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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Deutschlands Wasserkräfte

oder gar nicht bewohnt ist. Solche Flußtäler besitzen wir aber in Deutschland,
man darf wohl sagen Gott sei Dank, nur sehr wenig, und da ist mit hoher
Freude zu begrüßen, daß in allerneuster Zeit ein deutscher Ingenieur, der
rühmlichst bekannte Münchener Wasserbautechniker Th. Hallinger, es durch Ver¬
vollkommnungen in der Technik dahin gebracht hat, geringere Gefälle eines
Flusses auch ohne den Bau größerer Talsperren und die Vernichtung wert¬
vollen Landes zusammenzufassen und technisch zu verwerten. Die Vervoll¬
kommnungen, welche Hallinger im Wasserbau eingeführt hat, bestehen in der
Hauptsache in der Zusammenfassung kleinerer Stauwehre in ein größeres, in der
Verminderung des Wasserwiderstandes durch Herrichtung der Kanalwände aus
Stampfbeton statt aus Erde oder Kies, endlich in der Ausbildung der Nieder¬
druckturbine als Großkraftmaschine. wodurch allein im Durchschnitt 50 Prozent
der bisherigen Kosten erspart werden. Diese Verbesserungen gewähren die
Möglichkeit, Niedcrwasserlräfte auszunutzen, welche bisher unbeachtet geblieben
waren, und daher lassen sich allein im südlichen Bayern nach Hallinger doppelt
so viel Wasserkräfte nutzbringend verwerten als die staatliche Untersuchung für
das ganze Königreich Bayern angenommen hatte. Dementsprechend steigt
natürlich nun auch der Wert der Flüsse im übrigen Süddeutschland und im
mitteldeutschen Hügelland, und es liegt hier ein Schatz einheimischer Wasserkräfte
noch verborgen, welchen zu heben eine ungemein wichtige Aufgabe der aller¬
nächsten Zukunft sein muß. Besonders fällt noch ins Gewicht, daß die Kosten
der Arbeit in einem fehr günstigen Verhältnis zu den Vorteilen stehen, welche
man aus ihnen ziehen kann, und daß sie, je nach den vorhandenen Mitteln
und der Zahl der vorhandenen Arbeitskräfte, nach und nach ausgeführt werden
können. -- In seinen Veröffentlichungen "Die großen staatlichen Niederdruck-
wafserkräste in Süd-Bayern" und "Zwei deutsche Großkraftquellen", beide in
Dießen bei München vor kurzem erschienen, sowie in einem kürzlich vor dem
bayerischen Bezirksverein deutscher Ingenieure in München gehaltenen Vortrag
lenkt Hallinger das besondere Augenmerk auf die gewaltigen Kraftquellen des
Jnn und des Rhein. Das Jnngebiet besitzt nach ihm noch 400000 PS. unver¬
brauchter Wasserkraft in Jahresmittelleistung und dazu noch den großen Vorteil
der Lage, mitten im Land, weitab von der feindlichen Grenze, sowie der
günstigen Wasserführung in der trockenen Jahreszeit. Der Rhein hat allerdings
den Nachteil, daß er unserer Westgrenze naheliegt, dafür sind seine Wasserkräfte
aber auch ungleich mächtiger als die des Jnn. Während die großherzogliche
Regierung in der badischen Kammer am 19. März 1914 die Leistungsfähigkeit
der Rheinwasserkräfte oberhalb Straßburgs auf 200000 ?L. angegeben hatte,
liefert nach Hallinger zwischen Basel und Straßburg allein die höchste Aus¬
beutung der Gefälle eine Durchschnittsleistung von 600000 ?3. und dazu noch
unterhalb Straßburg auf der badischen Seite weitere 200000 PZ.

