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Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr.

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Belgiens Zukunft

Erst das deutsche General-Gouvernement hat mit der Gleichberechtigung aller
drei Sprachen ernst gemacht.

Mit der von den Belgiern selbst erstrebten Zweiteilung des Landes ver-
chwindet die Notwendigkeit der Dreisprachigkeit ganz von selbst. Es bleibt
nur Vlamland mit deutscher und vlämischer, und die Wallonei mit deutscher
und französischer Staatssprache. In beiden Reichsländern verkehren die Be¬
hörden in den beiden Staatssprachen, öffentliche Anzeigen und Inschriften sind
nur in einer der beiden Sprachen des Landes zulässig, Zeitungen dürfen nur
in diesen Sprachen erscheinen und zwar vlämisch in Vlamland, französisch in
der Wallonei mit beigefügter deutscher Übersetzung, Unterricht wird in beiden
Landessprachen erteilt, deutsch ist überall Zwangsfach. Vlamland erhält eine
deutsch-vlümische Universität in Gent und die Wallonei eine deutsch-französische
in Lüttich, die freien Partei-Universitäten, die katholische in Löwen und die
liberale in Brüssel, werden als mit dem deutschen Staatsgedanken unvereinbar
aufgehoben.

Abgesehen von dem Vorteile der Zweisprachigkeit vor der Dreisprachigkeit
für das ganze Land, ergeben sich durch die Teilung in zwei Neichsländer auch
noch besondere sprachliche Vorzüge für Vlamland. Der französische Firnis, der
seit den Zeiten der burgundischen Herzöge das niederdeutsche Sprachgebiet des
bisherigen Belgien überzogen, verschwindet ganz von selbst. Die französische
Sprache hat in Vlamland kein H'eimatrecht mehr. Wer nur des Französischen
mächtig ist, oder es für vornehmer hält, sich seiner zu bedienen, muß sich eben
der Landessprache anbequemen oder uach der Wallonei überwandern. Außer¬
dem wird, wenn die vlämischen Soldaten im Heere, die vlämischen Kinder in
der Schule die deutsche Staatssprache lernen müssen, wenn alle öffentlichen Be¬
kanntmachungen und Inschriften, auch die Zeitungen nicht nur vlämisch, fondern
gleichzeitig deutsch erscheinen, die hochdeutsche Schriftsprache ihre natürliche
Überlegenheit über die niederdeutschen Mundarten auch hier beweisen. Ist
doch die Volkssprache diesseits und jenseits der Grenze überhaupt nicht ver¬
schieden, und nur die Erhebung der niederländischen Volkssprache zur Schrift¬
sprache hat eine Schranke gezogen. Mag die vlämifche Volkssprache fort¬
bestehen wie westfälisches oder mecklenburgisches Platt, am reichen Baume
deutschen Volkstums soll kein Ast abgeschnitten werden. Die gebildeten Klassen
Vlamlands, denen das Französische genommen wird, werden es von selbst vor¬
teilhafter finden, sich der Schriftsprache eines Achtzigmillionen-Volkes zu be¬
dienen, als eines vereinzelten deutschen Volksdialekts. So kann Vlamland,
von Jahrhunderte altem französischen Überzug befreit, unmittelbar hinein¬
gezogen werden in deutsches Sprachgebiet und deutsches Kulturleben.

In beiden Reichsländern übt der Kaiser die ihm übertragene Staatsgewalt
durch dem Reichskanzler unterstellte Statthalter zunächst diktatorisch aus. Die
bisherigen Provinzen werden aufgehoben. Sie sind einerseits zu groß für eine
intensive deutsche Verwaltungsarbeit, andererseits, da jedes Reichsland ungefähr


Belgiens Zukunft

Erst das deutsche General-Gouvernement hat mit der Gleichberechtigung aller
drei Sprachen ernst gemacht.

Mit der von den Belgiern selbst erstrebten Zweiteilung des Landes ver-
chwindet die Notwendigkeit der Dreisprachigkeit ganz von selbst. Es bleibt
nur Vlamland mit deutscher und vlämischer, und die Wallonei mit deutscher
und französischer Staatssprache. In beiden Reichsländern verkehren die Be¬
hörden in den beiden Staatssprachen, öffentliche Anzeigen und Inschriften sind
nur in einer der beiden Sprachen des Landes zulässig, Zeitungen dürfen nur
in diesen Sprachen erscheinen und zwar vlämisch in Vlamland, französisch in
der Wallonei mit beigefügter deutscher Übersetzung, Unterricht wird in beiden
Landessprachen erteilt, deutsch ist überall Zwangsfach. Vlamland erhält eine
deutsch-vlümische Universität in Gent und die Wallonei eine deutsch-französische
in Lüttich, die freien Partei-Universitäten, die katholische in Löwen und die
liberale in Brüssel, werden als mit dem deutschen Staatsgedanken unvereinbar
aufgehoben.

