aufgefaßt und daher willig hingenommen.
Durch das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst ist zu einem organi¬ satorischen Riesenbau der Grund gelegt worden. Seine Umfassungsmauern sind so weit ausgedehnt, daß man sagen darf: das ganze deutsche Volk ist wenigstens mittelbar in sie einbezogen. Selbst Frauen und Kinder nicht aus¬ genommen, denn scheiden die zum Arbeitsdienst einberufenen Männer aus ihrem bisherigen Wirkungskreise aus, so werden vielfach weibliche Personen und Jugendliche an die verlassenen Stellen treten. So muß es auch sein. Die allgemeine Dienstpflicht bedeutet nicht die Aushebung etlicher gesonderter Schichten der gesamten Heimarmee, sondern ihrem tiefern Sinn nach die Er¬ hebung aller zur Verteidigung des Vaterlandes. Das Vaterland ruft die Gesamtheit zur Pflichterfüllung und freiwilligen Hingabe auf. Daher ist der Arbeitszwang als letzter Notweg hintangesetzt, das Prinzip der Freiwilligkeit vorangestellt. Mit der materiellen Leistung soll eine erhöhte Staats¬ gesinnung sich verbinden. "Es ist der Geist, der sich den Körper baut." Im Kriege und durch den Krieg hat der Staatsgedanke eine vordem kaum für
Die allgemeine Dienstpflicht
Die vielfach verbreitete Behauptung von einer Umwälzung der bestehenden Wirtschaftsordnung trifft demnach nur sehr bedingt zu. Indem die Staats¬ gewalt die dem privaten Erwerbsstreben ohnehin angelegten Zügel straffer anzieht, hebt sie nicht das kapitalistische System aus den Angeln, schiebt aber den Staatssozialismus ein beträchtliches Stück vorwärts. Der Unternehmer¬ gewinn behält seine Geltung, selbst wenn ihm durch Kriegsgewinnsteuern und Festsetzung der Preise bei Lieferungen an die Heeresverwaltung etliche Daum- schrauben angelegt werden, ja er wird gerade jetzt zum Vorspann für verstärkte Anspannung der Kriegsindustrie benutzt. Anderseits empfängt der Kriegs¬ sozialismus eine ungleich schärfere Ausprägung durch die Erweiterung der staatlichen Aussichtsrechte über die kriegsuotwendigen Betriebe, ihre Arbeits¬ bedingungen und Lohnverhältnisse, kurz über die innere Gestaltung der Betriebstechnik. Den Arbeitgebern werden damit Einschränkungen ihrer Selbstherrlichkeit auferlegt, die sie oft genug recht unliebsam empfinden werden, mit denen sie sich aber im Hinblick auf die Interessen der Allgemeinheit abfinden müssen. Zu anderer Zeit würde das selbstbewußte deutsche Unternehmertum in Heller Entrüstung aufbegehren, wenn eine so weitgehende Einmischung amtlicher Organe in seine Betrtebs- verhä'ltnisse ihm angesonnen würde. Jetzt ist gegen die mit dem vaterländischen Hilfsdienst verknüpften Einengungen kein Widerspruch von jener Seite erhoben worden. Wirtschaftsverbände, Handelskammern und industrielle Organisationen sind vielmehr wetteifernd bemüht, die erforderlichen Anstellungen in der Volks¬ wirtschaft, soweit in ihren Kräften steht, der militärischen Oberleitung zu erleichtern. Das der Nation innewohnende hochentwickelte Gemeinschafts¬ gefühl läßt alle Bedenken und Besorgnisse in den Hintergrund treten. Die Militarisierung eines großen Teiles der deutschen Volkswirtschaft wird als Gebot einer schweren Zeitenwende aufgefaßt und daher willig hingenommen.