Obwohl ich sonst die Kostenfrage der Wasserkraftanlagen hier absichtlich
aus dem Spiel lasse, will ich doch hervorheben, daß nach Hallinger die völlige


Deutschlands Wasserkräfte

oder gar nicht bewohnt ist. Solche Flußtäler besitzen wir aber in Deutschland,
man darf wohl sagen Gott sei Dank, nur sehr wenig, und da ist mit hoher
Freude zu begrüßen, daß in allerneuster Zeit ein deutscher Ingenieur, der
rühmlichst bekannte Münchener Wasserbautechniker Th. Hallinger, es durch Ver¬
vollkommnungen in der Technik dahin gebracht hat, geringere Gefälle eines
Flusses auch ohne den Bau größerer Talsperren und die Vernichtung wert¬
vollen Landes zusammenzufassen und technisch zu verwerten. Die Vervoll¬
kommnungen, welche Hallinger im Wasserbau eingeführt hat, bestehen in der
Hauptsache in der Zusammenfassung kleinerer Stauwehre in ein größeres, in der
Verminderung des Wasserwiderstandes durch Herrichtung der Kanalwände aus
Stampfbeton statt aus Erde oder Kies, endlich in der Ausbildung der Nieder¬
druckturbine als Großkraftmaschine. wodurch allein im Durchschnitt 50 Prozent
der bisherigen Kosten erspart werden. Diese Verbesserungen gewähren die
Möglichkeit, Niedcrwasserlräfte auszunutzen, welche bisher unbeachtet geblieben
waren, und daher lassen sich allein im südlichen Bayern nach Hallinger doppelt
so viel Wasserkräfte nutzbringend verwerten als die staatliche Untersuchung für
das ganze Königreich Bayern angenommen hatte. Dementsprechend steigt
natürlich nun auch der Wert der Flüsse im übrigen Süddeutschland und im
mitteldeutschen Hügelland, und es liegt hier ein Schatz einheimischer Wasserkräfte
noch verborgen, welchen zu heben eine ungemein wichtige Aufgabe der aller¬
nächsten Zukunft sein muß. Besonders fällt noch ins Gewicht, daß die Kosten
der Arbeit in einem fehr günstigen Verhältnis zu den Vorteilen stehen, welche
man aus ihnen ziehen kann, und daß sie, je nach den vorhandenen Mitteln
und der Zahl der vorhandenen Arbeitskräfte, nach und nach ausgeführt werden
können. — In seinen Veröffentlichungen „Die großen staatlichen Niederdruck-
wafserkräste in Süd-Bayern" und „Zwei deutsche Großkraftquellen", beide in
Dießen bei München vor kurzem erschienen, sowie in einem kürzlich vor dem
bayerischen Bezirksverein deutscher Ingenieure in München gehaltenen Vortrag
lenkt Hallinger das besondere Augenmerk auf die gewaltigen Kraftquellen des
Jnn und des Rhein. Das Jnngebiet besitzt nach ihm noch 400000 PS. unver¬
brauchter Wasserkraft in Jahresmittelleistung und dazu noch den großen Vorteil
der Lage, mitten im Land, weitab von der feindlichen Grenze, sowie der
günstigen Wasserführung in der trockenen Jahreszeit. Der Rhein hat allerdings
den Nachteil, daß er unserer Westgrenze naheliegt, dafür sind seine Wasserkräfte
aber auch ungleich mächtiger als die des Jnn. Während die großherzogliche
Regierung in der badischen Kammer am 19. März 1914 die Leistungsfähigkeit
der Rheinwasserkräfte oberhalb Straßburgs auf 200000 ?L. angegeben hatte,
liefert nach Hallinger zwischen Basel und Straßburg allein die höchste Aus¬
beutung der Gefälle eine Durchschnittsleistung von 600000 ?3. und dazu noch
unterhalb Straßburg auf der badischen Seite weitere 200000 PZ.

