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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Die allgemeine Dienstpflicht

beginn ein Vorrang bei der Versorgung mit Rohstoffen und bei der Beurlaubung
von wehrpflichtigen Facharbeitern eingeräumt wurde, entsprach den elementaren
Bedürfnissen der Kriegführung. Doch auch allen anderen industriellen Unter¬
nehmungen ließ man gern eine angemessene Förderung zuteil werden, um
katastrophale Störungen des Erwerbs- und Wirtschaftslebens fernzuhalten.
Bekanntlich ist vom Unternehmertum das Entgegenkommen der Heeresverwaltung
mit einer vortrefflichen Anpassung an die gegebenen außerordentlichen Zeit¬
verhältnisse beantwortet worden. Daß die Triebkraft hierbei weniger selbstlose
Begeisterung als wohlverstandenes Gewinnstreben war, schmälert nicht den aus
geistiger Intelligenz und technischer Leistungsfähigkeit erwachsenen Nutzeffekt.
Solange es ging, hielten auch die den kriegsgemäßen Arbeitsgebieten wesens¬
fremden Unternehmungen wacker mit und ließen die Flügel erst hängen, als
ihr Bewegungsspielraum durch den Mangel an Rohmaterialien und allerlei
Umsatzbeschränkungen mehr und mehr eingeengt wurde.

Infolge des vaterländischen Hilfsdienstes nun wird eine schärfere Scheidung
zwischen den beiden Jndustriegruppen sich bemerkbar machen. Die den Kriegs¬
zwecken zugewandten Industriezweige können auf jede zulässige Unterstützung
rechnen, damit sie imstande sind, auch den höchstgespannten Anforderungen nach¬
zukommen. Ihren industriellen Stiefschwestern will zwar gleichfalls niemand
mit Vergewaltigungen zu Leibe gehen, ihre Existenz ist aber gerade durch die
gesetzgeberischen Zugeständnisse bedroht, die man den auf der Sonnenseite des
Krieges befindlichen Industrien in Form der Überweisung von Arbeitskräften
in Aussicht stellt. Bei der Entziehung von Arbeitern müssen vermeidbare
Härten selbstverständlich möglichst vermieden werden. Daß das geschehen wird,
ist nicht zu bezweifeln, nachdem in den Beratungen des parlamentarischen Aus¬
schusses wiederholt zugesichert worden ist, es solle alle gebührende Rücksicht auf
solche Betriebe genommen werden, denen bestimmte Arbeitskräfte' entzogen
werden müssen, weil ihre Verwendung für kriegsnotwendige Aufgaben un¬
erläßlich erscheint. Kann ein Teil der in Mitleidenschaft gezogenen Betriebe
trotzdem in der bisherigen Weise nicht fortgeführt werden, so wird ihre Existenz-
sähigkeit vielfach dadurch sich erhalten lassen, daß man ihnen Arbeiten auf¬
trägt, die für den vaterländischen Hilfsdienst notwendig sind. Ist jedoch auch
dieser Ausweg nicht angängig, so muß durch die tatkräftige Selbsthilfe der
beteiligten Jndustrieverbände für eine Milderung der aus der Stillegung sich
ergebenden Schäden Rat geschafft werden. Die Vorarbeiten hierzu sind bereits
im Gange. Diese Bestrebungen werden um so erfolgreicher fein, wenn das
bisherige rege Verständnis der militärischen Gewalten und staatlichen Organe
für die Wirtschaftsnöte hinter der Front unvermindert andauert. Es soll plan¬
mäßig aufgebaut, nicht willkürlich zerstört werden.

Die angebahnte Umschattung in der Volkswirtschaft kann aber
auch gar nicht allein durch den militärischen Absolutismus bewirkt werden.
Die erstaunliche Promptheit, mit der die Eingliederung der zu den Fahnen


Die allgemeine Dienstpflicht

beginn ein Vorrang bei der Versorgung mit Rohstoffen und bei der Beurlaubung
von wehrpflichtigen Facharbeitern eingeräumt wurde, entsprach den elementaren
Bedürfnissen der Kriegführung. Doch auch allen anderen industriellen Unter¬
nehmungen ließ man gern eine angemessene Förderung zuteil werden, um
katastrophale Störungen des Erwerbs- und Wirtschaftslebens fernzuhalten.
Bekanntlich ist vom Unternehmertum das Entgegenkommen der Heeresverwaltung
mit einer vortrefflichen Anpassung an die gegebenen außerordentlichen Zeit¬
verhältnisse beantwortet worden. Daß die Triebkraft hierbei weniger selbstlose
Begeisterung als wohlverstandenes Gewinnstreben war, schmälert nicht den aus
geistiger Intelligenz und technischer Leistungsfähigkeit erwachsenen Nutzeffekt.
Solange es ging, hielten auch die den kriegsgemäßen Arbeitsgebieten wesens¬
fremden Unternehmungen wacker mit und ließen die Flügel erst hängen, als
ihr Bewegungsspielraum durch den Mangel an Rohmaterialien und allerlei
Umsatzbeschränkungen mehr und mehr eingeengt wurde.