Durch das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst ist zu einem organi¬ satorischen Riesenbau der Grund gelegt worden. Seine Umfassungsmauern sind so weit ausgedehnt, daß man sagen darf: das ganze deutsche Volk ist wenigstens mittelbar in sie einbezogen. Selbst Frauen und Kinder nicht aus¬ genommen, denn scheiden die zum Arbeitsdienst einberufenen Männer aus ihrem bisherigen Wirkungskreise aus, so werden vielfach weibliche Personen und Jugendliche an die verlassenen Stellen treten. So muß es auch sein. Die allgemeine Dienstpflicht bedeutet nicht die Aushebung etlicher gesonderter Schichten der gesamten Heimarmee, sondern ihrem tiefern Sinn nach die Er¬ hebung aller zur Verteidigung des Vaterlandes. Das Vaterland ruft die Gesamtheit zur Pflichterfüllung und freiwilligen Hingabe auf. Daher ist der Arbeitszwang als letzter Notweg hintangesetzt, das Prinzip der Freiwilligkeit vorangestellt. Mit der materiellen Leistung soll eine erhöhte Staats¬ gesinnung sich verbinden. „Es ist der Geist, der sich den Körper baut." Im Kriege und durch den Krieg hat der Staatsgedanke eine vordem kaum für
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Die allgemeine Dienstpflicht
Die vielfach verbreitete Behauptung von einer Umwälzung der bestehenden
Wirtschaftsordnung trifft demnach nur sehr bedingt zu. Indem die Staats¬
gewalt die dem privaten Erwerbsstreben ohnehin angelegten Zügel straffer
anzieht, hebt sie nicht das kapitalistische System aus den Angeln, schiebt aber
den Staatssozialismus ein beträchtliches Stück vorwärts. Der Unternehmer¬
gewinn behält seine Geltung, selbst wenn ihm durch Kriegsgewinnsteuern und
Festsetzung der Preise bei Lieferungen an die Heeresverwaltung etliche Daum-
schrauben angelegt werden, ja er wird gerade jetzt zum Vorspann für verstärkte
Anspannung der Kriegsindustrie benutzt. Anderseits empfängt der Kriegs¬
sozialismus eine ungleich schärfere Ausprägung durch die Erweiterung der
staatlichen Aussichtsrechte über die kriegsuotwendigen Betriebe, ihre Arbeits¬
bedingungen und Lohnverhältnisse, kurz über die innere Gestaltung der
Betriebstechnik. Den Arbeitgebern werden damit Einschränkungen ihrer
Selbstherrlichkeit auferlegt, die sie oft genug recht unliebsam empfinden
werden, mit denen sie sich aber im Hinblick auf die Interessen
der Allgemeinheit abfinden müssen. Zu anderer Zeit würde das
selbstbewußte deutsche Unternehmertum in Heller Entrüstung aufbegehren,
wenn eine so weitgehende Einmischung amtlicher Organe in seine Betrtebs-
verhä'ltnisse ihm angesonnen würde. Jetzt ist gegen die mit dem vaterländischen
Hilfsdienst verknüpften Einengungen kein Widerspruch von jener Seite erhoben
worden. Wirtschaftsverbände, Handelskammern und industrielle Organisationen
sind vielmehr wetteifernd bemüht, die erforderlichen Anstellungen in der Volks¬
wirtschaft, soweit in ihren Kräften steht, der militärischen Oberleitung zu
erleichtern. Das der Nation innewohnende hochentwickelte Gemeinschafts¬
gefühl läßt alle Bedenken und Besorgnisse in den Hintergrund treten. Die
Militarisierung eines großen Teiles der deutschen Volkswirtschaft wird als
Gebot einer schweren Zeitenwende aufgefaßt und daher willig hingenommen.
Durch das Gesetz über den vaterländischen Hilfsdienst ist zu einem organi¬
satorischen Riesenbau der Grund gelegt worden. Seine Umfassungsmauern
sind so weit ausgedehnt, daß man sagen darf: das ganze deutsche Volk ist
wenigstens mittelbar in sie einbezogen. Selbst Frauen und Kinder nicht aus¬
genommen, denn scheiden die zum Arbeitsdienst einberufenen Männer aus ihrem
bisherigen Wirkungskreise aus, so werden vielfach weibliche Personen und
Jugendliche an die verlassenen Stellen treten. So muß es auch sein. Die
allgemeine Dienstpflicht bedeutet nicht die Aushebung etlicher gesonderter
Schichten der gesamten Heimarmee, sondern ihrem tiefern Sinn nach die Er¬
hebung aller zur Verteidigung des Vaterlandes. Das Vaterland ruft die
Gesamtheit zur Pflichterfüllung und freiwilligen Hingabe auf. Daher ist der
Arbeitszwang als letzter Notweg hintangesetzt, das Prinzip der Freiwilligkeit
vorangestellt. Mit der materiellen Leistung soll eine erhöhte Staats¬
gesinnung sich verbinden. „Es ist der Geist, der sich den Körper baut." Im
Kriege und durch den Krieg hat der Staatsgedanke eine vordem kaum für
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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/374>, abgerufen am 25.01.2025.
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