Obwohl ich sonst die Kostenfrage der Wasserkraftanlagen hier absichtlich
aus dem Spiel lasse, will ich doch hervorheben, daß nach Hallinger die völlige


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[0345] Deutschlands Wasserkräfte oder gar nicht bewohnt ist. Solche Flußtäler besitzen wir aber in Deutschland, man darf wohl sagen Gott sei Dank, nur sehr wenig, und da ist mit hoher Freude zu begrüßen, daß in allerneuster Zeit ein deutscher Ingenieur, der rühmlichst bekannte Münchener Wasserbautechniker Th. Hallinger, es durch Ver¬ vollkommnungen in der Technik dahin gebracht hat, geringere Gefälle eines Flusses auch ohne den Bau größerer Talsperren und die Vernichtung wert¬ vollen Landes zusammenzufassen und technisch zu verwerten. Die Vervoll¬ kommnungen, welche Hallinger im Wasserbau eingeführt hat, bestehen in der Hauptsache in der Zusammenfassung kleinerer Stauwehre in ein größeres, in der Verminderung des Wasserwiderstandes durch Herrichtung der Kanalwände aus Stampfbeton statt aus Erde oder Kies, endlich in der Ausbildung der Nieder¬ druckturbine als Großkraftmaschine. wodurch allein im Durchschnitt 50 Prozent der bisherigen Kosten erspart werden. Diese Verbesserungen gewähren die Möglichkeit, Niedcrwasserlräfte auszunutzen, welche bisher unbeachtet geblieben waren, und daher lassen sich allein im südlichen Bayern nach Hallinger doppelt so viel Wasserkräfte nutzbringend verwerten als die staatliche Untersuchung für das ganze Königreich Bayern angenommen hatte. Dementsprechend steigt natürlich nun auch der Wert der Flüsse im übrigen Süddeutschland und im mitteldeutschen Hügelland, und es liegt hier ein Schatz einheimischer Wasserkräfte noch verborgen, welchen zu heben eine ungemein wichtige Aufgabe der aller¬ nächsten Zukunft sein muß. Besonders fällt noch ins Gewicht, daß die Kosten der Arbeit in einem fehr günstigen Verhältnis zu den Vorteilen stehen, welche man aus ihnen ziehen kann, und daß sie, je nach den vorhandenen Mitteln und der Zahl der vorhandenen Arbeitskräfte, nach und nach ausgeführt werden können. — In seinen Veröffentlichungen „Die großen staatlichen Niederdruck- wafserkräste in Süd-Bayern" und „Zwei deutsche Großkraftquellen", beide in Dießen bei München vor kurzem erschienen, sowie in einem kürzlich vor dem bayerischen Bezirksverein deutscher Ingenieure in München gehaltenen Vortrag lenkt Hallinger das besondere Augenmerk auf die gewaltigen Kraftquellen des Jnn und des Rhein. Das Jnngebiet besitzt nach ihm noch 400000 PS. unver¬ brauchter Wasserkraft in Jahresmittelleistung und dazu noch den großen Vorteil der Lage, mitten im Land, weitab von der feindlichen Grenze, sowie der günstigen Wasserführung in der trockenen Jahreszeit. Der Rhein hat allerdings den Nachteil, daß er unserer Westgrenze naheliegt, dafür sind seine Wasserkräfte aber auch ungleich mächtiger als die des Jnn. Während die großherzogliche Regierung in der badischen Kammer am 19. März 1914 die Leistungsfähigkeit der Rheinwasserkräfte oberhalb Straßburgs auf 200000 ?L. angegeben hatte, liefert nach Hallinger zwischen Basel und Straßburg allein die höchste Aus¬ beutung der Gefälle eine Durchschnittsleistung von 600000 ?3. und dazu noch unterhalb Straßburg auf der badischen Seite weitere 200000 PZ. Obwohl ich sonst die Kostenfrage der Wasserkraftanlagen hier absichtlich aus dem Spiel lasse, will ich doch hervorheben, daß nach Hallinger die völlige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/345>, abgerufen am 23.07.2024.