Infolge des vaterländischen Hilfsdienstes nun wird eine schärfere Scheidung
zwischen den beiden Jndustriegruppen sich bemerkbar machen. Die den Kriegs¬
zwecken zugewandten Industriezweige können auf jede zulässige Unterstützung
rechnen, damit sie imstande sind, auch den höchstgespannten Anforderungen nach¬
zukommen. Ihren industriellen Stiefschwestern will zwar gleichfalls niemand
mit Vergewaltigungen zu Leibe gehen, ihre Existenz ist aber gerade durch die
gesetzgeberischen Zugeständnisse bedroht, die man den auf der Sonnenseite des
Krieges befindlichen Industrien in Form der Überweisung von Arbeitskräften
in Aussicht stellt. Bei der Entziehung von Arbeitern müssen vermeidbare
Härten selbstverständlich möglichst vermieden werden. Daß das geschehen wird,
ist nicht zu bezweifeln, nachdem in den Beratungen des parlamentarischen Aus¬
schusses wiederholt zugesichert worden ist, es solle alle gebührende Rücksicht auf
solche Betriebe genommen werden, denen bestimmte Arbeitskräfte' entzogen
werden müssen, weil ihre Verwendung für kriegsnotwendige Aufgaben un¬
erläßlich erscheint. Kann ein Teil der in Mitleidenschaft gezogenen Betriebe
trotzdem in der bisherigen Weise nicht fortgeführt werden, so wird ihre Existenz-
sähigkeit vielfach dadurch sich erhalten lassen, daß man ihnen Arbeiten auf¬
trägt, die für den vaterländischen Hilfsdienst notwendig sind. Ist jedoch auch
dieser Ausweg nicht angängig, so muß durch die tatkräftige Selbsthilfe der
beteiligten Jndustrieverbände für eine Milderung der aus der Stillegung sich
ergebenden Schäden Rat geschafft werden. Die Vorarbeiten hierzu sind bereits
im Gange. Diese Bestrebungen werden um so erfolgreicher fein, wenn das
bisherige rege Verständnis der militärischen Gewalten und staatlichen Organe
für die Wirtschaftsnöte hinter der Front unvermindert andauert. Es soll plan¬
mäßig aufgebaut, nicht willkürlich zerstört werden.

Die angebahnte Umschattung in der Volkswirtschaft kann aber
auch gar nicht allein durch den militärischen Absolutismus bewirkt werden.
Die erstaunliche Promptheit, mit der die Eingliederung der zu den Fahnen


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[0372] Die allgemeine Dienstpflicht beginn ein Vorrang bei der Versorgung mit Rohstoffen und bei der Beurlaubung von wehrpflichtigen Facharbeitern eingeräumt wurde, entsprach den elementaren Bedürfnissen der Kriegführung. Doch auch allen anderen industriellen Unter¬ nehmungen ließ man gern eine angemessene Förderung zuteil werden, um katastrophale Störungen des Erwerbs- und Wirtschaftslebens fernzuhalten. Bekanntlich ist vom Unternehmertum das Entgegenkommen der Heeresverwaltung mit einer vortrefflichen Anpassung an die gegebenen außerordentlichen Zeit¬ verhältnisse beantwortet worden. Daß die Triebkraft hierbei weniger selbstlose Begeisterung als wohlverstandenes Gewinnstreben war, schmälert nicht den aus geistiger Intelligenz und technischer Leistungsfähigkeit erwachsenen Nutzeffekt. Solange es ging, hielten auch die den kriegsgemäßen Arbeitsgebieten wesens¬ fremden Unternehmungen wacker mit und ließen die Flügel erst hängen, als ihr Bewegungsspielraum durch den Mangel an Rohmaterialien und allerlei Umsatzbeschränkungen mehr und mehr eingeengt wurde. Infolge des vaterländischen Hilfsdienstes nun wird eine schärfere Scheidung zwischen den beiden Jndustriegruppen sich bemerkbar machen. Die den Kriegs¬ zwecken zugewandten Industriezweige können auf jede zulässige Unterstützung rechnen, damit sie imstande sind, auch den höchstgespannten Anforderungen nach¬ zukommen. Ihren industriellen Stiefschwestern will zwar gleichfalls niemand mit Vergewaltigungen zu Leibe gehen, ihre Existenz ist aber gerade durch die gesetzgeberischen Zugeständnisse bedroht, die man den auf der Sonnenseite des Krieges befindlichen Industrien in Form der Überweisung von Arbeitskräften in Aussicht stellt. Bei der Entziehung von Arbeitern müssen vermeidbare Härten selbstverständlich möglichst vermieden werden. Daß das geschehen wird, ist nicht zu bezweifeln, nachdem in den Beratungen des parlamentarischen Aus¬ schusses wiederholt zugesichert worden ist, es solle alle gebührende Rücksicht auf solche Betriebe genommen werden, denen bestimmte Arbeitskräfte' entzogen werden müssen, weil ihre Verwendung für kriegsnotwendige Aufgaben un¬ erläßlich erscheint. Kann ein Teil der in Mitleidenschaft gezogenen Betriebe trotzdem in der bisherigen Weise nicht fortgeführt werden, so wird ihre Existenz- sähigkeit vielfach dadurch sich erhalten lassen, daß man ihnen Arbeiten auf¬ trägt, die für den vaterländischen Hilfsdienst notwendig sind. Ist jedoch auch dieser Ausweg nicht angängig, so muß durch die tatkräftige Selbsthilfe der beteiligten Jndustrieverbände für eine Milderung der aus der Stillegung sich ergebenden Schäden Rat geschafft werden. Die Vorarbeiten hierzu sind bereits im Gange. Diese Bestrebungen werden um so erfolgreicher fein, wenn das bisherige rege Verständnis der militärischen Gewalten und staatlichen Organe für die Wirtschaftsnöte hinter der Front unvermindert andauert. Es soll plan¬ mäßig aufgebaut, nicht willkürlich zerstört werden. Die angebahnte Umschattung in der Volkswirtschaft kann aber auch gar nicht allein durch den militärischen Absolutismus bewirkt werden. Die erstaunliche Promptheit, mit der die Eingliederung der zu den Fahnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/372>, abgerufen am 23.07.2024.