Abgesehen von dem Vorteile der Zweisprachigkeit vor der Dreisprachigkeit
für das ganze Land, ergeben sich durch die Teilung in zwei Neichsländer auch
noch besondere sprachliche Vorzüge für Vlamland. Der französische Firnis, der
seit den Zeiten der burgundischen Herzöge das niederdeutsche Sprachgebiet des
bisherigen Belgien überzogen, verschwindet ganz von selbst. Die französische
Sprache hat in Vlamland kein H'eimatrecht mehr. Wer nur des Französischen
mächtig ist, oder es für vornehmer hält, sich seiner zu bedienen, muß sich eben
der Landessprache anbequemen oder uach der Wallonei überwandern. Außer¬
dem wird, wenn die vlämischen Soldaten im Heere, die vlämischen Kinder in
der Schule die deutsche Staatssprache lernen müssen, wenn alle öffentlichen Be¬
kanntmachungen und Inschriften, auch die Zeitungen nicht nur vlämisch, fondern
gleichzeitig deutsch erscheinen, die hochdeutsche Schriftsprache ihre natürliche
Überlegenheit über die niederdeutschen Mundarten auch hier beweisen. Ist
doch die Volkssprache diesseits und jenseits der Grenze überhaupt nicht ver¬
schieden, und nur die Erhebung der niederländischen Volkssprache zur Schrift¬
sprache hat eine Schranke gezogen. Mag die vlämifche Volkssprache fort¬
bestehen wie westfälisches oder mecklenburgisches Platt, am reichen Baume
deutschen Volkstums soll kein Ast abgeschnitten werden. Die gebildeten Klassen
Vlamlands, denen das Französische genommen wird, werden es von selbst vor¬
teilhafter finden, sich der Schriftsprache eines Achtzigmillionen-Volkes zu be¬
dienen, als eines vereinzelten deutschen Volksdialekts. So kann Vlamland,
von Jahrhunderte altem französischen Überzug befreit, unmittelbar hinein¬
gezogen werden in deutsches Sprachgebiet und deutsches Kulturleben.

In beiden Reichsländern übt der Kaiser die ihm übertragene Staatsgewalt
durch dem Reichskanzler unterstellte Statthalter zunächst diktatorisch aus. Die
bisherigen Provinzen werden aufgehoben. Sie sind einerseits zu groß für eine
intensive deutsche Verwaltungsarbeit, andererseits, da jedes Reichsland ungefähr


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[0312] Belgiens Zukunft Erst das deutsche General-Gouvernement hat mit der Gleichberechtigung aller drei Sprachen ernst gemacht. Mit der von den Belgiern selbst erstrebten Zweiteilung des Landes ver- chwindet die Notwendigkeit der Dreisprachigkeit ganz von selbst. Es bleibt nur Vlamland mit deutscher und vlämischer, und die Wallonei mit deutscher und französischer Staatssprache. In beiden Reichsländern verkehren die Be¬ hörden in den beiden Staatssprachen, öffentliche Anzeigen und Inschriften sind nur in einer der beiden Sprachen des Landes zulässig, Zeitungen dürfen nur in diesen Sprachen erscheinen und zwar vlämisch in Vlamland, französisch in der Wallonei mit beigefügter deutscher Übersetzung, Unterricht wird in beiden Landessprachen erteilt, deutsch ist überall Zwangsfach. Vlamland erhält eine deutsch-vlümische Universität in Gent und die Wallonei eine deutsch-französische in Lüttich, die freien Partei-Universitäten, die katholische in Löwen und die liberale in Brüssel, werden als mit dem deutschen Staatsgedanken unvereinbar aufgehoben. Abgesehen von dem Vorteile der Zweisprachigkeit vor der Dreisprachigkeit für das ganze Land, ergeben sich durch die Teilung in zwei Neichsländer auch noch besondere sprachliche Vorzüge für Vlamland. Der französische Firnis, der seit den Zeiten der burgundischen Herzöge das niederdeutsche Sprachgebiet des bisherigen Belgien überzogen, verschwindet ganz von selbst. Die französische Sprache hat in Vlamland kein H'eimatrecht mehr. Wer nur des Französischen mächtig ist, oder es für vornehmer hält, sich seiner zu bedienen, muß sich eben der Landessprache anbequemen oder uach der Wallonei überwandern. Außer¬ dem wird, wenn die vlämischen Soldaten im Heere, die vlämischen Kinder in der Schule die deutsche Staatssprache lernen müssen, wenn alle öffentlichen Be¬ kanntmachungen und Inschriften, auch die Zeitungen nicht nur vlämisch, fondern gleichzeitig deutsch erscheinen, die hochdeutsche Schriftsprache ihre natürliche Überlegenheit über die niederdeutschen Mundarten auch hier beweisen. Ist doch die Volkssprache diesseits und jenseits der Grenze überhaupt nicht ver¬ schieden, und nur die Erhebung der niederländischen Volkssprache zur Schrift¬ sprache hat eine Schranke gezogen. Mag die vlämifche Volkssprache fort¬ bestehen wie westfälisches oder mecklenburgisches Platt, am reichen Baume deutschen Volkstums soll kein Ast abgeschnitten werden. Die gebildeten Klassen Vlamlands, denen das Französische genommen wird, werden es von selbst vor¬ teilhafter finden, sich der Schriftsprache eines Achtzigmillionen-Volkes zu be¬ dienen, als eines vereinzelten deutschen Volksdialekts. So kann Vlamland, von Jahrhunderte altem französischen Überzug befreit, unmittelbar hinein¬ gezogen werden in deutsches Sprachgebiet und deutsches Kulturleben. In beiden Reichsländern übt der Kaiser die ihm übertragene Staatsgewalt durch dem Reichskanzler unterstellte Statthalter zunächst diktatorisch aus. Die bisherigen Provinzen werden aufgehoben. Sie sind einerseits zu groß für eine intensive deutsche Verwaltungsarbeit, andererseits, da jedes Reichsland ungefähr

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 75, 1916, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341903_330971/312>, abgerufen am 30.06.2024.